Die PR-Wächter empfehlen deshalb die Aberkennung des Goldenen Cannes-Löwen in der Kategorie PR, den Jung von Matt gewonnen hat. "Aus unserer Sicht wäre es besser, wenn die Jury in Cannes hierbei im Sinne der internationalen Standards entscheidet. Uns hat es sehr verwundert, dass die Aktion ausgezeichnet wurde, obwohl bereits das Verfahren lief. Offensichtlich wurde die Jury nicht von Agentur- bzw. Unternehmensseite hierüber informiert", sagt Richard Gaul, seit 2008 Vorsitzender des DRPR und lange Jahre Kommunikationschef von BMW.

Kurz nach der Preisverleihung in Cannes sorgte die Entscheidung der Jury, für "Tramp a Benz" eine Goldenen Löwen zu vergeben, in der Tat für Diskussionen. Aber nicht wegen mangelnder Transparenz, sondern wegen angeblichen Ideenklaus. Gegenüber W&V Online äußerte sich damals der deutsche Cannes-PR-Juror Karl-Heinz Heuser (Burson Marsteller), in der Jury habe es überhaupt keine Einwände gegeben. "Alle Jurymitglieder waren von dem Projekt beeindruckt - gerade auch im Hinblick darauf, wie sehr es auf die Marke einzahlt", berichtete damals Heuser.

Auch die von W&V Online befragten ADC-Mitglieder zeigten großes Verständnis für die Entscheidung der Cannes-Jury. Raban Ruddigkeit, Berliner ADC-Mitglied, fand zwar, dass die Aktion auf den ersten Blick wie ein Studentenprojekt anmutet. "Aber das Geheimnis liegt doch darin, eine Idee konsequent zu Ende zu denken. Dafür wurde Jung von Matt in diesem Fall von der Cannes-Jury belohnt. Für mich gibt es an der Entscheidung nichts zu deuteln", so Ruddigkeit. Ähnlich sah es auch das ADC-Mitglied Carsten Heintzsch: "Die Cannes-Jury ist doch nicht bekloppt", lautet sein Kommentar. "Die Kritiker sollen sich mal entspannen."

Ob das die Jury in Cannes auch so sieht, ist noch nicht klar. Auf Anfrage teilt das Festival mit, dass man erst das Gespräch mit Jung von Matt abwarten will.


Autor: Frauke Schobelt

koordiniert und steuert als Newschefin der W&V den täglichen Newsdienst und schreibt selber über alles Mögliche in den Kanälen von W&V Online. Sie hat ein Faible für nationale und internationale Kampagnen, Markengeschichten, die "Kreation des Tages" und die Nordsee. Und für den Kaffeeautomaten. Seit 2000 im Verlag W&V.