Pascal Wabnitz, LeBuzz:
Das Ende der Instagram-Likes: Drama oder Chance?!
Eine visuell nur minimale Veränderung bei Instagram sorgt gerade für große Furore und ein weltweites Presseecho. Demnächst verschwinden in immer mehr Märkten die Likes unter Instagram-Posts. Was das fürs Online-Marketing bedeutet.
Nach ersten Tests in Kanada im April wurde der Verzicht auf die Anzeige der "Likes" bei Instagram auf weitere Länder wie Japan, Brasilien und Australien ausgeweitet. Nachdem vor wenigen Tagen nun vermeldet wurde, dass auch die Instagram-Nutzer in den USA diese Kennzahl nicht mehr angezeigt bekommen, scheint ein verbindlicher Launch nun der nächste Schritt zu sein. Zudem machen erste Folgeerscheinungen bereits die Runde - wie etwa das Sinken der Likes in den bisherigen Testländern.
Obwohl die Kennzahl "Like" für viele Marketer seit Jahren keine große Rolle mehr spielen sollte, so hat sie sich dies - genau wie die Reichweite fremder oder eigener Accounts - lange in den Köpfen der Entscheider gehalten und war oft mitentscheidend für eine Buchung eines Influencers oder die Erfolgsmessung einer Kampagne.
Aber warum nun die vielen lauten Stimmen weltweit? Vor allem, wenn diese Veränderung eigentlich von nahezu allen positiv aufgenommen und sogar reichweitenstark befürwortet wird? So etwa auch von Twitter-CEO Jack Dorsey.
Der Like war für viele Menschen jahrelang eine, wenn nicht sogar DIE Währung, um Beiträge, Content-Qualität und Co. eigener oder fremder Beiträge zu bewerten. Influencer buhlten regelrecht um die Like-Hoheit in ihren Bereichen und als Folge wurden Bots, Pods, etc. immer wieder vereinzelt genutzt, um die Anzahl der Likes notfalls auch künstlich zu erhöhen. Denn damals wie (leider noch teilweise) heute, stellt der Like für viele eine wichtige Kennzahl in ihren Marketingaktivitäten dar.
Was heißt aber diese scheinbar unausweichliche Veränderung nun für uns alle?
Viele Influencer, Agenturen und Marken verwenden schon seit Jahren verschiedene Kennzahlen, wie Reichweite, Impressionen, Interaktionen oder Conversion, um ihren Erfolg zu messen und sind somit nicht unbedingt abhängig von der Like-Funktion. Vorteile bietet es auch denjenigen, die sich jahrelang wegen der Like-Anzahl von eigenen oder fremden Beiträgen unter Druck gesetzt gefühlt haben. Einen Nachteil werden ausschließlich die Nutzer haben, die Instagram professionalisiert nutzen und sich bisher noch nicht mit alternativen Kennzahlen für die Erfolgsmessung beschäftigt haben.
Back to the roots
Aus meiner Sicht wird es durch den Verzicht auf die Like-Anzahl eine Rückbesinnung auf qualitative Beiträge anstatt der umgehenden Adaption funktionierender Inhalte geben. Auch eine deutliche Unterscheidung im visuellen Auftritt wird sich nicht vermeiden lassen, da Kunden auch schon länger nicht mehr rein nach der Reichweite entscheiden. Was bleibt, ist der Content, der auf den ersten Blick verrät, ob sich eine Anfrage für den Kunden lohnt oder nicht.
Meine Hoffnung ist, dass auch die letzten professionellen Entscheider endlich Richtung Conversion getriebener Kampagnen wechseln und sich vermehrt auf Kennzahlen wie Traffic, Downloads, Warenkorbabschlüsse usw. konzentrieren. Awareness hin oder her, sie kann ein Ziel sein, sollte aber nicht die einzige Basis einer Auswertung darstellen.
Welche Fragen ich mir aber stelle, sind folgende:
1. Was passiert mit den Likes auf anderen Plattformen? Dass Facebook bei Erfolg wechselt, ist nicht erklärungsbedürftig, aber ob auch Tik Tok, Pinterest usw. folgen werden, das wird sich 2020 zeigen.
2. Spannend ist auch die Frage, inwiefern das Verschwinden der Like-Anzahl sich auf die Reactions z.B. auf Facebook oder Linkedin auswirken wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese in Gesamtheit verschwinden, da sie eine deutlich breitere Aussagekraft für die Nutzer haben.
3. Viele Marketers erwarten durch die Veränderung bei den Likes einen Zuwachs bei den Kommentaren. Wird diese Wechselwirkung aber wirklich eintreten? Ich denke nicht, denn ein Like ist weit entfernt von einem Kommentar, egal ob zeitlich hinsichtlich des Aufwands als auch inhaltlich, wenn man sich das veränderte Nutzerverhalten der vor allem jüngeren Zielgruppe ansieht. Hinzu kommt der extreme Wandel vom Instagram-Feed hin zu den Instagram-Stories. Wo noch vor wenigen Jahren das Verhältnis bei 80/20 lag, so ist es heute genau andersherum.
Machen wir uns aber am Ende nichts vor, diese Veränderung ist sicherlich keine Entscheidung für den User seitens Instagram gewesen, sondern eine für die Monetarisierung selbiger. Denn durch das Verschwinden der Anzahl an Likes und tendenziell sinkender organischer Reichweiten, müssen Marketers vermehrt in Paid Media investieren, egal ob das Ziel z.B. die Impression oder die Conversion ist.
Die Meinung anderer Branchenexperten
Elina Reimche, Social Media & Community Manager bei Flaconi: "Instagram ohne Likes ist wie Schule ohne Noten. Klingt erstmal nicht schlecht! Aber nur weil Likes nicht mehr öffentlich einsehbar sind, sind sie noch lange nicht verschwunden. Auch Influencer Marketing verändert sich dadurch erst einmal kaum. Der einzige Unterschied: Marketer müssen nun in der Auswahl von Talents umso stärker mit Influencern und Managements zusammenarbeiten, um Zugriff auf deren Insights zu bekommen. Nur dann können sie sich ein Bild davon machen, wie gut der Creator zu den jeweiligen Kampagnenzielen passt. Das Gute daran: Eine Verschiebung des Focus weg von starren KPIs hin zur qualitativen Bewertungen des Contents."
Kai Strehler, Head of Social Media bei Deutsche Bahn: "Es ist einfach eine wahnsinnig große Chance, sich von den rein quantitativ messbaren Like-Erfolgen zu entfernen und endlich Content danach zu bewerten, wie wir es in der Realität auch machen: Nach Botschaft und nach dem Gefühl, das die Kampagne bei den Menschen hinterlässt, auf die es ankommt: Die Empfänger."
Ines Spicker, Senior Social Media Manager bei Share Now: "Die Relevanz von Instagram für Nutzer liegt ohnehin schon seit geraumer Zeit in den Stories begründet. Mit der Abschaffung der Like-Zahlen werden die Feed-Posts noch mehr in den Hintergrund rücken – denn warum der Aufwand, wenn keine öffentliche Anerkennung? Besonders für Fakefluencer fehlt in Zukunft der Anreiz, im Feed präsent zu sein. Denn mit vielen Likes und damit auch mit einer hohen Reichweite wird kein Geld mehr zu verdienen sein. Eine große Chance für echten und dadurch qualitativ hochwertigen Content."
Weitere spannende Expertenmeinungen zu dem Thema findet ihr übrigens als Kommentare unter meinem letzten Beitrag auf Linkedin.
Der Autor: Pascal Wabnitz ist Gründer und Geschäftsführer von Le Buzz, einem Ökosystem rund um das Thema Influencer Marketing. Hierzu zählt auch das Le Buzz Studio mit Schwerpunkt Content, Social Media und Influencer Marketing, welches zuletzt Kunden, wie Land Rover, Getty Images, VGH Versicherungen usw. gewinnen konnte.