
Coffee Circle: "Wir sind nicht irgendwelche verrückten Spinner"
Vor rund einem Jahr ging das Berliner Startup Coffee Circle an den Start. Ein Gespräch mit Mitgründer Martin Elwert über Nachhaltigkeit im Kaffeemarkt, den Wettbewerb mit Riesen-Playern und wichtige "Fehler".
Im Dezember 2010 ging das Berliner Startup Coffee Circle an den Start. Über das Internet verkauft die Jungfirma hochwertigen Kaffee aus Äthiopien. Dabei setzen die Gründer Robert Rudnick, Martin Elwert und Moritz Waldstein-Wartenberg auf fairen Handel. Aktuell sind sie wieder unterwegs in dem afrikanischen Land, um Kaffeebohnen einzukaufen und soziale Projekte zu fördern. Denn von jedem Kilo Kaffee wird ein Euro für gemeinnützige Projekte in der Region gespendet. So soll sich der Kreislauf schließen. Im Interview mit W&V Online spricht Mitgründer Martin Elwert über Nachhaltigkeit im Kaffeemarkt, den Wettkampf mit großen Playern und wichtige "Fehler" im ersten Jahr als Startup.
Als David stehen sie im Wettbewerb mit vielen Goliaths. Wie bewerten Sie die Nachhaltigkeitskampagnen der großen Kaffeeröster Tchibo und Dallmayr?
Das Engagement ist klasse. Denn es zeigt uns, dass unser Ansatz nicht nur eine Nische ist, wir nicht irgendwelche verrückten Spinner sind, die meinen, einen Großteil ihrer Marge abgeben zu müssen und zu helfen. Wenn die Großen aufspringen, bestätigt uns das nur, das empfinden wir quasi als Ritterschlag. Wenn man jedoch bedenkt, wie viel Umsatz diese Unternehmen pro Jahr machen, dann ist da natürlich noch wahnsinnig viel Platz nach oben. Wenn Tchibo und Dallmayr den nachhaltigen Anbau kontinuierlich ausbauen und professionalisieren, wäre das ein großer Schritt für den Markt und käme auch unserem Ziel am nächsten. Nämlich, dass von den Erlösen ein gehöriger Teil wieder zurückfließt in die Anbauländer. Wenn Tchibo 30.000 Tonnen verkauft, ist man schnell im zweistelligen Millionenbereich mit Geldern, die vor Ort in die Hilfe gesteckt werden könnten.
Glauben Sie, das wird passieren?
Wir können uns sicherlich davon freimachen, dass die originäre Motivation für so eine Kampagne aus dem sozialen Zweck heraus entsteht. Das ist auch nicht tragisch, Hauptsache, es wird überhaupt etwas getan. Ob es weitergeht, hängt stark davon ab, wie gut sich solche Produkte verkaufen und ob sie innerhalb der Unternehmen vom Sales als Erfolg bewertet werden. Wünschenswerter wäre es natürlich, wenn Tchibo und Dallmayr solche Konzepte aus sozialen Überlegungen heraus am Markt durchdrücken. Wir reden immerhin von zwei der größten Kaffeeröster. Wenn die sich ein Herz nehmen und langfristig und aus Überzeugung heraus andere dazu anstiften, es ihnen gleichzutun, dann kann es sein, dass hier im Markt ein gewisses Bewusstsein geschaffen wird. Die haben eine wahnsinnige Marktmacht.
Die Ausführung von Tchibo erinnert an ihre eigene Kampagne. Wie finden Sie das?
Wir haben unser Konzept vor einem Jahr beim Deutschen Kaffeekongress präsentiert, da haben wir viel Aufmerksamkeit bekommen, weil es eine innovative Idee ist und die sind im etwas verstaubten Kaffeemarkt immer gefragt. Vor ein paar Jahren waren es die Kaffeepads, jetzt gibt es die Rückbesinnung auf den Filterkaffee – und wir sind eben Vorreiter darin, die Sourcing-Länder stärker zu vermarkten. Das haben sie sich vielleicht abgeschaut, ist ja auch nicht verboten. Komisch fanden wir allerdings, dass selbst die Grafiken und die Website unserer so ähnlich sind. Das hat uns erst erbost und dann belustigt, weil es so offensichtlich ist und wir uns überlegt haben, wie viel Geld Tchibo im Gegensatz zu uns dafür wohl in die Hand genommen hat. (Kommentar von Tchibo siehe Kasten)
Wie lautet ihr Resumée nach einem Jahr?
Die Kunden akzeptieren unseren Ansatz, ein recht hoher Prozentsatz kauft wieder. 2011 konnten wir in Äthiopien schon fünf Projekte mit den ersten Tonnen verkauften Kaffees umsetzen und damit zum ersten Mal unseren Kreislauf schließen. Wir haben Brunnen und einen Sportplatz gebaut, eine Schule mit Materialien ausgestattet, ebenso eine Gesundheitsstation. Unsere Grundprinzipien: Wir evaluieren den Bedarf direkt mit den Kaffeebauern und legen die Projekte gemeinsam fest. Wir möchten ein klares Ergebnis erzielen und dabei keine Abhängigkeiten schaffen. Deshalb stellen wir z.B. keine Krankenschwester ein.
Wer sind ihre Kunden?
Unsere Kunden sind überwiegend wertegetrieben. Das reicht von den klassischen Lohas mit hohem Einkommen bis zu Menschen, denen der Kaffee einfach gut schmeckt und für die der soziale Aspekt erstmal nebensächlich ist. Die sind für uns sehr wichtig, denn wir wollen in erster Linie guten Kaffee verkaufen, dann kommen die Kunden auch wieder.
Ködern mit dem guten Gewissen klappt also nicht?
Es reicht nicht aus als Geschäftsbasis in Deutschland an das schlechte Gewissen zu appellieren, sondern das Produkt muss stimmen. Wenn der gute Zweck im Vordergrund steht, funktioniert das langfristig nicht. Dann kaufen die Kunden vielleicht zweimal, aber kein drittes Mal. Deshalb ist unser Ansatz, ein Euro pro Kilogramm für soziale Projekte in Äthiopien auszugeben, eher der nachgeordnete Aspekt.
Welche Rolle spielt der soziale Aspekt?
Wir ermöglichen den Kaffeebauern in Äthiopien, stolz auf ihren Kaffee zu sein, sich mit dem Produkt zu identifizieren. Wir zeigen ihnen, wie ihr Kaffee bei uns verkauft wird. Das motiviert sie, weiterhin hohe Qualität produzieren. Der soziale Aspekt ist uns dabei sehr wichtig, aber wir sehen ihn gewissermaßen als Selbstverständlichkeit an.
Und warum zahlen sie nicht einfach mehr für den Kaffee?
Es ist eine Frage von ökonomischen Prinzipien, vor Ort auf die hohe Qualität zu achten, anstatt einfach nur mehr Geld zu bezahlen für den Kaffee. Andere, wie Fair Trade, geben grundsätzlich 20 US-Cent für das Pfund mehr. Das ist auch gut, aber das Incentive ist nicht so klar mit Qualität assoziiert wie bei uns. Denn wenn die nicht stimmt, gehen wir woanders hin. Das ist nicht unfair, sondern das Prinzip einer ökonomischen Marktwirtschaft, wo gute Qualität auch entlohnt wird zu sehr hohen Preisen. Bei Fair Trade gibt es automatisch immer mehr. Da haben wir etwas Neues geschaffen und das finden die Kaffeebauern auch gut.
Warum arbeiten Sie nicht mit Hilfsorganisationen vor Ort zusammen?
Wir haben als Studenten 2007-2009 in Addis Abeba eine Schule für Waisenkinder gebaut. Dabei haben wir viele Erfahrungen gesammelt und glauben, dass es für unser Projekt zurzeit das Beste ist, alles selbst zu organisieren. Wenn wir irgendwann 50 Tonnen pro Jahr verkaufen sollten, dann suchen wir uns kompetente, lokale Partnerorganisation. Wir wollen Transparenz, damit bauen wir das Vertrauen unserer Kunden auf. Das schaffen wir über die Bilder, die Projektumsetzung vor Ort.
Wie bewerben sie ihre Produkte?
Wir werben hauptsächlich über Social Media, viel über Facebook und Twitter. Das klappt mit einer Wiederkaufquote von 30 bis 40 Prozent wirklich super. Die Leute kommen zurück und werden dann in die Umsetzung der Projekte eingebunden. Eine PR-Agentur unterstützt uns. Wir nutzen klassische E-Mail-Newsletter und legen den Paketen Infobroschüren, Rezepte, Zubereitungsarten, etc. bei. Seit November testen wir Online-Marketing, vor allem SEO. Ob das funktioniert, wissen wir noch nicht. Online Kaffee zu kaufen ist ja relativ neu.
Welche Tipps haben Sie nach einem Jahr Learning für andere Start-ups?
Einfach mal machen, nicht ganz so viel zögern. Sich selbst die Chance geben, auszuprobieren und auch Fehler zu machen. Geld in die Hand zu nehmen für das völlig Falsche. Vor Weihnachten haben wir erstmals eine Bannerkampagne geschaltet, ein gutes Angebot. Dabei ist jedoch kein einziger Kauf rausgekommen. Doch es war besser das auszuprobieren, als wenn wir noch drei Monate diskutiert hätten.