
TV-Kritik ProSieben:
Circus HalliGalli: Perfektes Werbeumfeld für den gepflegten Suff
Joko und Klaas reden in "Circus HalliGalli" wie die Zielgruppe, spielen mit ihr, sind so konfus wie sie. W&V-Redakteurin Petra Schwegler hat's verfolgt..
Eines vorweg: Mit der neuen Montagsshow "Circus HalliGalli" rund um die ZDFneo-Überläufer Joko und Klaas versteht es ProSieben einmal mehr, die junge Zielgruppe perfekt anzusprechen. Wer 2013 auf der Mooseralm in Sankt Anton feiert und es beim Pacha-Clubbing in Ischgl krachen lässt, der wird die krude Mischung aus "TV Total", Comedy und Zoten lieben. ProSieben bespaßt das heutige Partyvolk so gezielt, wie es dem Sender vor gut einem Jahrzehnt mit Stefan Raab gelungen ist.
Joko Winterscheidt, 34, und Klaas Heufer-Umlauf, 29 – selbst Teil der jungen Zielgruppe der unter 35-Jährigen – dürfen sich denn auch über den Humor älterer Generationen lustig machen. Als Raab im Einspieler vom Kölner Karneval (Joko und Klaas müssen als "Ja-Sager" acht Stunden lang maskiert jede Frage mit "Ja" beantworten..) im Prunkwagen am Duo vorbeifährt, entkommt Klaas der Kommentar, dass er und sein Kompagnon im Pornobereich nur Vorbläser seien im Vergleich zum altgedienten ProSieben-Entertainer und "Long John" Stefan Raab. Auch Oliver Pocher bekommt sein Fett weg – er steht gefrustet vor der Studiotür und darf nicht rein...
Bildungsbürger werden nun einwenden, dass es wohl zur Generation YouTube gehört, dass Studiogast Cro nur 20 Sekunden singen darf. Oder dass Rapper Sido dank der Show-Manege wie ein Clown beim Kindergeburtstag rüberkommt. Oder fragen, warum ein so langer Einspieler rund um den besoffenen Außenreporter Charles Schulzkowski alias Olli Schulz sein muss? Minutenlang zieht dieser Whiskey kippend über einen Berliner Filmempfang. Uwe Ochsenknecht und Til Schweiger finden das Gepöbel sichtlich doof, Jörg Thadeusz und Matthias Schweighöfer kommen mit dem lallenden "HalliGalli"-Mann besser klar. Es driftet ins Alberne ab, als Schulzkowski Brötchenbrei aus den Mundwinkeln tropft und er Tafelsilber auf dem Boden des Hotels verteilt. Bis zu diesem Punkt ist "Circus HalliGalli" das perfekte Werbeumfeld für den gepflegten Suff: Da passt etwa die aktuelle Kampagne der Rummarke Captain Morgan dazu, in der vier Männer spätabends an der Bar versuchen, den Frauen zuhause ihre Anwesenheit mit Ritterrüstungen oder Plastikpuppen vorzugaukeln...
Joko und Klaas beweisen stets, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen und gerne noch den einen Schritt weiter gehen, den Raab hin und wieder sein lässt. So begrüßen sie beispielsweise Studiogast Helge Schneider mit den Worten: "Herr Schneider, wie geht’s? Wie steht’s? Wie hängt der Sack?" Zuweilen gelingt die Gratwanderung nicht – wenn etwa über die eigene Show-Promotion gewitzelt wird: "Das letzte Mal, dass Leute in so Zwanziger-, Dreißiger-Jahre-Klamotten Propaganda gemacht haben, brannte danach ganz Berlin." Joko und Klaas lachen anstandshalber selbst über derlei Zoten.
Für die starke Anbindung des Internets ans Format stehen Twitter-Botschaften mit dem Hashtag #HalliGalli, "Herr Internet" mit Alu-Kappe auf dem Kopf oder die "Überraschung" des Abends, die per Countdown angezählt wird und von der die mopsfidelen Moderatoren angeblich nichts wissen: Ein Kleinwüchsiger zieht den auf YouTube präsenten "Thüringer Klöße"-Sänger Fritz im kleinen Auto durchs Studio. Alle gackern, Witz gelungen. Die Autorin runzelt die Stirn, der knapp 15-jährige Sohn grinst.
Sorry, @oliverpocher aber du bist zu klein für die Sendung. #halligalli
— Circus HalliGalli (@halligalli) 25. Februar 2013
Fazit: Wir lassen nun einfach mal den pädagogischen Zeigefinger den pädagogischen Zeigefinger sein. Selbst wenn "Circus HalliGalli" auf die omnipräsente Fäkalsprache verzichten würde – das würde an der Ausdruckweise der begehrten jungen Seherschaft ohnehin nichts mehr ändern. Joko und Klaas reden wie die Zielgruppe, spielen mit ihr, sind so konfus wie sie. Die Kritiken der Bildungsbürger sind entsprechend schlecht – das kann dem Münchner Sender aber nur recht sein. Im Privatfernsehen gilt seit Langem die Regel: Was dem Feuilletonisten gefällt, floppt beim Zuschauer. Beste Voraussetzungen also, dass Joko und Klaas den späten Montagabend bei ProSieben künftig mit dicken Marktanteilen bereichern.
Die Premiere jedenfalls ist gelungen: Sie kommt mit 1,51 Millionen 14- bis 49-jährigen Zuschauern auf einen deutlich überdurchschnittlichen Marktanteil von 16,9 Prozent bei den Werberelevanten. Übrigens: Am besten punkten Joko und Klaas bei den 14- bis 19-Jährigen – mit 33,9 Prozent Marktanteil. Selbst 20- bis 29-Jährige sind stark vertreten: 30,5 Prozent Marktanteil. Davon profitiert auch der gute "alte" Stefan Raab: Er erklimmt im Anschluss mit dem in die Jahre gekommenen "TV total" verhältnismäßig starke 13,1 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen.