Verlage unter Druck:
Bund prüft staatliche Unterstützung für Zeitungszustellung
Verlage klagen über gestiegene Kosten bei der Zustellung. Jetzt schaltet sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein. Wird es eine staatliche Unterstützung geben?
Das Internet und der digitale Wandel verändern den Medienkonsum. Auflagenzahlen von gedruckten Tageszeitungen sind seit Jahren rückläufig. Trotzdem muss die Belieferung der gedruckten Zeitung weiterhin bis in die hintersten Winkel Deutschlands funktionieren. Verlage beklagen gestiegene Kosten. Auf Bundesebene wird derzeit eine staatliche Unterstützung speziell für die Zeitungszustellung geprüft.
In Regensburg bei der "Mittelbayerischen Zeitung" kennt man das Problem der gestiegenen Zustellkosten nur zu gut. "Die Stückkosten werden immer teurer", erläuterte der Vorsitzende der Geschäftsführung des Mittelbayerischen Verlags, Martin Wunnike, der Deutschen Presse-Agentur.
"Wenn Sie in einem Ort 100 Abonnenten hatten und dann haben sie bloß noch 90, dann ist die Zustellung in dem Ort mit der ganzen Transportlogistik in Summe teurer. Das führt dazu, dass Sie im Laufe der Zeit Regionen haben, wo sich eine Zeitungszustellung gar nicht mehr rentiert." Bislang werde noch flächendeckend versorgt. "Wir sehen das auch als demokratische Aufgabe", betonte Wunnike. Zugleich verwies er darauf, dass es zu wenig flächendeckendes Internet gebe.
"Wir haben hier in diesen ländlichen Gebieten Bereiche, da dauert das Laden unserer Zeitung 30 Minuten", ergänzte Wunnike zu E-Papern.
Mindestlohn führte zu zusätzlichen Kosten
Seit 2018 gilt der gesetzliche Mindestlohn auch für Zeitungszusteller, davor gab es eine Übergangsregelung. Der Mindestlohn liegt derzeit bei brutto 9,19 Euro je Stunde. Die Verlage, die Zusteller beschäftigen, mussten mit dem Mindestlohn einiges verändern.
"Nach der Umstellung von Stück- auf Stundenlohn mussten in den Logistikbereichen auch die Organisation und Strukturen angepasst werden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Zeitungsverleger-Verbands BDZV, Dietmar Wolff. Das habe zu zusätzlichen Kosten geführt. Martin Wunnike betonte ebenfalls: "Es hat einen immensen bürokratischen Aufwand verursacht." Er stellte zugleich klar: "Wir wollen nicht am Mindestlohn rütteln."
Im aktuellen Branchenbericht des BDZV ("Zeitungszahlen 2019") ist von jährlichen Mehrkosten für die Verlage von rund 400 Millionen Euro die Rede. Rund 100 000 Zusteller - überwiegend angestellt als geringfügig Beschäftigte - bringen demnach jeden Tag mehr als 10 Millionen Zeitungen zu den Lesern. Insgesamt wurden in Deutschland im zweiten Quartal 2019 täglich 13,52 Millionen Tageszeitungsexemplare verkauft.
Die Zustellung erfolgt dem Verband zufolge in der Regel durch Zustellorganisationen der Verlage sowie teilweise durch Zustellagenturen, an denen die Verlage beteiligt sind. Die personelle Situation auf dem Arbeitsmarkt in diesem Sektor ist nach Verbandseinschätzung angespannt, unter anderem weil es viel Konkurrenz zum Beispiel von Logistik-Dienstleistern gibt.
In Dänemark, Frankreich und Schweden wird gefördert
Auf dem Zeitungskongress in Berlin im September bezeichnete BDZV-Präsident Mathias Döpfner die Zustellung von Zeitungen als "brennendstes Thema". Er sprach von ermutigenden Gesprächen auf Bundesebene. Die Politik verstehe, dass eine staatliche Unterstützung für ein Zustellsystem, das sicherstellt, dass Zeitungen auf Papier in Deutschland überall hinkommen, wahrscheinlich der sicherste und beste Weg sei, um Verlagsvielfalt und -erfolg langfristig zu sichern.
Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) teilte auf dpa-Anfrage mit: "Das BMAS prüft eine Unterstützung der Zeitungszustellung." Grundlage für die Prüfung sei eine entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die bisher aber nicht greift. Die Sprecherin ergänzte: "Die Prüfung läuft noch, daher kann zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage zur Art und/oder Umfang einer Unterstützung gemacht werden. Im Rahmen einer Studie werden zunächst Handlungsoptionen aus einem internationalen Politikvergleich eruiert."
Die Studie betrachte dabei Fördersysteme in Dänemark, Frankreich und Schweden und sei noch in Arbeit.
"Eine Förderung von Journalismus lehnen wir ab."
In diesen Ländern gibt es unterschiedliche Förderinstrumente. In Frankreich etwa profitiert die Presse von Vorzugspreisen bei Lieferung und Verteilung durch die Post. Eine Ermäßigung gilt zum Beispiel für Tages- und Wochenzeitungen mit politischem und allgemeinem Informationsgehalt. In Dänemark bekommen Medien einen von ihrer Größe abhängigen Betrag vom Staat, um unter anderem ihre redaktionellen Produktionskosten decken zu können. Darunter fallen auch die Zustellungskosten.
BDZV-Hauptgeschäftsführer Wolff betonte: "Ohne eine staatliche Förderung der zukünftigen Infrastruktur kann die vollumfängliche Versorgung mit gedruckten Zeitungen und Anzeigenblättern nicht mehr gewährleistet werden. Es gab und gibt kein fertiges Modell für eine konkrete Förderung. Diese muss vielmehr erarbeitet werden. Die entsprechenden Diskussionen sind im Gang."
Wunnike sagte: "Was wir total ablehnen ist die Förderung von Journalismus." Dieser müsse natürlich weiterhin völlig unabhängig bleiben. Es müsse eine Infrastruktur-Förderung bei der Zustellung sein.
(dpa/W&V)