Brunowsky über Gruner + Jahr: "Das ist die Welt von gestern"
Harte Sanierung, neue Digital-Produkte und eine andere "Stern"-Chefredaktion: Der frühere "Capital"-Chef Ralf-Dieter Brunowsky erklärt im W&V-Interview, was bei Gruner + Jahr in der Ära nach Bernd Buchholz passieren muss.
Harte Sanierung, neue Digital-Produkte und eine andere "Stern"-Chefredaktion: Der frühere "Capital"-Chef Ralf-Dieter Brunowsky erklärt im W&V-Interview, was bei Gruner + Jahr in der Ära nach Bernd Buchholz passieren muss.
Herr Brunowsky, die Zeit von Bernd Buchholz bei Gruner + Jahr ist abgelaufen. Wer wäre aus Ihrer Sicht der ideale Nachfolger?
Der beste Nachfolger wäre mein früherer Praktikant Mathias Döpfner, aber der ist nun sicher nicht mehr zu haben. Die besten Leute von G+J sind ja zu Axel Springer gewechselt. Gruner + Jahr braucht meines Erachtens eine wirklich verlegerisch denkende Persönlichkeit an der Spitze, die mit harter Hand die eingefahrenen Spuren verlässt, saniert und umbaut. Und einen weiteren Vorstand mit strategischer Erfahrung im digitalen Bereich. Ich sehe da nur externe Kandidaten. Jürgen Richter wäre so eine Figur, wenn auch nur für einen Übergang bis zum Verkauf von G+J, den ich 2013/2014 erwarte.
Jeder neue CEO muss sich mit denselben Problemen wie Bernd Buchholz herumschlagen: Gesellschafter, die nicht viel investieren wollen und ein Digital-Geschäft, das im Vergleich zu Spiegel, Springer oder Burda unterentwickelt ist. Was muss bei G+J jetzt passieren?
Gruner + Jahr braucht eine digitale Strategie, die zu den Planungen von Bertelsmann passt. So was gibt es bisher nicht wirklich. Wer beansprucht, Magazine mit höchster Qualität zu produzieren, der muss auch im digitalen Bereich zu den Besten gehören. Es reicht nicht, sich auf rein journalistische Portale zu beschränken. Das ist die Welt von gestern. Der "Stern" braucht eine neue Spitze, die den "Stern" als Marke wieder vernehmbar macht. das geht nicht mit einer Doppelspitze. Osterkorn und Pätzold ("Stern"-Chefredakteure, d. Red.) sind kompetente, aber nach über zehn Jahren Arbeit immer noch weitgehend unbekannte Journalisten. Sie sind so gut wie nie im Fernsehen zu sehen, ihre Meinung wird nie zitiert. Politisch wird der "Stern" nur mit Uli Jörges besetzt. Der sollte neuer Chefredakteur werden. Gruner + Jahr kann im übrigen nur im Ausland wirklich wachsen. Da gab es schon mal größere Anstrengungen und übrigens auch Flops wie den von Kundrun (Buchholz-Vorgänger, d. Red.) zu verantwortenden 800 Millionen teuren Fehlkauf von Fast Company und "Inc". Buchholz hat hier kaum etwas angestoßen. Schließlich müssen die Wirtschaftsmedien umstrukturiert werden. Die Zusammenlegung zu einer Gesamtredaktion war kostensparend, aber strategisch falsch.
Als "Capital"-Chef waren Sie ja selbst lange bei G+J in der Verantwortung. Sind Sie mit der G+J Wirtschaftspresse in ihrer heutigen Form zufrieden?
Die G+J Wirtschaftspresse beschäftigt hervorragende Journalisten, aber sie funktioniert nicht und verdient kein Geld. Die "FTD" kommt nicht vom Fleck und schreibt weiter rote Zahlen, und das wird sich nicht ändern. "Capital" hat seine Gesamtauflage in zehn Jahren halbiert. 2000 verkauften wir bis zu 130 000 Exemplare allein am Kiosk - zugegebenermaßen dank des Börsenhypes - heute sind es etwa 15.000. "Börse Online" könnte auf eine gedruckte Ausgabe verzichten und digital expandieren. "Impulse" braucht den Kiosk nicht, man kann daraus ein reines Abonnentenblatt machen. Und im digitalen Bereich laufen die Wirtschaftsmagazine unter "ferner liefen". Wer im Verlagsbereich Geld verdienen will, der muss die Medien als Markenevents verstehen, um die ein ganzes Bündel von Angeboten gestrickt werden kann, wie es zum Beispiel "Forbes" in Amerika vormacht. Wer sich im Privatbereich nur auf Anzeigen und Vertriebserlöse verlässt, wird permanent schrumpfen.
Für welche G+J-Titel zahlt der Leser Brunowsky eigentlich noch?
Ich kaufe mir je nach Titel einzelne Ausgaben am Kiosk. Abonniert habe ich privat nur "Capital" und das "Manager Magazin", das ja auch noch zu einem Viertel G+J gehört, richtig?
Und wie lange lesen wir die "FTD" noch?
Die "FTD" ist eine gute Wirtschaftszeitung, es wäre schade, wenn man sie wegen dauerhafter Unprofitabilität schließen müsste. Das beste wäre, die "FTD" gemeinsam mit dem Handelsblatt unter einem gemeinsamen Vermarktungsdach - als Kooperation oder durch Verkauf als eigenständige Redaktion weiter zu führen. Ich glaube nicht, dass das Kartellamt etwas dagegen hätte. Ähnlich wie "Kölnische Rundschau" und "Kölner Stadtanzeiger" als unabhängige Redaktionen weiter laufen, aber Anzeigen und Vertrieb im Neven-Dumont-Verlag gemeinsam managen. Das scheint ja ganz gut zu funktionieren .