Bosch: Die will doch nur spielen
Mit neuen Elektrogeräten und einer neuen Strategie erobert die Robert Bosch GmbH die Zielgruppe Frauen. Gender-Marketing spricht Heimwerkerinnen an, ohne die männlichen Konsumenten zu vergrätzen.
Siegfried und das Balmung, Herkules und die Keule, Karl-Otto und der Bohrhammer – jede Zeit hat ihren Helden und sein Werkzeug, ohne das er nur die Hälfte wert wäre. Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau und reget ohn’ Ende die fleißigen Hände.
Das war einmal. Frauen spielen heute Fußball und maßen sich auch andere männliche Kernkompetenzen an wie Dübel setzen, Lampeninstallieren oder Rasen mähen. Sie stürmen ehemals sichere Zufluchtsstätten wie Baumärkte. Sie nehmen sich, was sie zu brauchen glauben. Und wenn es Karl-Ottos Bohrhammer ist.
Der freilich war schon immer groß, stark, laut und schwer, typisch Mann eben. Bis ein schwäbischer Technologiekonzern mit Hilfe von Markt-, Hirn- und Verhaltensforschern auf der Suche nach neuen Zielgruppen die Frau und ihre Eigenheiten entdeckte. „Die Analyse ergab, dass sich die Bedürfnisse von Frauen bei Do-it-yourself-Projekten teilweise signifikant von denen der Männer unterscheiden“, berichtet der bei Bosch für die Sparte Power Tools zuständige Kommunikationschef Michael Schmidtke. „Zum Beispiel benötigen Frauen aufgrund des geringeren Muskelanteils leichtere Geräte, um größere Projekte erledigen zu können.“ Außerdem führe das ausgeprägtere Gehör bei Frauen dazu, dass Geräusche von Elektrowerkzeugen unterschiedlich wahrgenommen werden. Auch dächten Frauen bei ihren Heimwerkerarbeiten eher an die Menschen, denen das Ergebnis ihrer vornehmlich kreativen Arbeit guttun soll.
Als Konsequenz entstand eine neuartige Generation von Geräten, die aber keineswegs „nur für Frauen“ konzipiert wurde („Pink it and shrink it“), sondern Männer gleichermaßen ansprechen sollte: handlich, leicht, leise und trotzdem leistungsstark. Es schlug die Geburtsstunde des Akkuschraubers Ixo. Der hat nun gar nichts keulenmäßiges mehr an sich, sondern wirkt schnuckelig und ästhetisch ansprechend. Die Verpackung sieht aus wie eine Keksdose.
Es folgte das kompakte Multifunktionswerkzeug Uneo, das ausgewachsenen Bohrhämmern die Schau stiehlt, aber nur ein Kilo wiegt und leicht beherrschbar ist. Ebenfalls mit Lithium-Ionen-Akkus betrieben wird ein gefälliger Rasenmäher, der eine weitere Männerdomäne samt ihrer Aura ins Wanken versetzt (Schmidtke: „Stinkt nicht, knattert nicht, ist wartungsfrei und leicht zu transportieren“).
Das Angebot stieß auf rege Nachfrage. „Mit 60 Prozent Anteil an der Gruppe der Soft-DIYer sind viele Frauen stark an Verschönerungen ihres Wohnumfelds und der Umsetzung ihrer kreativen Ideen interessiert“, fand die Markt­forschung heraus. „Die pragmatischen Heimwerkerinnen möchten hingegen Notwendiges reparieren, jedoch auch Dinge konstruieren, die käuflich nicht zu erwerben sind.“
Das Gender-Marketing, das von der Expertin und Buchautorin Diana Jaffé ("Der Kunde ist weiblich") begleitet wurde, beschränkte sich nicht nur auf die Markteinführung neuer Produkte, sondern suchte die Zielgruppe auch dort zu erreichen, wo sie sich auf- und unterhielt: in Lifestyle- und Frauenzeitschriften. In den Baumärkten traktierten Bosch-Berater Männer, Frauen und Kinder mit unterschiedlichen Aktionen, das Internet-Angebot www.bosch-do-it.com will dem Inspirationsbedürfnis der Heimwerkerinnen besonders entgegenkommen. Auch das Verpackungsdesign wurde femininer. Auf diese Weise avancierte der Ixo mit über acht Millio­nen verkauften Exemplaren zum erfolgreichsten Elektrowerkzeug der Welt. Jeder zweite landete in Frauenhand.
Ausgangslage
Chinesische Hersteller haben den Heimwerkermarkt schon lange im Visier. Rund 200 neue Wettbewerber aus Fernost mischen seit den 90er-Jahren in dem Geschäft mit und fordern die etablierten Markenhersteller heraus. No-Names und Handelsmarken überschwemmen die Baumärkte. Die Folge sind stagnierende Absätze, massiver Preisdruck und verschärfter Kampf um den Platz in den Verkaufsregalen. Alle Konkurrenten konzentrieren sich auf die passionierten männlichen Heimwerker und richten Marketing, Produktdesign, Kampagnen sowie Point-of-Sale-Aktionen ausschließlich auf diese Zielgruppe aus. Die Elektrowerkzeuge des Stuttgarter Bosch-Konzerns galten in Heimwerkerkreisen zwar als technisch ausgereift und solide, zugleich aber als bieder und konventionell.
Ergebnisse
Nach eingehender Trendanalyse (wachsende Zahl von Single-Haushalten, Wirtschaftskrise, Cocooning) und intensiver Marktforschung entschloss sich Bosch zu einem Strategiewechsel im Heimwerker­bereich. Produktentwicklung, Produktdesign und Verpackung wurden an die Wünsche weiblicher Zielgruppen angepasst. Das Beratungs­angebot in den Baumärkten baute man aus, der Internet-Auftritt (www.bosch-do-it.com) richtet sich auch an die neue Klientel. Lifestyle- und Frauenzeitschriften wurden gezielt in die PR-Arbeit miteinbezogen. Der Effekt: 18 der 20 bestverkauften Elektrowerkzeuge in den europäischen Baumärkten stammen von Bosch. Die Bohrmaschine Ixo ist mit acht Millionen verkauften Exemplaren das erfolgreichste Elektrowerkzeug der Welt: 50 Prozent der Käufer sind weiblich.
Unternehmen
Das Unternehmen wurde 1886 von Robert Bosch in Stuttgart als „Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“ gegründet. Die Bosch-Gruppe ist heute ein international tätiges Technologie- und Dienstleistungsunternehmen, das rund 270 000 Mitarbeiter in den Sparten Kraftfahrzeug- und Industrietechnik sowie Gebrauchsgüter und Gebäudetechnik beschäftigt. Im Geschäftsjahr 2009 hat der Konzern einen Umsatz von 38 Milliarden Euro erzielt. Pro Jahr werden über 3,5 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert und über 3000 Patente weltweit angemeldet. Der Geschäftsbereich Power Tools ist Weltmarktführer bei Elektrowerkzeugen und Zubehör. 2008 wurde ein Umsatz von 3,15 Milliarden Euro erreicht, 90 Prozent davon im Ausland.
Agentur
Das Produktdesign für den Ixo und weitere Geräte stammt von Team-Design, Esslingen. Für die Kommunikation rund um den Ixo war Jung von Matt, Hamburg, zuständig, für den Internet-Auftritt (bosch-do-it.com, 2007) Jung von Matt/Next. Die PR betreute Pleon, Stuttgart (heute Ketchum Pleon). Diana Jaffé, Vorstand von Bluestone (Berlin), beriet den Konzern in Sachen Gender-Marketing.