
Werberat:
Bordell-Werbung in München: Was ist erlaubt?
"Sie lieben Obst? Hier findet Man(n) die heißesten Früchtchen der Stadt": So wirbt das Bordell Mon Cherie offen an S-Bahnhöfen in München. Warum das Ordnungsamt und der Werberat damit kein Problem haben, mit Nudelwerbung aber schon, lesen Sie hier.
Am Marienplatz in München und auch am S-Bahnhof des Flughafens zieht sie ihre Kreise - jetzt lockte die langbeinige, leichtbekleidete Blondine in rosa Dessous auch den Blick der "Süddeutschen Zeitung" auf sich: Die Dame prangt nämlich auf einem rosafarbenen Plakat in einem City-Light-Wechsler von Ströer, garniert mit der Headline: "Sie lieben Obst? Hier findet Man(n) die heißesten Früchtchen der Stadt".
Das Plakat wirbt für das Bordell Mon Cherie. Auf der Website, via Twitter ("ich bin im 3. Stock und warte auf dich") sowie Facebook bieten unter anderem Diana, "mit den Hammerbrüsten aus Prag", oder Claire, die "devote Lehrerin aus Bratislava", ihre Dienste an. Auf dem Plakat geht es da deutlich zurückhaltender zu.
Plakatbetreiber Ströer hat deshalb auch kein Problem mit der "umstrittenen" Bordell-Werbung, so die SZ. Das Plakat verstoße nicht gegen geltendes Recht, außerdem sei man für die Inhalte der Werbung "nicht verantwortlich", heißt es auf Nachfrage des Blattes. Das Motiv hänge als "Dauerwerbung" am Marienplatz und es habe noch nie eine Beschwerde gegeben, so Sprecherin Claudia Fasse. Ströer sehe sich außerdem nicht als "Zensurbehörde", der Außenwerber würde das Plakat jedoch abhängen, "wenn man uns darum bittet".
Beim Kreisverwaltungsamt (KVR) der Stadt München und auch beim Werberat hat sich noch niemand über das Bordell-Plakat beschwert, heißt es auf Anfrage von W&V Online. Dort sieht man auch keinen Anlass, gegen das Plakat vorzugehen. Denn Werbung für Prostitution und Bordelle ist durchaus erlaubt - wenn sie bestimmte Grenzen nicht überschreitet.
In Deutschland ist die freiwillige Ausübung von Prostitution rechtlich erlaubt. Seit 2001 gilt das Prostitutionsgesetz, dessen Ziel es war, im Zuge der Gleichstellung die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten zu verbessern und sie aus dem kriminellen "Milieu" zu holen. Nicht aufgehoben hat dieses Gesetz allerdings das Werbeverbot für die Ausübung sexueller Dienstleistungen (§ 119 OWiG), dies galt nach wie vor als Ordnungswidrigkeit (§ 120 OWiG). 2006 wurde die Auslegung vom 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs gelockert, das Gericht erklärte, dass aufgrund des Inkrafttretens des Prostitutionsgesetzes und einem "gewandelten Verständnis in der Bevölkerung" an einem generellen Werbe-Verbot für entgeltliche sexuelle Handlungen nicht mehr festzuhalten sei. Es sei denn, die Werbung beeinträchtige den Schutz der Allgemeinheit und insbesondere den Jugendschutz.
Für die Stadt München kontrolliert das Ordnungsamt die rechtlichen Rahmenbedingungen der Prostitution, involviert bei Fragen der Außenwerbung ist außerdem die Plakatierungsstelle des Planungsreferates. Mit dem Plakat von Mon Cherie hat man dort kein Problem: "Man muss berücksichtigen, dass sich die Sexualität gewandelt hat. Und das Thema Prostitution ist gesellschaftlich mittlerweile anerkannt", erklärt Pressesprecherin Daniela Schlegel. Entscheidend sei, wie diese Werbung gestaltet ist und ob sie Kinder und Jugendliche gefährde. "Da findet eine genaue Abwägung und Prüfung statt." Anstößige Werbung oder offene Diskriminierung ist nicht erlaubt, aber in diesem konkreten Fall sei das Bild nicht zu beanstanden, die Frau in rosa könnte so auch für Dessous werben, erklärt Schlegel. Außerdem sei die Botschaft - "käuflicher Sex" - verschlüsselt dargestellt.
Auch Volker Nickel, Sprecher des Werberates, sieht in dem Plakat keinen Aufreger, um den sich die Selbstregulierungs-Instanz kümmern müsste. Zumal es dabei um eine Rechtsfrage gehe, für die das Ordnungsamt zuständig ist. Die "SZ" zitiert aus den Grundsätzen des Gremiums und wittert einen Regelverstoß: "In der kommerziellen Werbung dürfen ...keine Aussagen oder Darstellungen verwendet werden, die den Eindruck erwecken, Personen seien käuflich zu erwerben, die den herrschenden allgemeinen Grundüberzeugungen widersprechen (zum Beispiel durch übertriebene Nacktheit), die Personen auf ihre rein sexuelle Funktion reduzieren und/oder deren ständige sexuelle Verfügbarkeit nahelegen und die pornografischen Charakter besitzen."
Dies dürfe nicht so gedeutet werden, dass sich der Werberat automatisch gegen jede Werbung für Prostitution stemmt, erklärt Nickel. Denn die angebotene Dienstleistung ist nun mal Sex und müsse auch beworben werden können – wenn sie sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen hält. Anders sieht es der Werberat beispielsweise bei einem Plakat des Augsburger Cafés Bob’s Gastro. In der Anzeige sitzt eine Frau in Reizwäsche und hochhackigen Schuhen mit gespreizten Beinen vor einem Teller Nudeln mit Tomatensoße – mit der Schlagzeile: "Heute schon genudelt?" „Da wird Sex genutzt, um ein völlig anderes Produkt zu bewerben“, kritisiert Nickel – die Frau werde auf ihre sexuelle Funktion reduziert und somit zum Objekt degradiert, rügt der Rat. Das Plakat überschreite die Grenzen des Zumutbaren.
In der Bordell-Werbung von Mon Cherie sieht Volker Nickel dagegen keine Grenzüberschreitung, sie sei nicht diskriminierend, herabwürdigend oder belästigend. Stattdessen begrüßt er „die liberale Beurteilung der staatlichen Stellen“. Dies sei ein Zeichen für einen neuen "Zeitgeist" und eine liberalere Gesellschaft, die mit Sexualität moderner und offener umgeht. „Wir leben in einer der freiesten Gesellschaften der Welt und das ist auch gut so", erklärt er. „Man muss auch sehr genau differenzieren zwischen Erotik und Pornografie“, so Nickel. „Erotische Darstellungen sind zulässig, denn Sexualität gehört nun mal zum Leben.“