Kolumne von Jochen Schlosser:
Big Data für Profis: Kennen Sie eigentlich Ihre Kundendaten?
Kundenkarten und E-Commerce sorgen für eine Datenbasis, von der Marketer früher nur geträumt haben. Und was machen sie daraus? Meistens viel zu wenig. Ein Einwurf von Big-Data-Experte Jochen Schlosser.
Kundenkarten und E-Commerce sorgen für eine Datenbasis, von der Marketer früher nur geträumt haben. Und was machen sie daraus? Meistens viel zu wenig. Ein Einwurf von Big-Data-Experte Jochen Schlosser*.
Kundenwünsche sind King
Daten Daten Daten: Unternehmen wissen ja heute gar nicht mehr, wo es welche Daten gibt und welche sie aus dem ganzen Wust auswählen und nutzen sollen. Die Frage aller Fragen ist dabei natürlich, welche Daten sind eigentlich die besten? Die Antwort auf diese Frage ist überraschend simpel. Sie lautet: Die eigenen Kundendaten.
Die Praxis zeigt jedoch, dass Unternehmen diese Daten oft vernachlässigen. Und das obwohl sie z.B. im Einkaufskorb des einzelnen Kunden wertvolle Informationen über Produktinteressen und Kaufhäufigkeiten finden, auf deren Basis man den Umsatz pro Kunde weiter ausbauen könnte. Kundenkarten und E-Commerce sorgen für eine Datenbasis, von der wir früher nur geträumt haben. Umso unverständlicher ist es, wie häufig Kunden und ihre Shopping-Wünsche förmlich ignoriert werden und die allseits beschworene Customer-Centricity verloren geht.
So hat die Hamburger Drogeriemarkt-Kette Budnikowsky eine gesamte Marke ("Denk mit") aus dem Programm genommen, ohne die eigenen Kunden aktiv über Alternativen wie z.B. die neue Eigenmarke zu informieren. Eine verpasste Chance, mit der eigenen Klientel zu kommunizieren und sie auf neue Produkte aufmerksam zu machen. Zumal die betroffenen Stammkunden in wenigen Minuten identifiziert werden können. Auch digitale Händler wie etwa Mytoys haben das Thema Kundendaten nicht immer im Griff. Das wiederholte Anbieten von Schnullerketten, insbesondere für immer älter werdende Kinder, erscheint mir jedenfalls fragwürdig. "Altern" sollte auch im Online-Handel kein unbekanntes Phänomen sein.
Ein erster Schritt gegen zu schnelles Altern wäre sicherlich mehr Urlaub zu nehmen. Das dies in den meisten Fällen nicht möglich ist, ignoriert beispielweise das Hotel-Portal Booking.com geflissentlich und bietet exakt das gleiche Ziel, das man gerade erst gebucht hat, wiederholt an, teilweise sogar noch vor dem eigentlichen Reiseantritt. Falls man die Schwiegermutter vergessen hat, kann man auf diese Art zumindest günstig "nachbuchen". Aber Spaß beiseite: Solche Angebote verärgern Kunden. Im Ergebnis treibt man sie der Konkurrenz direkt in die Arme, - derjenigen, die Kundenansprache besser können.
Dabei reichen zum professionellen Umgang mit Kundendaten einfache Regeln und der gesunde Menschenverstand völlig aus. Es geht aber noch mehr. Dass Big Data und Predictive Analytics kein Hexenwerk sind, zeigt unter anderem der Modehändler Zalando: Markeninteresse, Produktkategorien und Preisspannen werden aus der Kaufhistorie und den Retouren abgleitet. Zudem werden Produktbewertungen eingeholt und ähnliche Neuheiten im Sortiment bei der Erstellung des Newsletter berücksichtigt. Jeder Kunde wird also so individuell wie möglich mit Angeboten angesprochen, die seinem Interesse entsprechen. Und natürlich steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Kunde wieder und auch mehr Waren bestellt.
Was eine solche Datenaufbereitung wohl kostet? Sie brauchen sicherlich keinen schwedischen Großinvestor! Das nötige Wissen haben Unternehmen alle im Haus, in den Köpfen ihrer Mitarbeiter. Es fehlt nur ein in vielen Fällen ein einfacher Algorithmus und ein geeigneter Daten-Analyst, der diese Welten zusammenbringt.
* W&V-Gastautor Jochen Schlosser ist promovierter Informatiker und Director Data & IT der Syzygy-Tochter Uniquedigital in Hamburg.