
Bewegung im Biermarkt: Astra-Mutter Carlsberg erwägt Rückzug aus Deutschland
Der weltweit viertgrößte Brauereikonzern Carlsberg feiert den weltweiten Markenrelaunch und seinen neuen Slogan. Problemkind bleibt jedoch der schwierige Markt in Deutschland, wo Carlsberg auch Astra, Lübzer, Holsten und Duckstein braut. Ein Verkauf wird wahrscheinlicher.
Auf dem Brauereihof der Holsten-Brauerei in Hamburg versammelte sich die Belegschaft vergangene Woche zu einem historischen Gruppenbild. Gemeinsam formten sie, in grüne Plastiktüten gehüllt, eine überdimensionale Carlsberg Flasche und präsentierten auf einem großen Etikett den neuen Markenslogan "That calls for a Carlsberg". An dem Tag verabschiedete sich die dänische Biermarke von dem alten Slogan "Probably the best Beer in the World". Der Markenrelaunch startete zeitgleich in 140 Ländern, zur Überraschung der rund 43.000 Mitarbeiter. Die monatelangen Vorbereitungen dafür liefen unter größter Geheimhaltung.
Kein Geheimnis macht der weltweit viertgrößte Brauereikonzern Carlsberg dagegen aus seinen Problemen auf dem deutschen Markt. Neben Carlsberg gehören hier die Marken Astra, Holsten, Lübzer und das Premium-Bier Duckstein zum Portfolio. Doch das Geschäft läuft nicht so recht, der Bierabsatz sinkt, unter den Top-Ten-Brauereien in Deutschland liegt die Gruppe im hinteren Feld. Wie die "Financial Times Deutschland" in der heutigen Ausgabe berichtet, prüft der Konzern deshalb den Verkauf seiner deutschen Tochter. "Deutschland ist nicht unser attraktivster Markt. Wir werden dort ganz sicher nicht die Marktkonzentration vorantreiben", erklärt Carlsberg-Chef Jörgen Buhl Rasmussen gegenüber der FTD. Deutschland-Chef Frank Maßen hatte schon früher erklärt, Kooperationspartner für die Marken Holsten und Astra zu suchen.
2004 hatte Carlsberg die Holsten-Gruppe übernommen, seitdem ist der Absatz hierzulande geschrumpft. Der Konzern trennte sich von Brauereien und Handelsmarken, zuletzt Anfang Januar 2011 von der Feldschlösschen Brauerei in Dresden. Heute konzentriert sich Carlsberg in Deutschland hauptsächlich auf Norddeutschland, der Marktanteil beträgt weniger als fünf Prozent.
Das Dilemma im "Bierparadies Deutschland" umriss auch Wolfgang Burgard, Vorstandsvorsitzender der Holsten Brauerei AG und Präsident des Deutschen Brauer-Bundes Anfang Februar beim RMS Kongress. Dort erklärte er, wie Carlsberg in Deutschland versucht, den Branchenwandel zu managen. Denn der deutsche Biermarkt mit seinen 1320 Brauereien stehe vor zahlreichen Herausforderungen: der Bierabsatz geht seit Jahren zurück, vieles verändere sich, der Konsum, das Arbeits- und Freizeitverhalten, die Zielgruppen, die politischen Rahmenbedingungen, vieles zum Nachteil des Biermarktes. Carlsberg manage dies durch die Konzentration auf seine Kernmarken. Doch Wachstum ist schwierig, für Holsten etwa sei keine nationale Marktführerschaft möglich. "Das wäre viel zu teuer", so Burgard. Stattdessen setze die Gruppe auf Innovationen wie alkoholfreie Biere. Im März führte Carlsberg für die Marke Lübzer ein naturtrübes "Landbier" ein, um den Trend "Landidylle" zu nutzen (W&V Nr. 13). Im Wettbewerb helfen soll auch die neugegründete House of Beer GmbH, die internationale Premiumbiere vertreibt.
In neuen Produkten sieht auch der globale Carlsberg-Chef Rasmussen die einzige Chance, um den stagnierenden Markt in Westeuropa zu beleben. "Die Bierbranche war bislang nicht sehr gut bei Innovationen. Da muss mehr kommen als neue Flaschen und Etiketten", sagt er der FTD. "Wir werden schon sehr bald neue Getränke einführen, die nichts mit Bier zu tun haben."
Starkes Wachstum verspricht sich die Carlsberg-Gruppe vor allem von den Märkten im Osten. "Wir machen inzwischen drei Drittel unserer Gewinne in den Wachstumsmärkten Osteuropas und Asiens. Deswegen wollen wir der internationale Braukonzern werden, der im Drei-Jahres-Mittel beim organischen Umsatz und Gewinn am schnellsten wächst", sagt Rasmussen der FTD.
Mit dem weltweiten Markenrelaunch will Carlsberg nun vor allem jüngere Biertrinker ansprechen. "Mit der neuen Kampagne wollen wir der Welt zeigen, dass Carlsberg für etwas besonders Wertvolles steht, nämlich für Herkunft, Qualität und herausragenden Geschmack", erklärt Deutschland-CEO Frank Maßen. Zentrale Kommunikationsplattform ist Facebook, dort können Fans zurzeit eine "Message from the Moon" schicken, passend zum aktuellen TV-Spot "Spaceman" (siehe Video) und dem Brand-Channel, der Youtube in der Schwerelosigkeit zeigt (Agentur: Fold7 Creative). Im Visier sind User, "die sich Ziele setzen, daran festhalten und für das kämpfen und einstehen, was sie sind und was sie erreichen wollen." Ab Mai startet außerdem eine umfangreiche Marketing- und PR-Kampagne, die mit dem Handel und Gastronomie vernetzt wird.
In Deutschland konzentriert sich Carlsberg bei den Vertriebs- und Marketingaktivitäten auf Fußball-Sponsoring und Szene-Gastronomie. Die St.-Pauli-Marke Astra wird in Deutschland von der Agentur Philipp & Keuntje betreut. Scholz & Friends Hamburg kümmert sich um die übrigen Carlsberg-Marken. W&V Online zeigt eine Auswahl ihrer Kampagnen.
Weitere Informationen zum deutschen Biermarkt und ein Hintergrundbericht über den Carlsberg-Konkurrenten Inbev lesen Sie in der aktuellen Werben & Verkaufen Nr. 14.