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Bertelsmanns Werbe-Allianz setzt Konkurrenz unter Druck
Der Vermarktungspakt der Bertelsmann-Geschwister RTL und Gruner + Jahr erhöht den Druck auf die Konkurrenz. Werbekunden und Agenturen begrüßen dagegen den neuen Großvermarkter.
Die Nachricht von der Vermarktungsallianz der Bertelsmann-Geschwister RTL und Gruner + Jahr setzt andere deutsche Medienhäuser unter Zugzwang. Der neue Verbund Ad Alliance, in dem die Sendergruppe und das Verlagshaus künftig gemeinsam im Werbemarkt auftreten wollen, steht für eine gewaltige Bündelung von Reichweite.
98 Prozent aller Deutschen erreichen die Allierten monatlich mit ihrem Riesenportfolio von RTL bis "Gala". Bei den Brutto-Werbeumsätzen kommt das Bertelsmann-Bündnis auf rund 5 Milliarden Euro. Netto dürfte die Ad Alliance sogar jenseits von Google zum größten Vermarkter aufsteigen.
Die neue Großmacht dürfte den Druck auf die Konkurrenz erhöhen. Die Ad Alliance habe das Potenzial, "dem einen oder anderen Vermarktungswettbewerber durchaus Kopfzerbrechen zu bereiten", glaubt Zoja Paskaljevic, Deutschlandchef der Mediaagenturgruppe Dentsu-Aegis. Da wären vor allem der Berliner Medienkonzern Axel Springer und die Unterföhringer ProSiebenSat.1-Gruppe.
Beiden Häusern ist der Gedanke einer medienübergreifenden Werbe-Allianz nicht fremd. Die Idee einer vereinten Vermarktungsmacht von "Bild" und Bildschirm war in den vergangenen Jahren immer wieder Thema. Vor elf Jahren hatte Springer versucht, die TV-Gruppe zu übernehmen. Das Vorhaben scheiterte allerdings am Widerstand des Kartellamts und der Medienaufsicht. Im letzten Jahr hatten beide Seiten laut Medienberichten wieder über Kooperations- und Fusionsszenarien gesprochen. Am Ende stand lediglich eine Kooperation bei der Förderung von Digital-Startups.
Bei ProSiebenSat.1 äußert man sich nicht direkt zum Vermarktungs-Pakt von RTL und Gruner + Jahr. Vermarktungschef Thomas Wagner spricht stattdessen über die eigenen Crossmedia-Stärken. Tenor: was die Bertelsmann aufziehen, können wir schon lange. Mit der Ad-Factory habe man "bereits seit dem Jahr 2009 einen eigenständigen Konzeptvermarkter im Markt etabliert, der das komplette Portfolio unseres Hauses umfasst und der Werbewirtschaft seit nunmehr sieben Jahren medienübergreifende und individuelle Kampagnen aus einem Guss anbietet", sagt Wagner. Inzwischen seien auch zukunftsträchtige Medien wie Digital-out-of-Home und digitale Prospekte im Programm.
Vor allem Springer setzt das Bündnis der Bertelsmann-Brüder unter Zugzwang. Der Konzern hat erst jüngst mit dem Essener Zeitungskonzern Funke und dem Fernsehkonzern Viacom eigene Vermarktungsbündnisse geschmiedet. Der Grundgedanke ist identisch mit dem der Ad-Allierten: die eigene Marktposition gegenüber Werbekunden und Medianetworks zu stärken und deren Wunsch nach mehr Crossmedia-Kampagnen zu erfüllen. Zur Frage, welche Konsequenzen der neu formierte Bertelsmann-Block für Springer habe, äußert sich das Unternehmen nicht.
Ebenso schweigsam sind zwei andere Medienhäuser, die unmittelbar vom Schulterschluss zwischen Gruner + Jahr und RTL betroffen sind: Der "Spiegel" und Burda. Der "Spiegel" hat den Ad-Allierten Gruner + Jahr mit 25,5 Prozent als Gesellschafter im Haus. Gleichzeitig sind beide Verlage im Anzeigenmarkt harte Konkurrenten. Durch das Bündnis mit der RTL-Vermarktungstochter IP Deutschland bekommt Gruner + Jahr nun Oberwasser.
Gruner + Jahr hat jetzt die Chance, mit großen Werbetreibenden wieder besser ins Geschäft zu kommen. Davon wäre auch der direkte Konkurrent Burda betroffen. Beide Verlage haben ein ähnliches Portfolio an Zeitschriften und Online-Medien. Sie buhlen um die gleiche Werbeklientel.
Der Schachzug aus Köln, Hamburg und Gütersloh könnte deshalb ein anderes Allianz-Vorhaben beschleunigen. Burda redet mit den Verlagen Funke, Springer und Bauer seit Monaten über eine Kooperation in den Bereichen Anzeigenbuchung, Disposition, Ad Tech und Abrechnung. Dazu hatte das Unternehmen Anfang des Jahres seine neue Tochterfirma Adtech Factory ausgegliedert. Auch Gruner + Jahr wollte Burda gerne für das Vorhaben gewinnen.
Der Hamburger Verlag wird seine Infrastruktur aber nun mit der Schwesterfirma IP Deutschland weiterentwickeln. Dem Vernehmen nach ist Burda aber bei den anderen potenziellen Partnern einen Schritt weiter, etwa bei Bauer. Dazu passt das Statement von Bauer-Vermarktungschef Dirk Wiedenmann zum Ad-Alliance-Deal: "Um Synergien zu erzeugen, sind wir auch für eine punktuelle Zusammenarbeit mit anderen Verlagen offen. Diese müssen wir im Einzelfall prüfen."
Werbekunden und Mediaagenturen begrüßen das neue gemeinsame Angebot aus Print, Online und Fernsehen. "Es wächst zusammen, was zusammengehört", sagt Uwe Storch, Ferrero-Mediachef und stellvertretender Vorsitzender des Werbekundenverbands OWM. "Wir begrüßen das sehr", erklärt Matthias Brüll, CEO des Media-Marktführers Group M. "Durch hohe Reichweiten, Qualität und inhaltlicher Stärke des Portfolios gewinnt Bertelsmann durch die Ad-Alliance weiter an Relevanz für Kunden und Agenturen."
Dentsu-Aegis-Chef Paskaljevic hält die Werbeallianz der Bertelsmann-Geschwister für einen "längst überfälligen Schritt". Wenn es den Partnern tatsächlich gelinge, "operative Kraft aufzunehmen, und es nicht nur bei zwei crossmedialen Showcases bleibt, dann kann hier Wegweisendes entstehen". Wie auch Brüll setzt Paskaljevic große Erwartungen in das Vorhaben der Ad-Allierten, ihre Ad-Tech-Infrastruktur künftig gemeinsam zu bauen. Mit "einer konsolidierten technologischen Infrastruktur über die sämtliche Mediaangebote", mit "gattungsübergreifendem programmatischen Einkauf" sowie "zentralen Ansprechpartnern, die ihr konsolidiertes Werbeinventar im Detail kennen, crossmedial beraten können und die nötige interne Durchsetzungskraft haben" könne die Ad Alliance "ein echter USP werden", glaubt der Dentsu-Aegis-Geschäftsführer.
Mit seiner Größe weckt das Bertelsmann-Bündnis wohl aber auch den Wunsch nach größeren Rabatten. "Es muss sich jedoch noch zeigen, inwieweit die wie immer auch geartete Kooperation tatsächlich effektiver ist, oder eben nur effizienter durch Bündelungsrabatte", unkt Ferrero-Manager Storch.
Im großen W&V-Interview weisen die Verantwortlichen beider Seiten, IP-Chef Matthias Dang und Gruner+Jahr-Produktvorstand Stephan Schäfer, das zurück. "Natürlich werden einige Kunden, die mehr investieren, auch nach besseren Konditionen fragen", erklärt Dang. "Aber unsere Ansatzpunkt sind die Themen crossmediale Inszenierung, Qualität und besserer Service". Die Verhandlungen für Print, TV und Online werde man weiter "getrennt führen".
Ein ausführliches Interview mit Matthias Dang und Stephan Schäfer sowie Daten und Fakten zur Ad Alliance finden Sie in der aktuellen Titelgeschichte von W&V (EVT: 04.07.). Abo?