Gruner + Jahr:
Bertelsmann am Baumwall: Jetzt wird durchregiert
Zum 1. November übernimmt Bertelsmann G+J komplett, die Jahr-Familie verabschiedet sich. Warum Gruner ohne Jahr die bessere Lösung ist.
Zum 1. November übernimmt Bertelsmann Gruner + Jahr komplett, die Jahr-Familie verabschiedet sich. Warum auch nicht?
Ein Viertel von Gruner + Jahr kostete Ende der 60er Jahre 87 Millionen Mark. Mit diesem Betrag (umgerechnet 44,5 Millionen Euro) stieg Bertelsmann 1969 in den Hamburger Verlag ein. Die Gründerfamilie Jahr dürfte für ihren 25,1-prozentigen Anteil jetzt weitaus mehr kassieren; immerhin hat Gruner + Jahr nach Jahrzehnten üppiger Renditen zuletzt immer noch einen Jahresüberschuss von 81 Millionen Euro abgeliefert. Die Rede ist von einem dreistelligen Millionenbetrag.
Es sei den Jahrs gegönnt. Aber dass hinter der am Montag bekannt gewordenen Komplett-Übernahme durch Bertelsmann "ein klares Bekenntnis zum Journalismus" steckt, dürfen wir unter Transaktionslyrik verbuchen. Es geht um profitable Digitalisierung und um den Totalumbau des Verlagsgeschäfts, eine teure, schwierige und manchmal auch schmutzige Aufgabe. Minderheitsgesellschafter mit Renditeerwartungen stören da nur.
Bertelsmann hat bei Gruner + Jahr jetzt freie Bahn. Für die Mitarbeiter mag das keine beruhigende Vorstellung sein. Aber die Alternativen wären unternehmerischer Stillstand oder der Ausverkauf. Bertelsmann hat öffentlich erklärt, "die erforderlichen Mittel" für den weiteren Umbau von Gruner + Jahr zur Verfügung zu stellen. In den Zeiten der Print-Krise ist ein solcher Investor nicht die schlechteste Wahl.