
CRM:
Beispiel Lidl Plus: Wie Kundenbindung heute funktioniert
Alexandra Ranzinger beschreibt am Beispiel des Discounters Lidl, wie moderne CRM-Maßnahmen aussehen, um der Übermacht Amazons Paroli zu bieten.

Foto: Workinghead
Ein Smartphone-basiertes Bonusprogramm zu starten – das war ein geschickter Schachzug von Lidl, denn vor allem die junge Generation geht keinen Schritt ohne ihr Device vor die Tür. Die Anmeldung ist denkbar einfach: Kunden registrieren sich für Lidl Plus mit ihrer Handynummer sowie ihrer E-Mail-Adresse und erhalten diverse Rabattgutscheine in Form von Barcodes. Direkt in der Filiale gibt es dann Preisnachlass auf Müsli, Pfirsiche oder Schweinemedaillons.
Zunächst wurde Lidl Plus in Polen, Österreich, Dänemark und Spanien getestet. Zahlen gibt das Unternehmen keine heraus, doch die Umsetzung war offenbar so vielversprechend, dass sich der Lebensmittel-Einzelhändler mit Sitz in Neckarsulm entschlossen hat, das Programm in Deutschland auszurollen.
Aber eine entscheidende Frage muss an dieser Stelle erlaubt sein:
Handelt es sich bei Lidl Plus tatsächlich um ein innovatives Loyalty-Programm oder „nur“ um eine intelligente Digital-Version des guten alten Handzettels, der wöchentlich in unsere Briefkästen flattert oder den Anzeigenblättern beiliegt?
Tatsächlich hat Lidl die Kundenbindung mit der App nicht neu erfunden, hat ihr aber einen modernen Anstrich verpasst. Meiner Meinung nach ist Lidl Plus in erster Linie ein klassischer Handzettel, wenn auch in digitaler Form.
Die Vorteile für den Discount-Riesen sind enorm: Der Kunde muss sich registrieren, somit liegen seine Daten bei Lidl vor. Jeder Kauf, bei dem er seine digitale Karte vorzeigt, um in den Genuss der Rabatte zu kommen, wird mit diesen Daten verknüpft. Diese personalisierten Informationen über das Kaufverhalten der Kunden sind Gold wert.
Denn diese Daten können von Lidl selbst, aber auch durch die Industrie genutzt werden. Die Industrie hat normalerweise keinen Zugang zu Daten der Endverbraucher und ist hierfür auf den Handel angewiesen. Diesen Mehrwert lässt sich der Handel in der Regel gut bezahlen. Weiterer Vorteil: Der Konzern spart sich die Herstellungs- und Verteilkosten für die Handzettel.
Lidl Plus ist ein abgespecktes Programm
Lidl Plus ist aber im Ansatz auch ein "schlankes" Kundenbindungsprogramm. Der Endverbraucher wird die Karte nur vorzeigen, wenn er rabattierte Produkte aus der App kauft. Wichtige Funktionalitäten zur Sicherstellung einer lückenlosen Kaufhistorie, wie beispielsweise das Sammeln von Punkten, die irgendwann eingelöst werden können, wie das beispielsweise bei Payback der Fall ist, fehlen allerdings.
Aber die tun was
Denn unabhängig davon gilt: In Zeiten der Digitalisierung und Amazons Übermacht sind neue Ideen in der Marketing-Welt gefragt. Vielleicht ist Lidl Plus noch nicht der Weisheit letzter Schluss, denn mobile Apps allein bringen noch keine echten Sieger hervor.
Location-Based Services-Applikationen (LBS), die ortsbasierte, kundenindividuelle Kampagnen entlang der Customer Journey und am PoS ermöglichen, werden immer relevanter. Kleine autarke Bluetooth-Sender, die sogenannten Beacons werden hierfür im Lebensmitteleinzelhandel als Basis genutzt.
Oder GeoFencing, bei dem über GPS-Daten virtuelle Kreise zur Lokalisierung von Kunden mit einem Radius gezogen werden. Basis für diese digitale Transformation ist allerdings immer eine App mit hoher Relevanz, das heißt, mit einer hohen Anzahl an Nutzern. Nur dann rechnen sich Investitionen in diese technischen Features.
Aber: Der Platz auf den mobilen Geräten ist limitiert und deshalb spielt Relevanz eine elementare Rolle. Da kann Lidl als einer der größten Discounter sicher auf einer starken Nutzer-Basis starten.
Personalisierung zählt, nicht das Device
Die Welt wird sich aber weiterdrehen: in Zukunft wird der Kunde im Laufe seines Tages und angepasst auf seine Bedürfnisse personalisierte Angebote erhalten – vielleicht sogar prognostiziert auf erwartete Veränderungen im Leben oder im Umfeld. Sei es mit Vorschlägen für Geburtstagsgeschenke der Freunde oder Ersatzteile für Elektrogeräte auf Basis des Verschleißes.
Auf welches Device auch immer: über Alexa, eine Google-Brille, eine Smart-Uhr oder intelligente Bekleidung, oder vielleicht doch auf das gute alte Smartphone. Der stationäre Handel und insbesondere der LEH müssen auf diese Anforderungen rasch passende Antworten finden.
Mehr dazu:
Details zu Kundenbindungsprogrammen, deren Konzeption und Umsetzung finden sich in der Neuauflage des Buches „Praxiswissen Kundenbindungsprogramme“, ISBN-978-3-658-17659-4
Alexandra Ranzinger ist Inhaberin des auf Kundenbindung, CRM und Vertrieb spezialisierten Beratungsunternehmens Workinghead aus München