
Jung von Matt/Saga:
BVG-Sneaker: "So wird aus der Ablehnungskultur Kult"
Mit dem BVG-Sneaker gelang Jung von Matt/Saga ein PR-Coup. W&V hat mit Dörte Spengler-Ahrens und Stephan Giest über die PR-Aktion gesprochen.

Foto: BVG / Adidas
Der limitierte Adidas-Sneaker mit integrierter BVG-Jahreskarte begeistert das Netz und bringt den Berliner Verkehrsbetrieben enorm viel Aufmerksamkeit. Am 16. Januar kommen die Sondermodelle in den Laden, der Run darauf dürfte riesig sein. Auf dem Weg dahin war jedoch einige Überzeugungsarbeit nötig. W&V hat mit Dörte Spengler-Ahrens und Stephan Giest, Chefs der verantwortlichen Agentur Jung von Matt/Saga, über die Aktion gesprochen.
In den sozialen Netzwerken wird der BVG-Sneaker groß gefeiert, es gibt aber auch Kritik, etwa vom Berliner Fahrgastverband, der unter anderem den günstigen Preis kritisiert und die Nicht-Gültigkeit des Jahrestickets im Gesamtverbund. Wie ist Ihre erste Bilanz?
Dörte Spengler-Ahrens: Wir haben an vieles gedacht, aber nicht daran, dass jemand das Ticket zu günstig finden könnte. Die Kritik halten wir für etwas abwegig. Aber ein Haar in der Suppe findet man wohl immer. Den Run auf den Schuh wird das aber nicht beeinträchtigen.
Wie kam es zu der Idee? Wie kam die Zusammenarbeit mit Adidas zustande?
Dörte Spengler-Ahrens: Die Idee kam von Jung von Matt/Saga und ist im Kreativprozess entstanden. Diesmal kein Film, sondern eine PR-Aktion, aber der Kerngedanke der Kampagne ist immer der gleiche: Der Kundschaft, die die BVG nutzt, aber nicht mag, mit Liebe zu begegnen. Die Antihaltung der Zielgruppe, die die BVG für uncool hält, sie gar hasst und deshalb auch schwarz fährt, wollen wir umdrehen, in dem wir sie mit Liebe umarmen.
Das war auch der Gedanke bei den Sneakern. Um das Stigma des Uncoolen loszuwerden, wenden wir uns gezielt an die Coolsten. Dabei hilft uns eine der coolsten Marken der Welt, Adidas, genauer mit Sneakern von Adidas Originals, der Sperrspitze des Sortiments - so wird aus der Ablehnungskultur Kult. Diese Grundidee hat uns begeistert. Und auch der Kunde hat das Potenzial gesehen.
Stephan Giest: Solche Aktionen sind immer anstrengender als das klassische Auftragsgeschäft. Denn wir mussten dabei auf unterschiedliche Protagonisten zugehen, als Mittler und Brücke fungieren. Denn zwischen Adidas und der BVG gibt es normalerweise keine Connection. Dieser Weg war auch durchaus steinig.
Wie haben sie es geschafft?
Giest: Wir glauben an unsere Ideen und sind da auch sehr hartnäckig, fahren immer wieder hin und reden. Denn der Erfolg zeigt, dass es gelingen kann, auch jenseits von Paid Content zu punkten.
Spengler-Ahrens: Es ist unser Anspruch, Kunden auch abseits der Regelkommunikation Ideen zu liefern. Diese Aktion wird schon mit dem Hornbach-Hammer verglichen, die PR-Wirkung ist enorm.
Wie viel Vorlauf gab es?
Über ein halbes Jahr Vorlauf war nötig. Was eigentlich sehr kurz ist, denn Mode hat normalerweise lange Vorläufe. Bei Adidas gab es aber schnell echte Fans der Idee. Dort fand man auch das Muster toll. Und es wurde das Potenzial erkannt, mit diesem Sondermodell eine sehr spitze Zielgruppe in Berlin zu begeistern. Und zeitlich fanden wir die Nähe zur Fashion Week in Berlin passend.
Wer entwickelte das Design?
Die Designhoheit liegt bei Adidas. Der Schuh wurde in enger Abstimmung mit der BVG und JvM/SAGA entwickelt.
Wie hilfreich bei den Gesprächen war der Erfolg der langjährigen Kampagne "Weil wir dich lieben" (GUD.Berlin)?
Giest: Das war sehr hilfreich. Wenn es diese mehrjährige Kampagne nicht gegeben hätte, dann hätten wir für die BVG die Idee so wohl nicht durchbekommen. Bei Adidas klopfen nämlich sehr viele mit Ideen an. Durch die Grundkampagne, die große Präsenz auf Social Media und durch die polarisierenden Maßnahmen ist die BVG jedoch deutlich cooler geworden.
Das spricht für die Plattform und langjährige Kampagnen...
Giest: Die Kampagnenplattform hilft enorm, immer wieder Ideen zu finden, die überraschen. Da muss man auch ein Lob an den mutigen Kunden aussprechen, der das alles mitträgt. Die Ganzheitlichkeit der Kampagne wirkt und ist erfolgreich. Mittlerweile, auch bei den Sneakern, ist die Reaktion bei vielen Aktionen: Typisch BVG.
Die Jahreskarte ist fast geschenkt. Wie rüsten sie sich für den Ansturm? Sind am 16. Januar besondere Aktionen geplant?
Spengler-Ahrens: Am 16. Januar läuft in den beiden Stores, die den Adidas-Sneaker verkaufen, das normale Programm. Und das heißt, dass schon nachts angestanden wird, wenn neue Sondermodelle auf den Markt kommen. Deshalb wollten wir das bewusst pur halten und kein großes Hipster-Event oder VIP-Themen planen.
Giest: Es heißt ‚first come, first serve‘. Wer da früh ansteht, soll belohnt werden. Overkill hat sich schon vorbereitet und den kompletten Laden im gelben BVG-Gewand gestaltet.
Das Ticket ist nur gültig, wenn der Schuh auch getragen wird. 12 Monate am Fuß: Wie atmungsaktiv ist der Schuh?
Spengler-Ahrens: Das ist ein hochatmungsaktiver Qualitätsschuh, der seinesgleichen sucht (lacht). Den kann man unbedenklich Tag und Nacht tragen. Und jeden Tag anziehen. Mein 15-jähriger Sohn hat auch mehrere Paar Sneaker und zieht immer nur sein Lieblingspaar an. Auch das haben wir bisher überlebt.
Ist diese BVG-Edition eine einmalige Aktion? Oder wäre eine Ausweitung denkbar?
Spengler-Ahrens: Wir haben mit dem BVG-Sneaker ein PR-Event geschaffen. Unser Anspruch ist es, immer wieder neu zu überraschen und der Kampagne neuen Schub zu geben. Der Reiz liegt im Neuen und nicht in der Wiederholung.
Giest: Wir sind völlig frei, haben keine Denkverbote. Aber momentan ist keine BVG-Serie geplant.
Eine aktuelle Social-Media-Analyse von Vico über deutsche ÖPNV-Anbieter im Netz sieht die BVG ganz vorne, was die Social-Media-Präsenz angeht. Wie spielen sich Jung von Matt und GUD.Berlin da die Bälle zu?
Giest: Die Zusammenarbeit ist sehr kooperativ. Die Channel-Redaktion und Hoheit liegt bei GUD.Berlin. Bei der Sneaker-Aktion haben wir die inhaltliche Steuerung. Es gibt Input von verschiedenen Seiten. Bei der Social-Media-Kommunikation geht es nämlich um Geschwindigkeit und Spontanität und nicht um endlose Abstimmungsschleifen. Das ist Teil der Kraft. Und da machen die Social-Media-Kollegen einen tollen Job.
Geben Sie uns schon einen Ausblick auf 2018: Was ist mit der BVG geplant?
Man darf sich auf die Zukunft freuen, es wird wieder viel Überraschendes geben. Denn es ist unser Anspruch, immer wieder neue Fässer aufzumachen, neue Themen zu setzen. Dafür gibt es keine festen Termine, das ist ein offener kreativer Prozess.