Fußball-EM:
Ausverkauft: Island-Ausrüster Erreà im EM-Glück
Das EM-Wunder in Frankreich macht nicht nur Island-Fans glücklich, sondern auch Ausrüster Erreà in Italien. Das Teamtrikot ist nahezu ausverkauft und auch sonst profitiert der Sportartikelhersteller enorm von dem Hype.
Das EM-Wunder in Frankreich macht nicht nur jeden Isländer und viele Sympathisanten sehr glücklich, sondern auch einen 600-Mann-Betrieb im norditalienischen San Polo di Torrile, einem Vorort von Parma. Dort hat der Sportartikelhersteller Erreà seinen Sitz - Ausrüster der isländischen Nationalmannschaft, die es mit Wikingerkraft, Teamgeist und Spielkönnen sensationell ins Viertelfinale geschafft hat.
Das Familienunternehmen Erreà profitiert davon enorm und gleich mehrfach. Auf einen zweistelligen Millionenbetrag schätzt das "Manager Magazin" den bisherigen Werbewert der weltweiten TV-Präsenz für den "unternehmerischen Underdog". Und dabei ist das Viertelfinale gegen Gastgeber Frankreich noch gar nicht gespielt. Der Mittelständler mit - bisher - 60 Millionen Euro Jahresumsatz sei nun "plötzlich auf Augenhöhe mit Italien-Sponsor Puma" (Umsatz 2015: 3,3 Milliarden Dollar), als letzter Herausforderer der Marktführer Adidas (Umsatz 2015: 14,5 Milliarden Dollar) und Nike (Umsatz 2015: 30,6 Milliarden Dollar), die jeweils noch drei Teams im Turnier haben. "Für uns ist die Europameisterschaft ein wunderbares Märchen", sagt Erreà-Chef Angelo Gandolfi im Interview mit dem "Zeitmagazin".
Zum Imagegewinn kommt die große Nachfrage nach den EM-Trikots der Isländer. Und die reichen nicht mal für alle Isländer, denn schätzungsweise 20.000 Exemplare soll das Unternehmen überhaupt nur produziert haben. Und die tragen schon die Fans in Reykjavik und Frankreich. Die wenigen Trikots, die es nach Deutschland geschafft haben, waren schnell vergriffen, wie etwa Händler in Köln melden. Auch andere Island-Fanartikel finden aktuell reißenden Absatz.
Erreà ist nun im Sponsoring-Himmel und fährt Sonderschichten. Auch wenn der Betrieb es nach Meinung von Experten kaum schaffen dürfte, rechtzeitig in hoher Stückzahl Trikots nachzuproduzieren, selbst wenn die Mitarbeiter Tag und Nacht arbeiten. Ähnliche Kapazitätsprobleme hatte 2004 schon Adidas, als das Unternehmen vom EM-Erfolg des Sponsoringpartners Griechenland überrascht wurde.
Erreà rüstet auch Teams im Rugby und Volleyball aus, außerdem zahlreiche Fußball-Clubs in Italien, darunter die Erstligisten Atalanta Bergamo und Aufsteiger Delfino Pescara. Auch in England, in der Schweiz, in Polen, Portugal und den Niederlanden laufen Teams mit dem Erreà-Logo auf. Der größte Glücksgriff ist aber nun Island, obwohl die Zusammenarbeit, die 2002 begann, eher "aus der Not geboren" war, berichtet Sportberater Peter Rohlmann dem "Manager-Magazin". Der isländische Fußballverband KSI fand schlicht keinen Ausrüster. Erreà sprang ein, ohne große Hoffnung, dieses Sponsoring jemals zu refinanzieren. Für diese Treue bedanken sich die Isländer nun auf ihre Weise. Allerdings steigert die EM den Werbewert des Teams deutlich. Da bleibt es fraglich, ob sich Erreà das Island-Sponsoring in Zukunft noch leisten kann.
Aktuell begleitet Erreà den Aufstieg der Isländer ohne große Marketingkampagne, auch auf der Unternehmenswebsite findet sich nur ein eher dezenter Hinweis auf die Merchandising-Artikel des Teams. In den sozialen Netzwerken gibt es eine Solidaritätskampagne der Marke unter dem Hashtag #BreakTheIce. Eine häufige Frage der Fans: Wo kann ich noch Trikots bekommen?
Feel the passion for @footballiceland and add #BreaktheIce to your profile now! https://t.co/JL8DOKSUO2 pic.twitter.com/JDk1suWrKT
— ErreaSportOfficial (@ErreaOfficial) 27. Juni 2016
In der italienischen Sportpresse schaffte es Erreà auf die Titelseiten:
Versöhnliches Ende? Island-Kapitän Aaron Gunnarsson zeigt sich unter dem Hashtag #BreakTheIce mit einem Ronaldo-Shirt. Der hatte ihm zuvor nach dem Spiel den Trikottausch verweigert. Teamkollege Finn Borgasson (Augsburg) kaufte ihm schließlich eins.
Und natürlich fehlt auf der Facebook-Seite von Erreà auch der Kult-Kommentator nicht:
Da ahnte Erreà noch nichts von dem Hype:
Das alles passt wunderbar zum Underdog-Image mit Herz. Ein Problem hat Erreà jedoch: Geht der Siegeszug so weiter, könnten im Halbfinale Island und Italien aufeinander treffen. Da ist ein Loyalitätskonflikt vorprogrammiert.
PS: Die isländische Namensgebung ist speziell. Wer wissen möchte, wie sich sein Name in Isländisch auf dem Trikot macht, kann dies hier austesten.