Hasso Mansfeld:
Aus dem Leben eines PR-Taugenichts: Beinahe Bischof
"Für den würde ich gerne mal arbeiten!" - Jeder PR-Mann hat sich schon mal einen bestimmten Kunden mit besonders interessantem Kommunikationsproblem gewünscht. Im dritten Teil seiner selbstironischen Online-Memoiren "Aus dem Leben eines Taugenichts" berichtet Hasso Mansfeld über den spektakulärsten Job, den er nicht bekommen hat.
"Für den würde ich gerne mal arbeiten!" - Jeder PR-Mann hat sich schon mal einen bestimmten Kunden mit besonders interessantem Kommunikationsproblem gewünscht. Im dritten Teil seiner selbstironischen Online-Memoiren "Aus dem Leben eines Taugenichts" berichtet Hasso Mansfeld* über den spektakulärsten Job, den er nicht bekommen hat.
Na nu? Was hat unser Taugenichts denn auf einmal mit einem katholischen Bischof am Hut? Und überhaupt: Ist der Mansfeld nicht Protestant?
Nein. Nicht ganz. Ich sehe mich als konfessionslosen Christen, glaube an Jesus Christus und auch an Gott, habe aber mit kirchlichen Institutionen und besonders mit der katholischen Kirche tatsächlich normalerweise eher wenig zu tun. Aber einmal reizte es mich dann doch, so aus ganz persönlichem Interesse, für diese Kirche zu arbeiten. Und dann gleich für einen Bischof! Kein Wunder, dass es da irritierte Nachfragen gab.
Sie merken, im Leben unseres Taugenichts sind wir seit der letzten Episode ein gutes Stück weit in die Zukunft gesprungen. Und damit beinahe in unsere Gegenwart. Genauer: Ins Jahr 2012, als um den damaligen Bischof von Limburg, Franz-Peter Tebartz-van Elst, ein veritabler Skandal hochkochte, der alles bot was dem PR-Berater eine spannende Beschäftigung verspricht. Uralte Traditionen und Kämpfe um Armutsgebot und Ikonoklasmus. Eine polarisierte, eigentlich nur hysterisch zu nennende Debatte. Und einen Protagonisten, der, wenn man sich nicht vom damals in den Medien vorherrschend gezeichneten Bild mitreißen lässt, durchaus interessanten persönliche Facetten offenbart.
Ein klerikaler Intellektueller
Tebartz-van Elst war mir zum ersten Mal einige Monate zuvor aufgefallen, als Vorwürfe rund um einen ein Erste-Klasse Flug nach Bangalore in Indien dem Bischof eine öffentliche Schelte einbrachten. Ich vernahm, wie er im Radio selbst zu Wort kam, und hörte einen dieser vorsichtigen, bedachten, vergeistigten Intellektuellen, wie sie die katholische Kirche immer noch von Zeit zu Zeit hervorbringt.
Natürlich auch einen Menschen, der damit rasch einmal arrogant herüber kommen kann, der über den Dingen zu schweben und in der Defensive dann eher ungeschickt zu agieren scheint. Ich registrierte: Interessanter Mensch, interessante Situation. Interessanter Streit um Jahrhunderte alte Fragen: Wie viel Reichtum darf die Kirche anhäufen? Wie luxuriös dürfen Gottes Mittler leben? Ich verlor die Sache dann erst einmal wieder aus den Augen.
Im Sommer 2013 häuften sich dann die Angriffe auf Tebartz-van Elst, Verschwendung und Prunksucht wurden angesichts des im Bau befindlichen Limburger Diözesanen Zentrums angeprangert, angeblich goldene Wasserhähne wurden wichtiger als sachliche Argumente. Schnell gab es keine Zwischentöne mehr, die Presse stand fast geschlossen gegen Tebartz-van Elst, schlecht gemachte Liedchen von Stefan Raab machten ebenso die Runde wie ein geradezu entmenschlichendes Meme auf Facebook & Co, das Tebartz-van Elst als Gollum aus dem Herrn der Ringe zeigte. "Protzbischof" wurde zum geflügelten Wort.
Ich habe, wie bekannt, eine gewisse Affinität zu Personen und Branchen, denen beinahe schon aus Gewohnheit sozialschädliches Verhalten oder zumindest "Sinnlosigkeit" ihres Tuns vorgeworfen wird. Hedgefonds, Tabakfirmen, Glücksspielindustrie. Nicht, weil ich zwingend davon ausgehe, diese seien nun ganz eigentlich im Recht. Sondern weil jeder erstmal das Recht haben sollte, seine Perspektive darzustellen. PR als Anwaltschaft vor dem Scherbengericht.
Oft aber zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass das vermeintlich Sinnlose auch seine guten Seiten hat. Etwa Finanzprodukte, die durch "Wetten" gegen die Markttendenz zu Blasen drängendem Herdenverhalten ein Gegengewicht setzen. Und sollte nicht überhaupt so ein "Taugenichts" schon aus eigenem Interesse darauf hinarbeiten, dass die Frage, was man mit gutem Gewissen sinnlos oder schädlich nennen kann, zumindest immer wieder neu durchdacht wird?
Der Fall Tebartz-van Elst war nun einer, bei dem meine persönlichsten Interessen mit dem Beruflichen aufs innigste zusammen gingen. Eine Situation wie jene, die mich überhaupt erst ins PR-Geschäft gebracht haben.
5 Thesen für Tebartz-van Elst
Normalerweise betreibe ich keine Akquise. Kunden finden mich, ich finde Kunden. Es muss passen. Aber manchmal, in besonderen Fällen, besteht die Aussicht, dass es so gut passen könnte, dass der Taugenichts sicher ist, mal wieder in die Welt ziehen zu müssen, und aktiv um einen Kunden zu werben.
Da ich vom Innenleben der katholischen Kirche wenig genaues weiß, bemühte ich einen alten Schulkameraden, der sich für die Existenz als Mönch entschieden hatte. Ich hatte Fortune: dieser Freund war tatsächlich in der Position, eine Mail von mir an das Sekretariat Tebartz-van Elst weiterzuleiten. Da ich aber nicht mit leeren Händen kommen wollte, verfasste ich parallel fünf Thesen, was mir dann tatsächlich die erhoffte Einladung nach Limburg einbrachte.
Die Thesen folgten einer einfachen Linien. Meiner Linie: Offenheit. Ehrlichkeit. Die eigenen Stärken betonen, die Fehler nicht unter den Tisch kehren. Wenn man Mist gebaut hat, sich entschuldigen. Tebartz-van Elst interessierte mich auch, weil jeder Christ diese Linie schätzen müsste. Und weil die katholische Kirche ein "Produkt" ist, für das diese Strategie wie gemacht scheint. Bis dahin hatte man viele Fehler gemacht. Eine moralisch aufgeladene Neiddebatte, die teils an den protestantischen Furor des 16. Jahrhunderts erinnerte, hat man versucht juristisch zu kontern. Hat versucht Informationen zu unterdrücken, was selbst dann nach hinten losgeht, wenn die Informationen falsch sind. Hier waren sie es nicht immer.
Trickle Down kann funktionieren
Die Kirche hätte, so die erste Thesen, ihre Wagenburgmentalität aufgeben müssen, die bisherigen Versäumnisse kritisch reflektieren, und schließlich auch alle Ausgaben im Umfeld des Neubaus des Diözesanen Zentrums offen legen müssen. Am besten sämtliche Rechnung auf der Webseite des Bistums und somit für jeden einsehbar, veröffentlichen.
Transparenz. Man hätte davor, so bis heute meine Überzeugung, keine Angst haben müssen. Denn die Kirche baut für die Ewigkeit, es ist der Anspruch sakraler Gebäude, Kulturdenkmal zu werden. Das darf kosten.
Und das ausgegebene Geld war ja auch nicht einfach verschwunden: Es floss in den Limburger Wirtschaftskreislauf, an Hochbaufirmen und Fliesenleger. Ja, auch an jene seltenen Klempner, die auf angeblich goldene Wasserhähne spezialisiert sind. Wie übrigens auch schon im Mittelalter Städte in den Zeiten der Errichtung großer Sakralbauten prosperierten, der allgemeine Wohlstand und sogar die Lebenserwartung in der Breite stieg. Trickle Down mag nicht das ökonomische Allheilmittel sein, in Fällen wie diesen funktioniert es aber.
Eine Kirche, die ihr Geld mit vollen Händen ausgibt, mag sich mit Verfechtern der Armut Christi herumzuschlagen haben, diese Debatte ist jedoch rein theologischer Natur. Pragmatisch gesehen dagegen ist so eine Kirche allemal besser, als eine die ihren Reichtum im Garten vergräbt.
Kurz: Viele Schwächen, die Tebartz-van Elst im Amt vermeintlich zeigte, hätten gar keine sein müssen.
Im Gespräch nahmen der Bischof meine Ideen positiv auf. Auf dem Heimweg war ich zuversichtlich, dass sich eine produktive Zusammenarbeit ergeben könnte. Natürlich war mir klar, dass die Gefahr bestünde, dass das Engagement eines PR-Beraters allzu gut in das Narrativ vom verschwenderischen Erzbischof passen würde. Eigentlich unfair: Wenn ein Heer von Juristen beschäftigt wird, macht das deutlich weniger Aufsehen.
Selbsterfüllende Prophezeiung
Und dann kamen die Anrufe. Kaum einen Tag nach dem unverbindlichen Gespräch war der Redakteur einer großen deutschen Sonntagszeitung an der Strippe und befragte mich zum Fall Tebartz-van Elst, mit besonderem Interesse an meinen Stundensätzen. Weitere Anfragen folgten, ein Einseiter besagter Sonntagszeitung unter dem Titel "Werben & Verkaufen" ließ das Bistum schließlich von einer Zusammenarbeit Abstand nehmen. So ist das manchmal: Von Zeit zu Zeit spielt der Taugenichts, auch wenn er eher nach Bauchgefühl vorgeht, virtuos die Flötenklänge, nach denen die PR-Welt tanzt. Ein anderes Mal glaubte man die komplette Partitur zu kennen, ja, vermag sogar jene drei oder vier Züge vorauszudenken, die eben dazu führen, dass der Skandal am Kochen gehalten wird und man den Auftrag nicht bekommt, und kann doch nichts tun: Das Bistum hat sich hier wohl zurecht vom Berater ferngehalten. Die Öffentlichkeit hätte es nicht goutiert. Leider.
Alles Umsonst?
Und was bleibt dem Taugenichts nach alldem? Faszinierende Wochen und Monate. Ein Thema, in das es sich einzuarbeiten lohnte. Kontakte zu interessanten Persönlichkeiten. Und einmal mehr die Einsicht, dass man nicht in erster Linie fürs Geld arbeiten sollte, sondern weil man wirklich an eine Sache glaubt. Denn Tebartz-van Elst war mit der Absage für mich nicht Geschichte. Noch über Wochen riefen deutsche Leitmedien und die großen konfessionsgebundenen Medien bei mir an und baten um Stellungnahmen. Ich denke, ich habe nach bestem Wissen und Gewissen geantwortet und einiges zu Protokoll gegeben, was geeignet war der feurigen Debatte ein wenig Druck und Hitze zu nehmen.
Tebartz-van Elst hat zwar mittlerweile auf sein Amt verzichtet und ist in den Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung übergewechselt, als Niederlage muss er die Versetzung jedoch wohl nicht werten. Wie gesagt: Die Kirche baut für die Ewigkeit. Und der Taugenichts? Der hat, wenn man es unbedingt negativ betrachten möchte, mehrere Wochenpensen harter Arbeit umsonst geleistet. Oder besser: kostenlos. Denn kostenlos ist eben nicht immer umsonst. Auch das wissen (nicht nur) Christen. Und so verbleibt Ihr Taugenichts als glücklicher Taugenichts, und freut sich auf das nächste Abenteuer.
Die Serie Bisher erschienen:
Teil 1 "Gestatten, Hasso Mansfeld, PR-Taugenichts"
Teil 2: "Die Schnapsidee von den Ostpaketen"
Der Autor Hasso Mansfeld ist Kommunikations- und Strategieberater. Er gehörte zum Autorenkreis von The European und schreibt heute für das Meinungsportal Die Kolumnisten. Mansfeld kandidierte 2014 als FDP-Mitglied für das Europäische Parlament. Er lebt und arbeitet in Bingen am Rhein.