BDZV Zeitungskongress:
Auftritt der Verlags-Patriarchen: "Wir wollen überleben"
Die Altverleger Alfred Neven DuMont und Dirk Ippen sorgen für die Highlights des Zeitungskongresses des BDZV.
Selten hatte man soviel Spaß beim Zuhören: Verlegerpatriarch Alfred Neven DuMont kann es noch, das ganz große Kino, ein bisschen Drama, ein bisschen Seitenhieb, ein paar flockige Anekdoten, und, natürlich, die Rückschau auf die ganz großen Zeiten, die Aufbruchsjahre nach dem Krieg. Da waren Verleger noch echte Charakter-Kerle und sie hatten Macht, viel Macht. Sie konnten zum Beispiel 1970 die Machtergreifung der Redakteure verhindern. Damals, als die Politik ihnen noch zuhörte. Und sie die Könige in der Region waren.
Heute findet sich im Auditorium immer noch kaum eine Frau, die Zeitungswelt ist immer noch eine men's world, was selbst Verleger Dirk Ippen zu der Bemerkung veranlasst: "Leider sitzen hier überwiegend Männer, das spricht nicht gerade für unsere Zeitungsbranche." Die Kerle sind heute ausgebildete BWLer, verglichen mit den Alten manchmal ein bisschen blass, aber sie versuchen den kulturellen Wandel in die Redaktionen hineinzutragen, klassische Denkmuster aufzulösen - mehr Start up-Mentalität, weniger Lehrer-Mentalitäten in die Häuser zu holen, die Angst nehmen vor Neuem, an Strukturen rütteln.
Die Zeiten sind so anders als vor 60 Jahren, als die Verleger sich im BDZV organisierten. Heute will sich niemand mehr finden, der die Zeitungen richtig lieb hat. Selbst die Kanzlerin nicht. "Wir hören schöne Sonntagsreden, aber niemand tritt auf und sagt, wir müssen die Zeitung erhalten," teilt Neven DuMont Richtung Angela Merkel aus, die den Verlegern geraten hat, nicht allzu sehr zu sparen, damit noch Qualität übrig bleibt. "Wir wollen überleben, nicht wahr, das wollen wir doch, Isabella," ruft der Patriarch und richtet sichan seine Tochter, die in der ersten Reihe sitzt. Doch die Kanzlerin, sie macht sich nur lustig, und sie spricht von zehn Prozent Rendite der Verleger.
Was also tun? Es muss einen neuen Anlauf zur Reform des Kartellrechts geben, fordert Neven DuMont. Vor zehn Jahren habe man sich nicht einigen können und sei deswegen mit einer Reform gescheitert. Heute seien es nicht mehr die Verlage, die untereinander im Wettbewerb stünden. Die größten Konkurrenten seien das öffentlich-rechtliche Fernsehen und die großen Internetkonzerne Facebook und Google. Mittlerweile schütze das Kartellamt die Zeitungen nicht mehr, vielmehr verursache es den Abbau redaktioneller Einheiten. "Das Kartellamt ist die reine Lehre, aber die Lehre von gestern," donnert der Patriarch.
Dirk Ippen, der andere große alte Mann auf dem Podium, mag Neven DuMont allerdings nicht ganz folgen. Die Probleme der Zeitungen löse man nicht mit einer Lockerung des Kartellrechts und immer größeren Einheiten. Er selbst sei jedenfalls immer ganz froh gewesen, dass es eine Pressefusionskontrolle gegeben habe. Niemals hätte Ippen, der als kleiner Regionalverleger angefangen hat, nach und nach ein immer gößeres Reich an Regionalzeitungen zusammenkaufen können. Es ging nur weil das Medienkartellrecht die großen Platzhirsche daran gehindert hat, sich ungebremst alles einzuverleiben.
Natürlich seien heute die Wettbewerber woanders, pflichtet Ippen bei. Doch: "Nicht Google hat 1500 Redaktionen in Deutschland, das haben nur wir." Zeitungen seien in ihrem Wesen "Solidarsysteme mit den Lesern". Diese Stärke müsste sie ausspielen, sie vergäßen das allerdings mitunter. "Was die Aktualität betrifft ist unsere Zeitung von gestern," sagt Neven DuMont, "aber was wir können, das sind doch erhellende Zusammenhänge herstellen, vertiefende Reportagen und Hintergrundstorys aufschreiben."
Ja, und manchmal ist da einer, der noch viel cleverer ist als alle Verleger zusammen. Leo Kirch zum Beispiel, der die Verleger bei Sat.1 ausgebootet hat. "Das war ein unglaubliches Schlitzohr, der hat uns alle aufs Kreuz gelegt," sagt Neven DuMont. "Dem waren wir nicht gewachsen, und Sie schon gar nicht Herr Ebner", schickt der Patriarch aus Köln einen witzigen kleinen Pfeil an einen anderen der großen alten Männer im Publikum. Das waren Zeiten, Teufel auch, war das schön.
Standing Ovations.