
Tina Müller vs. Henkel:
Arbeitsrechtler Stefan Kursawe: "Tina Müller könnte es wagen, bei Beiersdorf zu starten"
Arbeitsrechtler Stefan Kursawe erklärt, warum Wettbewerbsverbote wie im Fall Tina Müller versus Ex-Arbeitgeber Henkel Probleme bereiten. Zudem gibt der Rechtsanwalt Tipps für Job-Hopper und deren Dienstherren.
Rechtsanwalt Stefan Kursawe von der Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds, München, berät Führungskräfte in Sachen Arbeitsrecht. Er beobachtet den Streit zwischen dem Unternehmen Henkel und Marketing-Expertin Tina Müller. Bei einem Gütetermin am 16. April vor dem Düsseldorfer Arbeitsgericht konnten sich beide Seiten nicht einigen. Im August treffen sich deshalb die ehemalige Top-Managerin des Düsseldorfer Konzerns und ihr Ex-Arbeitgeber erneut vor Gericht. Dort muss dann sogar Henkel-Chef Kasper Rorsted persönlich erscheinen. "Über drei Jahre blockiert zu werden, ist eine übertriebene Härte", zitierte die Rheinische Post die 44-Jährige nach dem Gütetermin. Müller hatte zum 30. Juni 2012 gekündigt, ist seitdem freigestellt und will ab Juli eine neue Stelle beim Konkurrenten Beiersdorf annehmen.
Herr Kursawe, das Düsseldorfer Arbeitsgericht entscheidet erst ab dem 23. August über die Klage. Ist Frau Müller jetzt auf jeden Fall bis mindestens August für Beiersdorf ein Tabu?
Beide Seiten befinden sich jetzt in einer Art Schwebezustand. Frau Müller könnte es allerdings wagen, trotz eines ausstehenden Urteils ab Juli bei ihrem neuen Arbeitgeber zu starten. Das kommt durchaus manchmal vor.
Welche Möglichkeiten hätte dann Henkel?
Henkel könnte eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung erwirken, das ist mit einer ganz oberflächlichen Prüfung möglich. Außerdem hätte der Ex-Arbeitgeber die Möglichkeit, gegen den neuen vor dem Landgericht zu klagen. Dann würden sich zwei Gerichte mit dieser Geschichte befassen – und könnten sogar zu einem unterschiedlichen Urteil kommen. Das halte ich aber für eher unwahrscheinlich.
Ist dieser Streit also ein Einzelfall?
Nein. Ein paar solcher Fälle gibt es im Jahr schon. Sie werden nur eben meist nicht öffentlich.
Die Presse berichtet schon über Müller vs. Henkel. Steigt jetzt nicht der Druck auf Henkel, doch vielleicht einzulenken?
Kein Unternehmen möchte mit solchen Schlagzeilen in Verbindung gebracht werden.
Die Seite von Frau Müller geht davon aus, dass das im Vertrag festgehaltene nachvertragliche Wettbewerbsverbot unwirksam sei. Wie kann das sein? Kann jeder so etwas einfach unterschreiben und nachher dann vor Gericht dagegen vorgehen?
Angreifbar sind vor allem rein handwerkliche Fehler: So darf der Arbeitnehmer für höchstens zwei Jahre gesperrt sein und muss in dieser Zeit in jedem Monat mindestens die Hälfte des letzten Gehalts bekommen. Auf der anderen Seite könnte man aber auch mit einer unverhältnismäßigen Einschränkung des beruflichen Fortkommens argumentieren. Also damit, dass der Schaden für Frau Müller viel größer ist als der Nutzen für Henkel. Aber das ist eine reine Abwägungssache.
Spielt da auch die Länge des Arbeitsverhältnisses eine Rolle?
Nein. Das Verbot ist grundsätzlich bis zu zwei Jahre möglich.
In der Marketing- und Werbebranche sind häufige Jobwechsel üblich. Auf was muss man also als Arbeitgeber achten?
Als Unternehmen sollte man sich gut überlegen, ob man so ein nachvertragliches Verbot möchte. Viele Arbeitgeber ärgern sich im Nachhinein. Denn so müssen sie auch eine Entschädigung zahlen – und man bekommt keine Gegenleistung. Ich schätze, dass 20 bis 30 Prozent der Kontrakte eine solche Klausel haben. Oftmals sind dies Standardformulierungen, die Unternehmen dann einfach bei allen Führungskräften nutzen. Eigentlich sollten die Personalabteilungen aber nicht darauf zurückgreifen, außer es drohen bei einem Wechsel erhebliche Schäden.
Und als echter Job-Hopper: Was kann ich gegen ein lästiges Wettbewerbsverbot machen, bevor ich einen Vertrag unterschreibe?
Natürlich darauf drängen, dass so eine Klausel nicht aufgenommen wird. Und vielleicht das Unternehmen auf die Nachteile einer solchen Regelung hinweisen.