
Digital Health:
App für depressiv Erkrankte knackt Millionenmarke - fast ohne Marketing
Moodpath meldet 1 Million Nutzer weltweit. Damit ist die deutsche App die derzeit am besten bewertete Anwendung für Depressionen und psychische Gesundheit im App Store und Google Play Store in Europa, Nordamerika und Südostasien.

Foto: Moodpath
Jährlich leiden weltweit mehr als 300 Millionen Menschen an Depressionen. Laut den neuesten Zahlen der WHO ist jeder Vierte mindestens einmal in seinem Leben von der psychischen Erkrankung betroffen. Das Fatale: Bei über 50 Prozent der Betroffenen wird die Krankheit nie erkannt – eine Versorgungslücke, die zu einem umso höheren Leidensdruck führt.
Aus diesem Grund haben Felix Frauendorf und Mark Goering im Frühjahr 2016 ihr Unternehmen gegründet: Die App Moodpath, ein Produkt des Berliner Digital-Health-Startups Aurora Health, ist inzwischen in 45 Ländern verfügbar und wurde mehr als eine Million Mal heruntergeladen – 95 Prozent davon organisch und ohne Marketing.
Damit ist Moodpath die derzeit am besten bewertete App für Depressionen und psychische Gesundheit im App Store und Google Play Store in Europa, Nordamerika und Südostasien.
Mobiler Begleiter
Gemeinsam von Psychologen, Ärzten und Betroffenen entwickelt, begleitet die App ihre Nutzer mit drei täglichen Frageblöcken zu ihrem emotionalen und körperlichen Wohlbefinden. Dabei helfen dem Nutzer Fragen wie "Machen es dir deine Beschwerden schwerer, deine Verpflichtungen zu erfüllen?" oder "Traust du dir gerade weniger zu?", die anschließend durch einen adaptiven Algorithmus ausgewertet werden, der sich an jeden einzelnen Nutzer anpasst.
Im Anschluss an dieses Screening gibt die App alle zwei Wochen eine fundierte Einschätzung darüber ab, ob und wie stark ausgeprägt Symptome einer Depression vorliegen.
Das Screening findet per Smartphone und in Echtzeit statt. So umgeht die App das Problem, das in der Psychotherapie als Erinnerungsverzerrung bekannt ist: Betroffene sprechen beim Therapeuten rückblickend über ihre Emotionen und Gedanken. Moodpath zeichnet Stimmungsverläufe auf und erkennt Symptome. "Wenn man zweimal schlecht geschlafen hat, denken viele Menschen rückblickend, sie hätten 14 Tage schlecht geschlafen", erläutert Psychologe und Mit-Gründer Mark Goering.
Nutzer können über die App nicht nur langfristig ihren Stimmungsverlauf abbilden: Kurse der App bieten Übungen und Techniken aus der Verhaltenstherapie, die jederzeit abrufbar sind.
Pläne für 2019
Während seiner Ausbildung zum Psychotherapeuten beobachtete Mark Goering, dass selbst schwer depressive Patienten mit stark vermindertem Antrieb ihr Smartphone immer griffbereit haben. Das kann man in der Diagnostik nutzen, fand er. Auch Felix Frauendorf, der zuvor bereits einige Startups mit aufgebaut hat, erkannte das Potenzial einer solchen App.
Zusammen entwickelten sie das Konzept für Moodpath und gründeten 2016 ihr Unternehmen. Als ein Team, das psychologische und unternehmerische Expertise vereint, konnten sie bereits namhafte Investoren von sich überzeugen und insgesamt 2,7 Millionen Euro aufnehmen, darunter Holtzbrinck Ventures und Heartbeat Labs.
Das Berliner Startup arbeitet nach eigenen Angaben eng mit Kliniken und Forschungsunternehmen wie der Dr. Becker Klinikgruppe, der Schön Klinik und der Charité Berlin zusammen. Der Gedanke dahinter: Eine Psychotherapie soll durch Moodpath nicht ersetzt, sondern ideal begleitet und unterstützt werden. Weitere Studien und Projekte mit der FU Berlin, der Columbia University in New York und dem Max-Planck-Institut in München laufen oder stehen kurz vor dem Abschluss.
Der nächste Schritt: Moodpath will eine weltweit führende Technologie entwickeln, die alle Schritte der Versorgungskette digital begleitet und eine klassische Gesprächstherapie sinnvoll ergänzt. Eine Expansion in neue Regionen wie Lateinamerika ist geplant und auch die bereits bestehenden Märkte in den USA und Asien sollen weiter ausgebaut werden.