Kommentar von Karsten Lohmeyer:
Anita Zielina geht bei Stern.de: Ein Schlag für die Marke
Der Abgang der jungen Österreicherin kann das Traditionsblatt noch härter treffen, als der Rauswurf von Dominik Wichmann. Denn Anita Zielina stand für die digitale Runderneuerung des Stern, die nun erstmal auf Eis liegen dürfte, meint unser Autor Karsten Lohmeyer.
Würde man böse sein, könnte man sagen, dass es völlig egal ist, wer den gedruckten "Stern" führt – denn Print stirbt ja angeblich sowieso. Deshalb wiegt es umso schwerer, dass der Stern nun einen Abgang an einer Stelle verkraften muss, die für viele die Zukunft der Marke Stern in der digitalen Welt bedeutet: Anita Zielina, Chefin von Stern.de und gleichzeitig stellvertretende Chefredakteurin des gedruckten "Stern", verlässt das Haus. Und damit verliert der Stern eine der profiliertesten Online-Macherinnen der Republik – die gerade dabei war, den digitalen "Stern" Trippelschritt für Trippelschritt zu modernisieren.
Denn diese Modernisierung hatte das Digitalangebot des Stern dringend nötig. Personell ausgeblutet nach dem Platzen der ersten Dotcom-Blase, gefangen in einem veraltetem Design und Content-Management-System, abgehängt von anderen Online-Ablegern traditionsreicher Print-Marken wie "Spiegel" und "Focus", hat die 33-jährige Österreicherin Zielina frischen Wind in Stern.de gebracht.
Der vor kurzem geschasste Stern-Chefredakteur Dominik Wichmann hatte sie im Mai 2013 vom österreichischen Standard nach Hamburg geholt, wo sie die Online-Redaktion ausbaute und viel dafür tat, den behäbigen Dampfer Stern.de zu einer digitalen Wundertüte zu wandeln, an der auch "Stern"-Übervater Henri Nannen gefallen gefunden hätte. Sie integrierte Web-Formate wie "Der Postillon" und "Jung und Naiv", etablierte eine Plattform für (bezahlte) Blogger und schaffte es, nicht nur ihre Mitarbeiter und Kollegen beim "Stern", sondern auch viele Kollegen in ganz Deutschland zu begeistern für Twitter, Facebook und einen Journalismus, der sich im Internet täglich neu erfindet.
Eine Geisteshaltung, die sie in ihrem Jahr als Knight Journalism Fellow an der Stanford University in Kalifornien verinnerlicht hatte, sie war die erste Frau aus Österreich, die das renommierte Stipendium erhielt. "Wenn etwas plausibel klingt, dann probieren wir es aus", sagte sie. "Und wenn es nicht klappt, dann probieren wir eben etwas anderes." Beim Stern führte sie den "Innovation Friday" ein – ein Tag an dem die Redakteurinnen und Redakteure einfach mal rumsponnen und gemeinsam neue, verrückte Ideen entwickelten.
Mit Anita Zielina verlieren auch die Journalistinnen, die für Frauen in Führungspositionen kämpfen, ein echtes Postergirl. Nicht nur "Pro Quote" feierte sie dafür, dass sie es als erste Frau in die Chefredaktion des gedruckten "Stern" schaffte.
Nun ist diese Episode viel zu schnell vorbei. Ob und wie sich ihre Ideen bei Stern.de dauerhaft etablieren und ob sie Erfolg bringen werden, wird sich zeigen müssen. Dass Anita Zielina jetzt den Tanker "Stern" verlässt, ist aber angesichts der aktuellen Entwicklungen bei Gruner + Jahr nur konsequent.
Unser Autor Karsten Lohmeyer ist Journalist, Chefredakteur der Corporate-Design-Agentur Hagen + Pollmeier, Mitgründer des Blogs Lousypennies.de und Dozent an der Deutschen Journalistenschule in München.