Kolumne Markenlage:
Angela Merkel - als Marke stärker denn je
Zu alt, zu müde, zurücktreten! So tönt es von Polit-Konkurrenten, Medien und Experten, wenn es um Angela Merkel geht. Dabei ist die Marke Merkel stärker denn je. Unser Kolumnist Mike Kleiß kennt ihr Geheimnis.
Die Oster-Ruhe ist vom Tisch. So und auch so. Die Debatten um die Rücknahme der harten Corona-Maßnahmen durch Angela Merkel werden vermutlich auch an Ostern weitergehen. Die vorgelagerte öffentliche Entschuldigung der Kanzlerin hatte einen größeren Effekt als viele ihrer anderen Entscheidungen in den 16 Jahren Amtszeit.
Mit einem einzigen Satz war plötzlich Blut im Wasser, und die Haie wurden rasend. Die Kanzlerin hingegen schwamm recht unverletzt langsam ans Ufer. Während das Haifischbecken weiter bebt. Es ist unter anderem diese Ruhe, die die Marke Merkel ausmacht. Während sich die Haie im Kampf um den Brocken Fleisch gegenseitig wegbeißen, trinkt die Kanzlerin im Adenauer-Haus längst ein Glas Wein. Und schaut von der Ferne aus zu. Das war schon immer so. Das wird sicher auch an Ostern so sein.
Eine starke Marke macht vor allen Dingen Beständigkeit aus. Dazu kommt unter anderem der Faktor Vertrauen. Haien vertraut man nicht. Angela Merkel schon, selbst nach dieser langen Amtszeit. Erfolgreiche Marken sind die, die auf Diversität, Nachhaltigkeit und Achtsamkeit setzen. Jedenfalls sind sich da Agenturen und Marketing-Entscheider sicher. Belegt ist das noch lange nicht, aber nehmen wir an, dass das so ist.
"Angela Merkel als Marke ist moderner als Adidas, Fridays For Future, Google und Volkswagen zusammen."
In einer modernen Welt sind – und das ist sicher unstrittig – Achtsamkeit, Nachhaltigkeit und Diversität Werte, die dringend besser in unserer Gesellschaft verankert werden müssen. Moderne Marken haben diese Werte längst in ihrem Purpose integriert. So auch Angela Merkel. Aber: Das weiß nur sie. Und sie hütet dieses Geheimnis.
Wenn eine Bundeskanzlerin-Marke 16 Jahre lang „gekauft“ wird, dann ist sie definitiv nachhaltig. Wenn eine Bundeskanzlerin-Marke die heftigste Entscheidung der Corona-Krise zurücknimmt und sich dafür entschuldigt, dann ist das sowas von achtsam. Und dann ist es auch noch eine Frau, die sich vor die Haie stellt, die Schwäche eingesteht. Wie unfassbar stark ist das bitte?
Das ist die gelebte Diversität der Bundeskanzlerin-Marke. Mit ihren 66 Jahren ist Angela Merkel als Marke moderner als Adidas, Fridays For Future, Google und Volkswagen zusammen. All das wird mit dieser einen Entschuldigung gerade sichtbar. Und noch viel mehr! Denn nun entzaubern sich in unfassbarer Geschwindigkeit die „Merkel-Haie“. Ob Medien, Polit-Konkurrenten oder Experten, es ist die Zeit der alten weißen Männer.
"Die Rechnung der alten weißen Männer geht einfach nicht auf."
Für sie muss es schier unerträglich sein, dass sie ausgerechnet von einer Frau vorgeführt werden. Dass es eine Frau auf dieser Position schafft, „Entschuldigung“ zu sagen, und sie nicht. Weil sie nicht den Mut haben, schwach zu sein. Und noch immer nicht verstehen, wie stark eigentlich Schwäche sein kann. Und diese Erkenntnis macht die Haie noch rasender.
Wie zum Beispiel Wolfgang Bosbach, der wie Grumpy Cat beleidigt bei Bild.de wetterte: „Das hat mit guter Regierungsarbeit nichts zutun.“ FDP-Chef Christian Lindner und der Fraktionschef der Linken Dietmar Bartsch forderten die Bundeskanzlerin auf, die Vertrauensfrage zu stellen. In den sozialen Netzwerken brachten sich die Hater-Haie beinahe verbal gegenseitig um.
Mit dieser Entschuldigung Merkels geht die Rechnung der alten weißen Männer einfach nicht auf. Und das ist eigentlich das Schlimme. Sie alle hatten Merkel fast auf den Knien, dachten sie. Markus Söder und Jens Spahn feierten gefühlt wilde Partys in einer Berliner Grunewald-Villa, Christian Lindner brachte den Wein mit.
"Mit einer einzigen Entschuldigung pflegt sie ihre Marke."
Man mag gar nicht wissen, welche Pläne schon für die Zeit nach Merkel gemacht worden sind. Und nun merkt man: Sie ist immer noch da. Sie ist stärker denn je, mit einer einzigen Entschuldigung pflegt sie ihre Marke. Selbst zum Ende ihrer Amtszeit gelingt es ihr, den Bundeskanzlerin-Brand zu transformieren, während andere noch nicht einmal wissen, was das überhaupt bedeutet.
Merkel schaff es im Übrigen nicht nur, ihre eigene Marke zu pflegen. Sie kümmert sich zudem noch um den Markenkern ihrer Partei, der CDU. Die Christlich Demokratische Union braucht dringend Pflege, das weiß auch die Kanzlerin. Jeder weiß, dass Christen im Vaterunser um Vergebung bitten. „Und vergib uns unsere Schuld“ heißt es dort.
So ist es sicher kein Zufall, dass Merkel in ihrer Erklärung die Schuld komplett auf sich nimmt. Die Pfarrerstochter hat einfach an alles gedacht. Die mächtigste Frau der Welt hat sich selbst erniedrigt, sich menschlich gezeigt, Fehler eingestanden. Die alten weißen Männer müssen schnell von ihr lernen, wie Marke geht. Wie moderne Führung geht. Es bleibt nicht mehr viel Zeit.