
Nach Pinkelflaschen-Vorwurf:
Amazons Pinkel-Krisen-PR auf Twitter
Wie viele Toiletten gibt es bei Amazon? Wie oft dürfen die Mitarbeiter aufs Klo? Und wie lange haben sie dafür Zeit? Wer Fragen zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse hat, bekommt jetzt Antworten dazu auf Twitter.

Foto: Amazon
Schon 2018 versuchte Amazon, Mitarbeiter dafür zu bezahlen, dass sie auf Twitter und anderen Plattformen positiv über die Arbeitsbedingungen bei dem Online-Riesen berichten. Das hat damals schon nicht allzu gut funktioniert, doch Amazon hat daraus offenbar wenig gelernt. Denn mit exakt dem gleichen Trick soll der E-Commerce-Riese laut eines Berichts von Business Insider erneut versuchen, die Berichterstattung über Paketzusteller, die angeblich in Flaschen pinkeln müssen, um ihr tägliches Arbeitspensum einigermaßen bewältigen zu können, zu beeinflussen.
So sollen im März 2021 eine Reihe von Twitter-Accounts angelegt worden sein, die alle nach dem selben Standard funktionieren. Statt zu posten, bieten Mitarbeiter darin an, Fragen, Kommentare oder Bedenken, die jemand über Amazon hat, zu beantworten. "Ich kann es kaum erwarten, meine Erfahrungen darüber zu teilen, wie es für mich war, hier zu arbeiten", so die euphorische Botschaft.
Detailliert nehmen die Amazon-Twitterer Bezug auf ihre Toilettengänge. "Mein (Fulfillment-Center) gewährt mir zwei 20-minütige Pausen und eine 30-minütige Mittagspause. Wenn wir Überstunden machen, sind es sogar drei 20-Minuten-Pausen, was auch ziemlich nett ist", schreibt ein Mitarbeiter namens Gary. "Vor der Pandemie allerdings waren die Pausen nur 15 Minuten lang. Dass ich ein Essential Worker bin, würdigt meine Tätigkeit."
Genug Toiletten und genug Zeit, sie zu benutzen
Einen weiteren tiefgründigen Einblick, wie Amazon mit menschlichen Bedürfnissen umgeht, gibt eine Mitarbeiterin namens Yola, deren Account ebenfalls im März 2021 startete. "Auch wenn die Anlage groß ist, gibt es viele sanitäre Anlagen", zwitschert sie in die Welt. "Bei uns sind es 12. Jede hat drei bis sechs Toiletten. Das ist viel. Durch die 20- bis 30-Minuten-Pausen haben wir mehr als genug Zeit."
Auch eine Person namens "Darla" gibt sich auf Twitter als Amazon-Mitarbeiter mit FC-Tag (FC = Fulfillment Centre) aus, ohne allerdings wirklich eine Amazon-Mitarbeiterin zu sein. "Es sieht so aus, als sei dies ein Fake-Account, der die Richtlinien von Twitter verletzt. Wir haben Twitter gebeten, die Angelegenheit zu untersuchen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen", kommentierte ein Amazon-Sprecher gegenüber Business Insider.
Anlass dafür, dass Amazon-Mitarbeiter aktuell so aktiv auf Twitter um den Ruf ihres Unternehmens kämpfen, waren Negativschlagzeilen über Jeff Bezos Versuch, die Gründung einer Gewerkschaft in einem Warenlager in Alabama zu bekämpfen. Als US-Politiker sich auf die Seite der Arbeiter stellten, schlugen Amazon-Manager ihnen vor, sie sollten stattdessen lieber den Mindestlohn aller Angestellten auf 15 Dollar pro Stunde hochsetzen. Rückendeckung für die Aktion gab es offenbar von ganz oben: Amazon-Gründer Jeff Bezos selbst hatte sein Management dafür kritisiert, nicht aggressiv genug die Reputation des Internet-Riesen zu verteidigen.