Missbrauchsskandal hat weitere Konsequenzen:
Amazon kippt Weinstein-Serie
Nach den zahlreichen Vorwürfen von sexuellem Missbrauch und Belästigung gegen den Produzenten Harvey Weinstein stellt Amazon ein Serienprojekt ein. Alyssa Milano engagiert sich via Twitter.
160 Millionen Dollar waren für zwei Staffeln der Dramaserie vorgesehen, in der Robert De Niro und Julianne Moore die Hauptrollen spielen sollten. 40 Millionen sollen schon für Drehbuchentwürfe ausgegeben worden sein. Nun stoppte Amazon das Projekt: Es hätte mit Harvey Weinsteins Firma The Weinstein Company (TWC) gemeinsam produziert werden sollen. Aufgrund der Missbrauchsvorwürfe gegen den Produzenten distanziert sich das Unternehmen nun von Weinsteins Firma - obwohl ihn diese bereits entlassen hat. Ein weiteres Gemeinschaftsprojekt mit TWC will Amazon allein stemmen: "Mad Man"-Macher Matthew Weiner arbeitet an der Serie "Die Romanoffs".
Das Magazin "Hollywood Reporter" zitiert die betroffenen Stars der gestoppten Serie: "Wir stehen hinter der Entscheidung von Amazon. Angesichts der aktuellen Informationen und aus Respekt für die Betroffenen haben wir gemeinsam entschieden, dsas es das Beste ist, nicht mit der Serie weiterzumachen", erklärten De Niro, Moore und Regisseur David Russell.
Den eigenen Studiochef Roy Price hatte Amazon Ende voriger Woche suspendiert, weil auch gegen ihn Vorwürfe wegen sexueller Belästigung erhoben worden waren (W&V berichtete). Jeff Blackburn, bei Amazon für Business Development verantwortlich, hatte am Freitag dem "Hollywood Reporter" zufolge in einem Mitarbeiterrundschreiben erklärt, dass "Amazon sexuelle Belästigung und Missbrauch von Mitarbeitern und Geschäftspartnern nicht toleriert", man untersuche gemeldete Vorfälle sofort und sorgfältig.
#MeToo von Alyssa Milano findet großes Echo
Derweil löste Schauspielerin Alyssa Milano eine Twitter-Welle aus. Unter dem Hashtag #MeToo forderte sie vor rund 13 Stunden User auf: "Wenn du sexuell belästigt oder angegriffen wurdet, antworte mit 'me too' (ich auch) auf diesen Tweet." 31.000 Antworten gingen seither auf ihre Nachricht ein, sie wurde 11.000-mal geteilt und bekam 23.000 Likes.
Es geht Milano nicht nur um die Filmbranche; in ihren Tweets spricht sie auch die Vorwürfe gegen den US-Präsidenten Donald Trump an. Am Wochenende erwirkte eine Frau einen Gerichtsbeschluss zur Herausgabe von Unterlagen der Trump-Wahlkampagne, die Beschuldigungen von Frauen gegen Trump aufgrund sexueller Übergriffe betreffen (berichtete u.a. Buzzfeed).
Ähnlich groß wie bei #MeToo war das Echo, das die Twitter-Kampagne #Aufschrei in Deutschland Anfang 2013 auslöste; auch hier ging es um sexuelle Belästigung und Angriffe. Anlass war die Reportage von Laura Himmelreich im "Stern" über eine von ihr als übergriffig erlebte Begegnung mit dem damaligen FDP-Kandidaten Rainer Brüderle. Zwar wurde #Aufschrei, initiiert von Anne Wizorek, gefeiert und gewürdigt, unter anderem mit dem Grimme-Online-Award - und doch ging die Republik Monate später wieder zur Tagesordnung über. Verschwunden ist der Sexismus noch nicht; allerdings ist die Verschärfung des Sexualstrafrechts "Nein heißt Nein" ein Schritt in die Richtung.
Abzuwarten, ob die Macht von weltweit bekannten Hollywood-Stars und Studios wirksam Bewegung in die Debatte bringen kann.
Starker Gegenwind für Weinstein und seine Firma
Apple hatte bereits vorige Woche eine geplante Miniserie mit WTC über Elvis Presley wegen der Vorwürfe gegen Weinstein ausgesetzt. Am Wochenende hat nun außerdem die Oscar-Akademie beschlossen, den Produzenten Weinstein rauszuwerfen. Der 65-Jährige wurde aus dem Filmverband ausgeschlossen, er verdiene nicht den Respekt seiner Kollegen, teilte die Organisation mit. Für den sofortigen Ausschluss Weinsteins hätten sich deutlich mehr als die benötigten zwei Drittel der Mitglieder ausgesprochen. Der 54-köpfige Vorstand, dem unter anderem die Oscar-Preisträger Steven Spielberg, Tom Hanks und Whoopi Goldberg angehören, wolle damit auch die Botschaft senden, "dass die Ära von vorsätzlicher Ignoranz und schmählicher Mitschuld bei sexuell rücksichtslosem Verhalten und Belästigungen am Arbeitsplatz in unserer Branche vorbei ist", zitiert die DPA.
Oscar-Preisträger Michael Moore, der mit Weinstein für seine Dokumentation "Fahrenheit 9/11" zusammenarbeitete, rief am Freitag in einem längeren Facebook-Eintrag dazu auf, "eine Welt ohne Harveys" zu schaffen. Moore bezeichnete Weinstein als einen "erfolgreichen Soziopathen", dem es über Jahre hinweg gelungen sei, Frauen heimlich zu missbrauchen. Er selbst habe nichts von Weinsteins Übergriffen gewusst. Jeder müsse sich nun hinter die Frauen stellen, die den Mut gehabt hätten, die Wahrheit über Weinstein zu offenbaren, erklärte Moore.
Am Mittwoch hatte der britische Filmverband BAFTA Weinsteins Mitgliedschaft ausgesetzt. Das Filmfestival Cannes, wo der Produzent seit Jahren zu den bekanntesten Gästen zählt, zeigte sich in einer Mitteilung "bestürzt" über die Vorwürfe. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron dringt darauf, dem mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung und der Vergewaltigung konfrontierten Weinstein die Auszeichnung der Ehrenlegion zu entziehen. Die Polizei in Lodon ermittelt gegen Weinstein inzwischen in vier Fällen wegen des Verdachts auf sexuelle Übergriffe. (W&V/mit dpa)