"Bewahrt Fehmarn":
Achtung, Bürgerinitiative! Wie ein Hamburger Agenturchef Fehmarn mobilisierte
Ein 15 Hektar großes Industriegebiet sollte Fehmarn verschandeln. Aber der Investor hatte Pech: Die Ostseeinsel ist Heimat mehrerer bekannter Werber, darunter Mirko Kaminski. Der Chef der Hamburger Agentur Achtung mobilisierte erfolgreich die Bevölkerung und will seine Kampagne jetzt beim Effie einreichen.
Alarm auf Fehmarn: Auf der Heimatinsel von Mirko Kaminski sollte ein 15 Hektar großes Industrieareal entstehen. Zusammen mit Anwohnern startete der Chef der Hamburger Agentur Achtung die Initiative "Bewahrt Fehmarn", um gegen die Bebauung vorzugehen. Mit Erfolg: bei einem Bürgerentscheid stimmten 64,5 Prozent der Wähler dagegen. Im Interview mit W&V Online erzählt Kaminski, wie das Projekt gelaufen ist und was man daraus lernen kann.
Herr Kaminski, warum steckt ein Hamburger Agenturchef viel Zeit und Geld in eine Bürgerinitiative auf der Insel Fehmarn?
Fehmarn ist meine Heimatinsel. Ich bin dort geboren und aufgewachsen, war dort unter anderem Vorstand der Landjugend, in der Freiwilligen Feuerwehr und habe für das "Fehmarnsche Tageblatt" geschrieben. Ich hab mich schon immer stark für Fehmarn engagiert. Fehrman liegt mir sehr am Herzen. Meine Familie und ich sind fast jedes Wochenende da. Wir haben da ein Ferienhäuschen. Und ich finde klasse, dass meine Kinder dort einen Teil ihrer Kindheit so erleben dürfen wie ich sie auf Fehmarn erlebte.
Wie haben Sie von dem Vorhaben erfahren? Seit wann läuft die Intitiative "Bewahrt Fehmarn"?
Ein Nachbar hat mir im August vergangenen Jahres erzählt, dass dieses 15 Hektar große Industrieareal entstehen soll. Im September - als schon sehr bald - ist "Bewahrt Fehmarn" an den Start gegangen.
Wie sah Ihr Kommunikationsplan aus?
Kern der Strategie ist von vornherein gewesen, nicht einen geschlossenen Verein zu gründen. Es ging eher darum eine Plattform zu schaffen, die immer mehr Menschen ermuntert und befähigt, sich einzubringen, selbst Aktionen zu starten, einfach selbst etwas zu machen. Außerdem ist "Bewahrt Fehmarn" von vornherein als Marke konzipiert worden. Das Besondere: Es ist nicht die typische Kommunikation einer Wutbürger-Initiative gewesen, sondern eher positive und bewegende Markenkommunikation.
Über 60 Prozent der Fehmeraner haben sich am Ende gegen das Industrieareal entschieden. Als professioneller PR-Mann müssen Sie abschätzen können, wie viel Ihr Einsatz dem Projekt gebracht hat. Wie wäre die Abstimmung also ohne Mirko Kaminski und Achtung verlaufen?
"Bewahrt Fehmarn" ist meine Idee gewesen. Gemeinsam mit anderen auf der Insel habe ich diese dann realisiert. Ohne die Initiative hätte es kein Bürgerbegehren gegeben und daraus folgend auch keinen Bürgerentscheid. Die Kampagne zum Bürgerentscheid ist dann eine echte interdisziplinäre und aktivierende Markenkommunikationskampagne gewesen: Imagefilm, Viralspots, Anzeigen, Medienarbeit, Aktionen, Infostände oder Postwurfsendungen. Gleichzeitig ist sie so effizient und wirksam gewesen, dass man darüber nachdenken müsste, "Bewahrt Fehmarn" beim Effie einzureichen.
Was können andere Bürgerinitiativen davon lernen? Brauche die bessere PR?
Ich glaube, Bürgerinitiativen sollten konstruktiv und für etwas kommunizieren. Nicht destruktiv und gegen so vieles. Und wichtig ist es, eine Marke aufzubauen, die Menschen bewegt und so zu einer Bewegung werden kann. Hinzu kommt, dass Initiativen so professionell kommunizieren sollten wie Marken es tun. Das meint natürlich nicht, dass sie solche Budgets bräuchten. Es meint: professionell zu kommunizieren.
Sie sind nicht der einzige bekannte bekannte Werber, der von der Insel Fehmarn kommt. Thore Jung, der Chef der Lidl-Agentur Freunde des Hauses soll mit Ihnen ja zur Schule gegangen sein. Hat er sich eigentlich auch in die Debatte eingeschaltet?
Thore hat sich von mir immer wieder updaten lassen. Außerdem haben ihm seine Eltern immer wieder Zeitungsartikel über und Zeitungsanzeigen von "Bewahrt Fehmarn" geschickt. Es gibt übrigens noch andere Kreative von Fehmarn: Martin Grass, ein Top-Kreativer der lange bei Grabarz & Partner war, Frank Maaß, Geschäftsführer von Gaastra Deutschland, Bernd Hiss, Inhaber und Chef der Kite-Marke Core, Nick Wilder, lange Zeit als Werbefigur "Herr Kaiser" der Hamburg-Mannheimer (heute Ergo Versicherungsgruppe). Und Oliver Schock, ein freiberuflicher Top-Kreativer, der kurz vor Fehmarn auf dem Festland groß geworden ist. Vielleicht sorgen die langen, kalten Winter, in denen auf Fehmarn nichts los ist, für eine größere Fantasie und Kreativität.
Wird die Initiative bestehen bleiben und sich weiterhin für die Bewahrung von Fehmarn einsetzen?
Ja, "Bewahrt Fehmarn" wird sich weiter für und auf Fehmarn engagieren.
Mit seiner Idee zur Kampagne für Bewahrt Fehmarn hat Kaminski nicht nur in den Medien für Aufsehen gesorgt. Die Initiative ist gleich zwei Mal für den diesjährigen PR Report Award nominiert. Hier der Case-Spot: