
Absagen ist Pflicht!
Die gute Kinderstube gilt überall – vor allem im Bewerbungsprozess. Wer als Jobsuchender seine Arbeitskraft zusagt, dann aber kurzfristig abspringt, weil er zwei Eisen im Feuer hat, der sollte mindestensrechtzeitig abzusagen, meint Personalberaterin Bettina Wengenroth.
Die gute Kinderstube gilt überall – vor allem im Bewerbungsprozess. Wer als Jobsuchender seine Arbeitskraft zusagt, dann aber kurzfristig abspringt, weil er zwei Eisen im Feuer hat, der sollte mindestensrechtzeitig abzusagen, meint Personalberaterin Bettina Wengenroth.
„Ich hab’s mir anders überlegt!“oder wann ist der richtige Moment, abzusagen?
Da waren die Kollegen aber baff: Es war Freitagnachmittag und man stand zusammen, um den Kollegen Marco Bieber-Doerfler zu verabschieden. Es war sein letzter Arbeitstag, denn am Montag sollte er seinen neuen Job bei Bankhaus A antreten. Da bemerkte Bieber-Doerfler plötzlich in die Runde: „Ach übrigens – ich gehe nicht zu Bankhaus A, sondern zur B-Bank.“ Was auf Rückfrage herauskam: Er hatte es zu diesem Zeitpunkt Bankhaus A noch nicht einmal mitgeteilt! Das war unerhört: Ratloses Schweigen in der Runde, einige Kollegen schüttelten den Kopf, zwei drehten sich weg.
Sein vermeintlich künftiger Arbeitgeber erfuhr am selben Abend gegen 18.00 Uhr, dass er seinen Posten nicht antreten würde. Wie konnte es so weit kommen? Marco Bieber-Doerfler war mehrere Jahre Kontakter in einer Münchner Werbeagentur und betreute dort Bankhaus A als Kunden. Nun überlegte er sich seinen nächsten Karriereschritt, und als Bankhaus A einen leitenden Mitarbeiter für die Marketing-Abteilung suchte, kam man ins Gespräch. Beide Seiten kannten sich seit Jahren und vertrauten einander. Interviews wurden geführt, der Vertrag aufgesetzt und von beiden Seiten unterschrieben.
Was niemand wusste: Marko Bieber-Doerfler führte gleichzeitig Verhandlungen mit einem direkten Konkurrenten von Bankhaus A und hatte dort ebenfalls einen Vertrag unterschrieben. Vermutlich besser dotiert – doch was uns hier interessiert, ist sein schwerwiegendes Fehlverhalten gegenüber Bankhaus A.
Ein neuer Mitarbeiter ist eine Investition und wenn sich ein Unternehmen für einen Kandidaten entscheidet, ist das natürlich ein Vertrauensbeweis, gleichzeitig aber auch eine weitreichende wirtschaftliche Entscheidung. Sagt der Kandidat in letzter Sekunde ab, entsteht dem Unternehmen finanzieller Schaden: Die freie Stelle kann nicht besetzt werden, eine neue Suche muss gestartet werden, beides ist mit hohen Kosten verbunden.
Neben der Überprüfung des eigenen Wertesystems, sollte man als Kandidat unbedingt daran denken, dass die meisten Branchen klein genug sind und sich wichtige Akteure untereinander kennen. Und so kann es nicht ausbleiben, dass ein so eklatanter Fall von Vertrauensbruch in Gesprächen die Runde macht. Für Bieber-Doerflers weitere Karriere ist das sicher nicht förderlich.
Wann soll ich absagen? Stellt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für eine Absage. Grundsätzlich gilt: Ein erstes Gespräch ist immer legitim. Ein zweites Gespräch zu führen, ist ebenfalls legitim, wenn echtes Interesse besteht. Wenn aber nach dem zweiten Gespräch das Interesse des Bewerbers nachlässt oder ein anderes Unternehmen ein besseres Angebot macht, dann sollte man direkt absagen. Und auf gar keinen Fall sollte ein Kandidat weiterhin Gespräche führen, wenn er bereits einen Vertrag unterschrieben hat!
Im umgekehrten Fall lässt sich sagen: Wenn ein Unternehmen einen Kandidaten zu lange hinhält, dann kann dieser durchaus anrufen und erwähnen, dass er noch weitere Angebote vorliegen hat. Sinngemäß kann man formulieren: „Eigentlich wäre ich lieber bei euch, aber ich brauche jetzt ein Signal von eurer Seite.“ Profi-Personaler werden das richtig einschätzen und entsprechend reagieren. Sollte sich das Unternehmen allerdings nicht rühren, dann ist damit für den Kandidaten auch die eigene Verbindlichkeit aufgehoben.
Klarheit, Wahrheit, Engagement: Wie so oft, gilt auch hier: Klare Kommunikation bringt Pluspunkte. Es kommt darauf an, in vertretbarer Zeit eine klare Entscheidung zu treffen und dann auch dazu zu stehen. Für beide Seiten ist es wichtig, authentisch und wahrhaftig zu bleiben und den Respekt vor dem Vertragspartner zu wahren.
So banal es klingt, so wahr ist es: Man sieht sich immer mindestens zweimal im Leben.
HR-Beraterin und Coach Bettina Wengenroth arbeitet bei der GK-Personalberatung GmbH in Frankfurt/Main.
Kontakt: Wengeroth@GK-Personalberatung.de, www.GK-Personalberatung.de