Diversity:
AD Girls Club will vom GWA die Quote
In einem offenen Brief stellen die Aktivist*innen konkrete Forderungen an den Gesamtverband Kommunikationsagenturen, die der bei seinen Mitgliedern durchsetzen soll. Der GWA zeigt sich offen.
Sexismus, Gender Gap, keine Chance auf Karriere? Viele Frauen haben genug davon. In einem offenen Brief wendet sich ein Kollektiv von Aktivist*innen, der AD Girls Club, an den Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA, endlich ernst zu machen mit der Gleichstellung.
Wer hinter der Gruppe steckt, ist nicht klar. Kreative vom ADC? Die Initiator*innen lehnen ihre Instagram-Präsenz jedenfalls klar an den alten Auftritt des Art Directors Club für Deutschland an, agieren aber anonym. Unerkannt bleiben die Betroffenen vermutlich ganz bewusst, denn viele dürften Angst um ihren Job haben.
Wir wollen den Wandel
Auf Instagram lassen die Frauen ihrer Wut freien Lauf: "Wir alle haben genug. Genug von Sexismus und weiteren Formen der Diskriminierung. Wir möchten gleiche Chancen für alle und bessere Arbeitsbedingungen - ohne Angst, belästigt zu werden. Wir wollen neutrale Ansprechpartner und striktes Vorgehen gegen jegliche Formen des Sexismus oder der Diskriminierung. Wir wollen Wandel."
Verbunden ist der Aufruf mit der Bitte, den Brief zu teilen, und in den eigenen Agenturen diese Forderungen mit Nachdruck einzuklagen.
Die Punkte lauten wie folgt:
- Eine Frauenquote von 50 Prozent in Managementpositionen
- Die Schaffung von Jobbeschreibungen, um bei Einstellungen und Beförderungen eine höhere Transparenz und Fairness zu schaffen
- Das Einrichten einer Gleichstellungsbeauftragten im Unternehmen
- Die Entwicklung eines Konzepts, das es Frauen* ermöglicht, nach der Schwangerschaft zurück in den Beruf zu gehen und das auch Männern* die Eltern- bzw. Teilzeit ermöglicht.
Damit wollen die Verantwortlichen die Agenturlandschaft gerechter und inklusiver machen. Der GWA stehe in der Pflicht, seine Mitglieder auf diese Standards zu verpflichten. Darauf beständen gerade die jungen Leute, die in Agenturen anheuerten. "Die Generation, die jetzt nachkommt, hat keinen Bock mehr, in einer Industrie zu arbeiten, die so woke ist wie ein CSU-Ortsverein."
Ihre Forderungen untermauern die Aktivist*innen mit einer Umfrage, die sie nach eigenen Angaben bei 650 Frauen in der Kommunikationsbranche durchgeführt haben.
Scholz & Friends gab den Anstoß
Das Feedback auf Instagram ist erwartungsgemäß gut, wenn der Original-Post auch nur verhältnismäßig wenige Leser*innen mobilisiert haben dürfte mit 284 "Gefällt-mir"-Angaben (Stand: 16.10.2020). Inzwischen hat die Sache aber Kreise gezogen. Als Fan der Initiative bekennt sich Vreni Frost, die erst vor Kurzem mitgeholfen hatte, sexistische Umtriebe in der Agentur Scholz & Friends aufzudecken. Ein Artikel dazu war im Wochenmagazin Die Zeit erschienen.
Die Agentur hat inzwischen darauf reagiert und will bis 2022 eine Frauenquote von 50 Prozent auf Managementpositionen erreichen. Gleichzeitig hat sie drei neue Stellen mit Frauen besetzt, die sich der Gleichstellung annehmen sollen. So übernimmt Catherine Gaudry im Partner-Board die Verantwortung für den Bereich "Diversity, Equity & Inclusion". Christiane Stöhr vertritt im Vorstand die Themen Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung. Nele Schnieder betreut als Geschäftsführerin von Scholz & Friends in Berlin "People & Culture"-Themen.
Der GWA begrüßt die Aktion
Larissa Pohl, die im Vorstand des Werberverbands GWA das neu geschaffene Ressort für "Gleichstellung, Diversität & Inklusion" führt, hat dem AD Girls Club noch auf Instagram ein Gespräch angeboten.
Benjamin Minack, Präsident des Verbands, steht ebenfalls voll und ganz hinter den Forderungen der Frauen. "Alles, was sie sagen, ist wichtig für eine moderne Unternehmensführung." Er betont aber, mensch müsse das Thema Diversity viel breiter denken. Neben den berechtigen Belangen von Frauen müssten da immer auch die Interessen von Menschen mit Handicap, People of Colour oder etwa LGBTIQ* einfließen, wie es das Programm von Pohls neuem Ressort vorsehe.
Darin vorgesehen sind Schulungen und Workshops für Agenturen und deren Beschwerdestellen, wenn sich Mitarbeiter*innen entsprechend Paragraph 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes diskriminiert fühlen. Außerdem prüft der GWA die Einrichtung einer externen Beschwerdestelle unter ihrem Dach, etwa in Zusammenarbeit mit einer Non-Profit-Organisation, die psychologische Beratung anbietet.
Pohl will außerdem eine Grundlagenstudie aufsetzen, die anonymisierte Daten von Agenturmitarbeiter*innen wie Alter, Geschlecht, Herkunft, Gehalt, Karrierelevel, Voll-/Teilzeit, Kinder ja, nein, analysiert. Auf dieser Basis könnte der GWA dann einen Aktionsplan mit Zielen festsetzen, deren Erreichung Agenturen zum Erwerb eines Zertifikats berechtigt.
Big Sister is watching you
Der AD Girls Club sieht die Bemühungen wohl, bleibt aber skeptisch: "Wir werden beobachten, ob Worten auch Taten folgen", schreiben sie auf Instagram.