Gruner + Jahr:
50 Jahre "Eltern" - und "große Schlachten"
Die Zeiten der Millionenauflagen sind vorbei, dennoch sind 50 Jahre "Eltern" durchaus ein Magazinerfolg. Das Geburtstagsheft erscheint am 12. Oktoer.
Gewaltfreie Kindererziehung, schulfreier Samstag, moderne Geburtsstationen: "Diese großen Schlachten sind geschlagen", sagt Marie-Luise Lewicki. Dennoch wird die Chefredakteurin der Zeitschrift "Eltern" mit ihrer Gesprächspartnerin an diesem Dienstag anlässlich einer Jubiläumsveranstaltung zum 50. Geburtstag der Illustrierten in Berlin kaum auf Schmusekurs gehen: Mit Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) will Lewicki über das Elternsein in Deutschland reden - "darüber, woran es liegt, dass Eltern ihre Aufgabe heute als besonders anstrengend empfinden", wie aus der Einladung zur Geburtstagsfeier hervorgeht.
Die Geburt der Zeitschrift anno 1966, die Paare von der Schwangerschaft bis zum 3. Lebensjahr des Kindes begleitet, vollzog sich aus einem sich ändernden gesellschaftspolitischen Umfeld heraus. "Die erste Generation junger Eltern, die nicht mehr in der Nazi-Zeit sozialisiert wurde, hat nach neuen Wegen in der Erziehung gesucht - weg vom Autoritären und dem Mief der 50er-Jahre", resümiert Lewicki. Sexuelle Aufklärung und Befreiung, die Einführung der Anti-Baby-Pille in Deutschland, der Blick in Neugeborenen-Stationen brachten Veränderungen. "Daran knüpften sich viele Fragen an und bereiteten den Boden für eine Eltern-Zeitschrift", sagt die Chefredakteurin.
Die Millionen-Auflage am Start ist längst Vergangenheit, die verkaufte Auflage des Heftes aus dem Hamburger Verlag Gruner + Jahr liegt bei 196.843 Millionen Exemplaren (IVW, 1. Quartal 2016) - die Zeitschriftenbranche kämpft seit Jahren gegen rückläufige Auflagen. "Konkurrenz der 'Eltern' findet sich nicht nur auf Websites im Internet, sondern auch in Gestalt von einem Dutzend Gratistiteln mit einer Auflage von 2,7 Millionen Heften im Verbreitungsintervall", erläutert Prof. Andreas Vogel vom Wissenschaftlichen Institut für Presseforschung (WIP) in Köln. Außerdem gibt es nach seinen Angaben am Kiosk weitere 15 Eltern-Titel. "Es ist heute nicht mehr möglich, eine Zeitschrift für alle Eltern zu machen. Und auch das Alter der Kinder segmentiert die Leser nicht mehr hinreichend", gibt der Medienwissenschaftler zu bedenken. Schwierig sei sicherlich, Familien mit Migrationshintergrund zu erreichen.
Chefredakteurin Lewicki zieht für das laufende Jahr positive Bilanz: "Wir haben ein richtig gutes Jubiläumsjahr und sind weiterhin profitabel mit unseren Produkten." Preiserhöhungen von 70 Cent auf 3,90 Euro bei "Eltern" und von 1,00 Euro auf 4,20 Euro beim Schwestertitel "Eltern Family" im vergangenen Jahr hätten sich durchgesetzt.
Seit 1998 spielt die Marke bereits im Internet mit und hat mit E-Magazin (Auflage: 4213) und Smartphone-Ausspielungen ihr Angebot ausgeweitet. 2,56 Millionen Nutzer (Unique User) lassen sich über Schwangerschaft, Stillen und Spielzeuge aufklären - und tauschen sich in Foren darüber aus. "In Summe erreichen wir mehr Menschen, als wir jemals unter dieser Marke erreicht haben", sagt Lewicki. "Auch in fünf Jahren wollen wir noch sorgfältig erarbeitete Informationen für Eltern verbreiten - über die Kanäle, die es dann gibt." Das Geburtstagsheft zum 50. (EVT: 12.10.) legt schon mal los: "Elternsein 3.0 - Wie digitale Medien unseren Alltag verändern."
Und auch der Familienministerin will Lewicki, seit mehr als 25 Jahren in der Redaktion und selbst Mutter eines erwachsenen Sohnes, einen Anstoß geben: "Die Zeiten der Fürsorge für Kinder oder die eigenen alten Eltern sinnvoll - und abgedeckt durch eine soziales Grundeinkommen - in einen Lebenslauf bis zum Rentenbeginn zu integrieren, das wird gesellschaftspolitisch die zu lösende Aufgabe sein. Jetzt ist die Gelegenheit", ist Lewicki überzeugt. "Zeit für das Aufziehen von Kindern ist für junge Leute ein viel entscheidenderer Faktor als Geld und Karriere", weiß die Blattmacherin nicht zuletzt aus den alljährlichen Forsa-Umfragen der Zeitschrift zu Sorgen und Nöten von (werdenden) Eltern. (W&V Online/dpa)