Kritikpunkte von Markables:
10 Gründe, warum Markenwertrankings Unsinn sind
Empirische Schwächen, oberflächliche Recherchen und keine gesunde Fehlerkultur: In einem Positionspapier von Markables müssen Firmen, die Markenwertrankings anbieten, harte Kritik einstecken.
„Ist die Kritik an Markenwertranglisten angebracht?”
"Beim Schreiben ist uns erneut klar geworden, wie dreist diese Listen eigentlich sind, und wie gutgläubig und naiv die interessierte Öffentlichkeit dabei ist", sagt Christof Binder, Managing Partner bei der Trademark Comparables AG, zu der auch die Plattform Markables gehört. Markables bietet Daten, Studien und Statistiken rund um Marken an – und ist bereits seit einigen Jahren auf Kriegsfuß mit Unternehmen wie Interbrand und Millward Brown, die regelmäßig Markenwertranglisten veröffentlichen.
In einem neuen Positionspapier gibt Markables eine Übersicht, warum solche Ranglisten aus ihrer Sicht Unsinn sind. W&V-Autor Ben Krischke fasst zentrale Kritikpunkte zusammen.
1. Markenwertranglisten sind zu oberflächlich
Eine unbezahlte Valuation von außen kann nie so exakt und fundiert sein, wie die Bewertung einer Marke, die auf Insider-Informationen, tiefgehende Analysen und festen sowie transparenten Standards beruht. Kurzum: Qualitativ hochwertige Analysen kosten (viel) Geld und brauchen Zeit.
2. Die Ergebnisse sind unterschiedlich
Die erste Markenwertrangliste veröffentlichte Interbrand im Jahr 2000 unter dem Titel "Best Global Brands". Mit der Veröffentlichung war dem Unternehmen nicht nur Aufmerksamkeit sicher. Auch andere Firmen stiegen in den Wettbewerb ein und fingen an, ihrerseits Markenwertrankings zu veröffentlichen. Laut Markables gab es sechs Jahr später bereits 22 verschiedene Markenwertranglisten, die alle zu unterschiedlichen Bewertungen kamen.
3. Markenwertrangliste versus tatsächlichem Verkaufspreis
Wären Markenwertranglisten eine Abbildung der Realität, so müssten sich die darauf angegebenen Markenwerte zumindest ansatzweise mit den realen Summen decken, die beim Verkauf von Firmen und Marken bezahlt wurden, die bereits auf solchen Rankings auftauchten. Diverse Untersuchungen haben allerdings gezeigt, schreibt Markables, dass die theoretischen Markenwerte teilweise geradezu extrem von den realen Verkaufssummen abgewichen sind.
4. Keine einheitlichen Standards und keine gesunde Fehlerkultur
Eine zentrale Aufgabe von qualitativen Untersuchungen ist es, die eigenen Methoden permanent zu hinterfragen. Durch eine stetige kritische Evaluation werden Untersuchungen besser, Fehler ausgebügelt und Standards im Sinne möglichst genauer Ergebnisse überarbeitet oder weiterentwickelt. Genau das, so Markables, finde bei Markenwertranglisten aber nicht statt. Man halte stattdessen an offensichtlichen methodischen Fehlern fest und habe es bis heute nicht geschafft, sich auf gemeinsame, vergleichbare Standards zu einigen.
5. Falsche Einschätzungen haben keine Konsequenzen
Markenwertranglisten erheben den Anspruch, Marken zu bewerten. Jede Bewertung kann allerdings Folgen für die Marke oder die Firma haben. Wird eine Marke beispielsweise zu niedrig bewertet, kann das dazu führen, dass ihr Wert tatsächlich sinkt. Zum Beispiel durch Aktienverkäufe als Reaktion auf Markenwertrankings oder dadurch, dass die Ergebnisse der Markenwertranglisten in Übernahmeverhandlungen einfließen. Für die Firmen hinter den Ranglisten hat das jedoch keinerlei Konsequenzen.
6. Der Schuster bleibt nicht bei seinen Leisten
Die Vielzahl der Rankings und die großen Diskrepanzen zwischen ihnen, führten zu einem Vertrauensverlust bei Firmen und Beobachtern. Als Reaktion darauf wandere die "Markenwertranglisten-Karawane", wie Markables schreibt, teilweise einfach weiter: Von B2C- zu B2B-Marken, von stabilen Ländern zu Entwicklungsländern, und von globalen Rankings zu Länder- oder Regionen-Rankings. Kurzum: Der Schuster bleibt nicht bei seinen Leisten, sondern will expandieren und künftig auch Tische schreinern, Häuser bauen und Stromleitungen verlegen, obwohl er gar kein Experte auf diesen Gebieten ist. Das Ergebnis, um im Bild zu bleiben: Pfusch am Bau.
7. Die besten Ergebnisse werden publiziert, die anderen ignoriert
Es gehört zum Basishandwerk von PR-Abteilungen, jene Meldungen und Studien zu publizieren, die die eigene Firma oder Marke in besonders gutem Licht erscheinen lassen. Aus einer Reihe von Markenwertranglisten picken sich PR-Abteilungen folgerichtig die für sie besten Ergebnisse heraus und vermelden sie. Da es eine ganze Reihe von Markenwertranglisten gibt, finde man, schreibt Markables, immer irgendwo etwas "Positives", das man berichten kann.
8. Vermeintlich starke Marken werden empfohlen, stabile allerdings nicht
Firmen, die Markenwertranglisten anbieten, vermitteln den Eindruck, dass brandgetriebene Investitionen genauso gut und sinnvoll seien wie Investitionen aus anderen Gründen. Nur, weil ein Markenwert besonders hoch ist, heißt das aber noch lange nicht, dass es gleichzeitig sinnvoll wäre, in diese Marken zu investieren. Komplett außen vor bleiben so außerdem Marken, die nicht hoch bewertet sind, aber dafür stabil und konstant steigen, was zu weniger risikoreichen Investitionen führen würde.
9. Ein gute Listenplatz kann auch zu Problemen führen
"Ticking Tax Bombs", also tickende Steuerbomben, nennt Markables die Markenwertranglisten. Denn obwohl sich die Verantwortlichen hinter gut gelisteten Marken natürlich über ihre Bewertung freuen, kann diese sogar zu Problemen führen und einen "Boomerang-Effekt" auslösen. Die meisten Marken, die auf solchen Listen stehen, operieren weltweit in verschiedenen Ländern mit verschiedenen ökonomischen Voraussetzungen und völlig unterschiedlichen Steuersystemen. Sind die Marken in den Ranglisten besonders positiv bewertet, kann das, je nach Steuersystem, dazu führen, dass etwas Steuervorauszahlungen die eigenen finanziellen Möglichkeiten komplett übersteigen. Oder bei den Behörden kommen Zweifel auf, dass Unternehmen tatsächlich alle Einnahmen versteuern.
10. Markenwertranglisten schüren Konflikte zwischen Finance und Marketing
Die Beziehung zwischen Marketing und Finance ist nicht immer leicht. Firmen, die Markenwertrankings anbieten, machen sich die natürlichen Konflikte der beiden Parteien zunutze und vermitteln den Eindruck, Marketing könnte komplett oder teilweise auf seinen natürlichen Feind verzichten, da sie die wahren Brand-Experten seien. Deshalb bräuchte man die ungeliebten Buchhalter und Finanzabteilungen nur bedingt oder gar nicht. Etwa bei neuen Investitionen: Man müsse ja nur einen Blick auf die Rankings werfen, um abschätzen zu können, ob sich eine Investition tatsächlich lohnt. Angesichts der empirischen Schwächen und Fehlern, unter denen Markenwertranglisten leiden, kann das im Extremfall sogar existenzbedrohende Folgen haben.