Thinking on Design:
"Zero Waste": Wie geht Verpackungsdesign ohne Plastik?
Wie geht man als Agentur, die Verpackungsdesign macht, mit dem Thema Verpackungsvermeidung um? Indem man sich mit nachhaltigen Lösungen beschäftigt, sagt W&V-Designkolumnist Norbert Möller.
Wir hatten vor ein paar Tagen unser Sommerfest. Ein ungezwungenes, familiäres Fest auf einem innerstädtischen Sportplatz, glücklicherweise bei passendem Wetter. Auch in diesem Jahr hatten sich die vorbereitenden Kollegen ein Motto ausgedacht: nicht Mexiko, keine Olympiade – stattdessen hieß es diesmal: „Zero Waste“. Dies führte soweit, dass der Grillmeister zu guter Letzt zum Mikrofon griff und uns erklärte, wie er das Grillgut vom Erzeuger bis auf unsere Porzellanteller gebracht hat, ohne dass es auf diesem Weg auch nur einmal in Plastik eingeschweißt wurde. Chapeau.
Den kreativen Blick in eine andere Richtung lenken
Ich dachte mir: Auf viele Menschen muss das ganz schön schizophren wirken, wenn eine Agentur, die sich mit Verpackungsdesign beschäftigt, unter dem Zeichen der Verpackungsvermeidung feiert. Aber doch liegen beide Themen sehr eng zusammen: Wer sich mit Verpackungen beschäftigt, denkt eben auch über Produktionsprozesse nach, über die Optimierung von Ressourcen und darüber, welche Massen Folien und Hüllen durch die eigene Arbeit entstehen. Obendrein ist Verpackungsvermeidung auch ein Thema, das viele Kunden interessiert – nicht nur aus umweltpolitischer Verantwortung, sondern um Geld zu sparen. Ein Thema wie „Zero Waste“ hilft dabei, sich mit dem eigenen Schaffen kritisch zu beschäftigen. Und gleichzeitig den kreativen Blick in eine andere Richtung zu lenken.
Ich fühlte mich zum Beispiel sofort an einen Beitrag auf der Boston Designkonferenz - der „How Design Live“ - erinnert. Es gab dort großartige Vorträge und Performances, von Agenturikonen und Entertainern. Die amerikanischen Kollegen beherrschen die Show einfach par excellence. Wenn ich aber an die viertägige Veranstaltung denke, hat sich mir im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig ein bescheidener Vortrag von Paul Foulkes-Arellano eingebrannt.
Plastik-Recycling als nachhaltiger Kreislauf ist eine Illusion
Sein Thema: Die Welt verbraucht 40 Prozent des hergestellten Plastiks für Verpackung und fast die Hälfte davon für Lebensmittel und Getränke. Das sind alles Einwegmaterialien. Es ging ihm nicht darum, das Material Plastik in anderen Bereichen in Frage zu stellen, sondern eben dann, wenn es für Verpackungsmaterialien eingesetzt wird, die nach ihrer Nutzung entsorgt werden. Außerdem wies er darauf hin, dass Plastik-Recycling als nachhaltiger Kreislauf eine Illusion sei: Das Meiste wird zur Energiegewinnung verbrannt, aus dem Restlichen kann kein Hightech-Kunststoff mehr entstehen, sondern es wird eher zu Granulaten für die Bauindustrie verarbeitet. Und das passiert auch nur in den entwickelten europäischen Ländern. Weltweit gesehen spielt Recycling eigentlich keine große Rolle. Wo die Plastikmaterialien sonst landen, zeigt uns die dramatische Entwicklung in den Weltmeeren auf, die mittlerweile zu gigantischen Müllkippen geworden sind.
Das Ziel: ein plastikfreier Gang in jedem Supermarkt
Paul beschäftigt sich mit dem Thema schon seit 30 Jahren. Er gehört zur Initiative „A Plastic Planet“. Das Ziel dieser plastikfreien Bewegung ist ganz pragmatisch, in Supermärkten einen plastikfreien Gang zu schaffen. Schließlich gibt es mittlerweile schon einige Ersatzmaterialien für Plastik, aus Holz – Lignin – und Zellulose. Statt 500 Jahren brauchen diese nur drei Monate, um sich zu zersetzen. Das einzige Problem: Sie sind aktuell noch dreimal so teuer. Dennoch ermuntert Paul uns Designer in seinem Beitrag, darüber nachzudenken, wie wir mit alternativen Materialien nachhaltigere Verpackungen schaffen können.
Wie wirken sich neue Materialien auf die Ästhetik der Warenpräsentation aus?
Noch ein anderer Punkt ist aus Gestaltersicht natürlich interessant: Nämlich die Frage, wie sich neue Materialien oder auch der Verkauf unverpackter Lebensmittel auf die Ästhetik der Warenpräsentation auswirken. Viele Produkte, die ihre Natürlichkeit hervorheben, spielen mit matten Materialien und Naturpapieren. Für Unverpackt-Shops scheint zudem der Code zu gelten, dass ausschließlich Holzregale, natürliche Böden und mit Kreide beschriebene Schiefertafeln verwendet werden. Die Intention dahinter ist klar: Hier spielen die Farben der Lebensmittel die Hauptrolle.
Interessant ist aber, dass nicht nur die Ladengestaltungen reduziert sind, auch die Brandings vieler Shops sind sehr monochrom. Genau in diese Welt passt auch das Typogramm „Plastic Free“, das „A Plastic Planet“ zusammen mit der niederländischen Bio-Supermarktkette Ekoplaza entwickelt hat (siehe Abbildung unten): Die Kennzeichnung greift durch die Anordnung ihrer Buchstaben die Form einer Verpackung auf und sieht dabei so zeitgemäß und cool aus, das man mit ihr nicht nur einen Gang im Supermarkt beschildern, sondern auch T-Shirts bedrucken könnte. Wenn man sich also die Frage stellt, wie Design und Zero Waste zusammenkommen, könnte dies schon eine Antwort sein.