Peter M. Endres:
"Wir machen es einfach": Warum bei Ergo Direkt der Chef selbst wirbt
Der Chef als Testimonial? Kann funktionieren. Aber in der Versicherungsbranche? Mit Spots hart an der Klamaukgrenze? Peter M. Endres von Ergo Direkt macht es einfach. Unser Autor Karsten Lohmeyer hat mit dem kultigen TV-Versicherer über Chancen und Risiken der Selbstvermarktung gesprochen.
Wer an Ergo Direkt denkt, denkt an Peter Martin Endres. Der 59-Jährige ist nicht nur der Vorstandsvorsitzende des Direktversicherers, sondern auch das Markengesicht. In der charmant-irrwitzigen TV-Werbung spielt er sich selbst – als den Mann, der das Unmögliche möglich macht. "Wir machen es einfach", ist sein Spruch, mit dem er schon so etwas wie Kultstatus erreicht hat. Wir wollten von ihm wissen, warum er sich so prominent in Szene setzt und selbst zur Marke macht.
Herr Endres, es gibt Sie ja wirklich!
Ja, das höre ich oft. Ich werde zum Beispiel häufig am Flughafen angesprochen.
… und dann denken die Leute, Sie sind ein Schauspieler, so wie damals Ihr Kollege Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer?
Nein, die meisten Leute können sehr wohl unterscheiden und wissen, dass ich kein Schauspieler bin.
Wieso haben Sie keinen Schauspieler für Ihre Werbekampagne engagiert?
Weil es persönlich, wahr und authentisch ist – und genau das, was wir als Direktvertrieb brauchen. Im Gegensatz zu den anderen Versicherern der Ergo Gruppe haben wir ja keine Außendienstmitarbeiter mit direktem Kundenkontakt. Da ist es besonders wichtig, dass es ein Gesicht der Firma gibt.
Außerdem wird in unserer Branche gerne kopiert. Also haben wir gesagt: "Wir nehmen etwas, das man nicht kopieren kann." Und das bin ich. Ich bin der Kopierschutz für unsere Marke.
Was bewirkt Ihre Bekanntheit beim Kunden?
Wenn Kunden sich beschweren, dann richten sie zum Beispiel ihre Schreiben oft an mich – und dann bekommen sie auch von mir persönlich eine Antwort. Übrigens auch, wenn wir gelobt werden.
...was in der Versicherungsbranche heutzutage sicher nicht so oft vorkommt.
Das ist richtig. Ich als Chef stehe für alles gerade, was schief läuft, aber auch gut geht. Und allein in diesem Jahr haben wir bereits knapp 600 Lobbekundungen erhalten.
Ist es nicht auch gefährlich, als Gesicht so für die Marke Ergo Direkt zu stehen? Immerhin sind Sie mit fast 60 Jahren nicht mehr ganz so weit vom Rentenalter entfernt. Gehen Sie in Rente geht auch die Marke in Rente...
Nein, dann kommt ganz einfach das nächste Gesicht. Die Versicherung gibt es schon seit 30 Jahren und hatte schon drei Gesichter. Wenn ich gehe, wird es eben ein viertes geben. Die Leute verstehen auch, dass ich kein Claus Hipp oder Wolfgang Grupp bin. Aber wie viele Manager stehen heute schon mit ihrer Person für ihr Unternehmen ein?
Hatten Sie dafür Schauspielunterricht?
Ich hatte einen Coach, der mir ein paar elementare Dinge beigebracht hat, die auch nützlich sind, wenn ich Vorträge halte. Die meisten Firmenchefs wirken bei öffentlichen Auftritten oft nicht authentisch, ich versuche normal zu sein. Ich bin kein Schauspieler, und das merken die Leute auch, wenn sie mich treffen. Ich bin dann genauso wie in der Werbung.
Macht es Ihnen Spaß, vor der Kamera zu stehen?
Ja, ich gebe zu, es macht mir auch Spaß. Ich bin ja gelernter Fotograf und war schon immer kameraaffin. Und wenn eine Tätigkeit Freude bereitet, dann macht man sie auch gut.
Mal ganz ehrlich: Die Ergo-Direkt-Werbung kommt mir oft klamaukig und überzogen vor, mit wirren Professoren und Zeitmaschinen – kann das nicht auch einen negativen Effekt auf die Marke haben?
Nein, denn es ist ja nicht reiner Klamauk. Ja, man kann schmunzeln, aber es enthält einen wahren Kern, den die Leute verstehen.
Welchen Kern?
Zum Beispiel bei unserem Tarif "Zahnersatz sofort": Die Versicherung zahlt sofort – und bei unserem Produkt sogar auch dann, wenn noch gar keine Prämie bezahlt wurde. Der Kern ist nicht witzig, aber überraschend und neu. Auch das ist ein Kopierschutz.
Aber ein bisschen verrückt ist die Werbung doch...
Wir machen unsere Arbeit, aber wir wollen auch Spaß haben und haben nichts gegen einen Auftritt, der die Zuschauer zum Lachen bringt. Ich wünsche mir zum Beispiel, dass meine Mitarbeiter morgens quasi betrunken vor Freude zur Arbeit kommen und sehen, dass auch ihr Vorstand ein ganz normaler Mensch ist. Stellen Sie sich vor sie schleichen morgens in die Arbeit und hoffen es ist bald 16 Uhr...
Die Mitarbeiter haben offensichtlich Spaß – und die Kunden auch. Aber wirkt Ihre Werbung auch?
Ja, da bin ich ein völlig realistischer Controller. Mir kommt es sehr darauf an, dass wir die Zuschauer zu messbaren Reaktionen bewegen. Wir sehen das an den Anrufen bei unserer Telefonhotline und den Abrufen auf unserer Webseite.
Können Sie Zahlen nennen?
Vor kurzem haben wir den Werbefilm "Adams Lächeln" auf Youtube veröffentlicht. Mit annähernd fünf Millionen Klicks ist das mehr als ein Achtungserfolg. Und wenn sie die rund 500 Kommentare lesen, dann sind 450 bis 480 positiv. Viele sagen: "Das ist die erste Werbung, die ich mir bis zum Ende angesehen habe."
Ich habe mir den Film angesehen. Er ist ja sehr künstlerisch und ziemlich lang für eine typische Werbekampagne...
Ja, es gibt sowohl eine Kurzform fürs TV als auch eine Langform für Youtube. Wie gesagt, die Zahlen sind sehr erfreulich und bilden für mich eine Basis, um unseren Mediaeinsatz auf Dauer zu optimieren.
Was gibt es zu optimieren?
Wir haben ja ein Low Interest Produkt, denn kein Mensch beschäftigt sich freiwillig mit Versicherungen. Ich muss also Appetit machen, dafür ist Werbung da. Und Appetit machen bedeutet heute, dass die Leute vor dem Fernseher zu ihrem mobilen Gerät greifen und gleich auf unsere Angebote gehen.
Wofür wollen Sie als Markengesicht von Ergo Direkt in den Augen der Kunden stehen?
Zunächst einmal für unser Leitbild "Versichern heißt verstehen", das wir gemeinsam mit Ergo haben, und dann insbesondere für Einfachheit. Außerdem wollen wir uns bewusst als Innovationslabor von Ergo profilieren. Wir sind eine kleine Einheit, die vieles ausprobieren kann, innovativ, schnell und überraschend. Wenn wir das gleiche machen würden wie die Außendienstvertriebe, würde eins und eins wieder eins ergeben. So ergibt es etwas mehr als zwei. Das ist klug für die ganze Gruppe.
Wenn man mit einem Ergo-Vorstand spricht, muss man auch über den Budapest-Skandal sprechen. Hat er auch die Marke Ergo Direkt getroffen?
Der Kunde ist natürlich geneigt, Ergo und Ergo Direkt zu verwechseln, es ist ja eine Firma. Natürlich hat der Skandal der ganzen Ergo Gruppe nicht genutzt und auch wir hatten ein paar verärgerte Anrufe. Andererseits haben uns etwa vier Millionen Kunden über Jahre erlebt und uns ihr Vertrauen geschenkt. Das ist eine Basis, die hilft, zu erklären, dass es Fehler gibt und Dinge passieren, die man besser nicht gemacht hätte. Wir haben ja auch die Konsequenzen aus den Vorkommnissen gezogen und Maßnahmen ergriffen.
Gibt es eigentlich schon die nächste Innovation von Ergo Direkt?
Ja, es wird sich um das Thema Pflege drehen. Da haben wir uns auch schon ein schönes Wort überlegt, das ich aber noch nicht verraten möchte. Aber es wird wieder einen interessanten Film geben, den man sich gerne auf Youtube anschaut. Und das ist wichtig, denn wir sind ja eine Branche, die eine Dienstleistung anbietet und keine Waschmaschinen verkauft. Bei uns sind die Mitarbeiter das wichtigste. Wenn sie begeistert sind, sind es auch die Kunden.
Apropos Mitarbeiter: Sieht man die eigentlich auch in den Werbefilmen?
Nein. Das sind professionelle Schauspieler und Statisten. Es muss am Set schlank und schnell zugehen, sonst treiben wir den Regisseur in den Wahnsinn.
Wäre es nicht eine Idee, die Statistenrollen mit Mitarbeitern zu besetzen? Quasi als Incentive für besonders gute Leistungen…
So weit sind wir noch nicht. Aber es ist eine gute Idee. Ich will jetzt nicht gleich wie in der Werbung sagen "Wir machen es einfach". Aber das können wir ja prüfen.
Die Gesprächspartner:
Peter M. Endres, ist seit ist seit 2003 Vorstandschef der heutigen Ergo Direkt Versicherungen (früher Karstadt-Quelle-Versicherungen). Seit 2011 tritt er auch in Werbespots des Unternehmens auf. Dabei arbeitet Endres mit der Berliner Werbeagentur Aimaq von Lobenstein zusammen.
Markenschau-Autor Karsten Lohmeyer ist Journalist und Gründer des Medienblogs Lousy Pennies. Der folgende Hinweis ist ihm und uns wichtig: Karsten Lohmeyer ist Teilhaber der Corporate-Publishing-Agentur Hagen+Pollmeier, die unter anderem auch ein Mitarbeitermagazin für eine andere Ergo-Organisation erstellt. Er steht in keinerlei finanzieller Abhängigkeit zu Ergo Direkt.