
Susanne Marell zu Dieselgate:
"Wie kann man Tierversuche ablehnen und sie gleichzeitig durchführen?"
Edelman-Ergo-CEO Susanne Marell hält zwar Entschuldigungen für ein geeignetes Krisen-PR-Mittel. Doch im Fall Volkswagen hilft wohl auch diese Taktik nichts mehr.

Foto: Edelman Ergo Deutschland
Nach der massiven Kritik an umstrittenen Diesel-Abgastests mit Affen mehrerer deutscher Autobauer in den USA will Volkswagen künftig auf Tierversuche verzichten, wie das Unternehmen offiziell verlauten ließ. Auch die anderen Beteiligten gingen auf Distanz zu der von ihnen finanzierten Forschungsvereinigung EUGT. Susanne Marell, CEO der Agentur Edelman Ergo, sieht die Marken in einer tiefen Glaubwürdigkeit-Krise.
Über Tierversuche diskutiert die breite Öffentlichkeit nur selten. Der Fall VW bringt wieder das Thema auf die Agenda. Wie sollte man denn als Marke mit so einer Negativ-Welle umgehen?
Tierversuche sind seit Jahren ein sehr emotional aufgeladenes Thema. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, wieso VW nicht transparent darüber kommuniziert hat – und nun diesem Shitstorm ausgesetzt ist. Dieses Beispiel zeigt wieder, dass niemand das "große Ganze" im Blick hatte. Jede Abteilung macht ihre Arbeit und es wird nicht weiter nachgedacht, welche Konsequenzen bestimmte Handlungen haben können. In so einem Fall kann man erst einmal nichts weiter tun, als sich aufrichtig dafür zu entschuldigen.
VW sagt jetzt zum Beispiel, man lehne Tierversuche ab und entschuldigt sich. Entschuldigungen gab es bereits am Beginn der Diesel-Affäre. Wie oft kann man sich als Unternehmen entschuldigen, ohne dass es irgendwann unglaubwürdig wirkt?
Wie kann man Tierversuche ablehnen und sie gleichzeitig durchführen? Das ist doch ein Widerspruch in sich. Die Ergebnisse des Edelman Trust Barometers 2018 zeigen einen dramatischen Absturz in die Automobilbranche. Die Glaubwürdigkeit von Automobilherstellern – und damit ganz klar auch von VW – ist quasi nicht mehr vorhanden. Da bringt auch mehrmaliges Entschuldigen nichts – das Vertrauen ist am Boden. Wie schwer es wieder herzustellen ist, sehen wir an der Finanzbranche, deren Vertrauen nach der Finanzkrise immer noch geschwächt ist.
Mal abgesehen von solchen "Skandalen". Kann man eine öffentliche Debatte über Tierversuche als Unternehmen überhaupt ohne Aufschrei führen? Eine beliebte Taktik im Vorfeld – vor so einer Enthüllung – ist die Strategie "totschweigen".
Nein, das kann man ganz klar nicht. Gegen Tierversuche zu sein ist Ausdruck einer Wertehaltung – deswegen muss man immer mit einem Aufschrei rechnen. Für Unternehmen und Marken ist es keine Option, solch ein Thema totzuschweigen. In unserer heutigen digitalen Welt kommt früher oder später alles ans Licht. Unternehmen sollten lieber offen und ehrlich kommunizieren – um solch einen Skandal gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Es gibt sogar eine Website "Tierversuche verstehen" – eingerichtet von deutschen Forschern. Ist eine solche Initiative ein kluger Schachzug?
Wie ich schon gesagt habe, ist "Gegen Tierversuche zu sein" ist eine Wertehaltung und ein sehr sensibles Thema für viele Menschen. Es ist sicher gut und wichtig, dass es eine Website wie "Tierversuche verstehen" gibt, da sie der Aufklärung dient, Fakten darstellt und Dinge in einen Kontext stellt. Aber die Menschen leben heute in ihrer eigenen Filterblase und ignorieren oftmals Fakten, die ihrer Meinung nicht entsprechen. Diese Menschen erreicht man dann auch nicht mit einer Website – so gut sie auch gemacht ist.
Wissenschaftler geraten durch diese Presseberichte ins Kreuzfeuer, da dadurch den Konsumenten auffällt, dass Unternehmen Forschung finanzieren, die lukrativ für sie ist. Sollte eine Marke - in Sorge um das gute Image – nur Wissenschaftseinrichtungen sponsern, die gar nichts mit dem eigenen Geschäftsfeld zu tun haben?
Bei jeder Art von Sponsoring oder Kooperation muss es in erster Linie um einen Werte- und Prinzipien-Check gehen – unabhängig davon, ob sie im direkten Geschäftsfeld liegen oder außerhalb. Das ist der Kern des Ganzen. Wenn Handlungen im Einklang mit den Unternehmenswerten stehen, kann man glaubwürdig darüber sprechen und so Vertrauen in das eigene Unternehmen aufbauen.
*Seit 2012 ist Susanne Marell CEO von Edelman Ergo Deutschland. Sie ist zudem Mitglied des Europäischen Executive Teams von Edelman. Marell war vor ihrem Agenturjob jahrelang auf Kundenseite tätig - unter anderem in der Pharma- und Chemieindustrie.