
"Widerliche Geschenkorgie"?: Media Markt-Werbung entfacht Shitstorm
Im Web formiert sich massiver Widerstand gegen den Media-Markt-Slogan "Weihnachten wird unterm Baum entschieden". Während einige Christen zum Boykott aufrufen, reagieren andere jedoch gelassen. Und entdecken sogar eine Portion Wahrheit in den Spots.
Kreischende Kinder, die Geschenkpapier auseinanderfetzen, Menschen, die vor Freude außer Rand und Band sind: Solche wilden Szenen aus den Weihnachtsspots von Media Markt werden sich am 24. Dezember in vielen Wohnzimmern abspielen. Konsum regiert den Advent: Die Fußgängerzonen sind definitiv voller als die Kirchen. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - sorgt die aktuelle Weihnachtskampagne des Elektronikhändlers Media Markt und seiner Agentur Ogilvy & Mather für massive Proteste, vor allem bei christlichen Gruppen.
Tausende protestieren im Web gegen die "Verhöhnung christlicher Werte". In Anlehnung an den Slogan "Weihnachten wird unterm Baum entschieden" hat sich auf Facebook die Protestgruppe "Weihnachten wird in der Krippe entschieden" gebildet, die zu einer "gemeinsamen Veranstaltung" am 24. Dezember aufruft und der bereits 19.000 Fans ihre Solidarität bekundet haben. Die Kirchenjugend in Bayern kündigt Protestaktionen an unter dem Motto "Weihnachten wird unterm Stern entschieden". Katholische Geistliche rufen zum Kauf-Boykott auf.
„Wenn Weihnachten nur durch Geschenke unterm Baum entschieden wird, dann wird das menschliche Miteinander auf einen bloßen Warenaustausch reduziert“, kritisiert der evangelische Ingolstädter Dekan Thomas Schwarz gegenüber dem evangelischen Pressedienst epd. Mit dem Werbeslogan würden Menschen verletzt, die aus finanziellen Gründen keine Geschenke machen können. Der württembergische evangelische Rundfunkpfarrer Andreas Koch wird im Web noch deutlicher: „Heiligabend 2011 als widerliche Geschenkorgie im Kreis der Lieben: Ich fass' es nicht!.“ Auch kreativer Protest regt sich: Laut epd hat der Düsseldorfer Designkünstler Heinrich Brandt ein Gegenplakat entworfen, das eine Bettlerin zeigt und den Werbespruch "Ich bin doch nicht blöd" des Konzerns aufgreift. Bei Facebook werden Media-Markt-Plakate verfremdet.
Media-Markt wehrt sich gegen die Vorwürfe, es würde in seiner Werbung religiöse Symbole und das christliche Fest herabwürdigen. "Wir sind davon überzeugt, dass unsere aktuellen Werbespots nicht als eine solche Herabwürdigung verstanden werden können", sagte eine Unternehmenssprecherin gegenüber epd. "Uns ist bewusst, dass unsere Spots nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtereignis des Weihnachtsabends zeigen und wir den eigentlichen Anlass des Weihnachtsfestes, die frohe Botschaft von Jesu Geburt, nicht vollumfänglich darstellen können."
Der Slogan werbe für die "Weihnachtspreisgarantie", bekräftigt eine Sprecherin auch gegenüber W&V Online. Diese garantiere, dass Kunden von Rabatten nach dem Weihnachtsfest profitieren und deshalb nicht zu Gutscheinen greifen müssen. Das sei aber offenbar von vielen nicht verstanden worden. Es sei nicht gemeint gewesen, Weihnachten nur auf das Schenken zu reduzieren. Die Freude am Schenken stehe im Vordergrund. "Unbeabsichtigt haben wir aber offenbar eine tiefergehende Diskussion angestoßen", so die Sprecherin. Die Werbekampagne soll fortgeführt werden. "Wir beobachten die Diskussion."
Auch einige Kirchenvertreter reagieren gelassen. Etwa der Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland, Jens Peter Iven: "Es ist doch wohl nicht zu bestreiten, dass sich viele Menschen zum Weihnachtsfest Plasmafernseher, Smartphones oder iPads schenken", sagt er epd. Viele von denen würden trotzdem an Heiligabend in die Gottesdienste kommen. Dort könne er den Menschen dann "gleich sagen, dass die Media-Markt-Werbung stimmt", fügte Iven hinzu: "Weihnachten wird tatsächlich unterm Baum entschieden - da steht bei uns in der Kirche die Krippe mit dem Kind, das Freude und Liebe bringt."
"Keep cool", so lautet auch die Empfehlung in einem Kommentar von Ursula Ott, Chefredakteurin von evangelisch.de. "Es ist nur Werbung! Hallo, und ich finde sie tatsächlich witzig. Weil sie kreativ spielt mit der Angst, die wir – vor allem wir Eltern - alle haben. Wird mich mein Kind noch lieben, auch wenn es am 24. nicht die Playstation unterm Baum findet? (...) Wird das Kind – welch Horror – den geschiedenen Vater für immer an Platz eins im Kinderherz rücken? Weil der im Wettrüsten unterm Weihnachtsbaum gewonnen hat? Liebe evangelische Mitchristen, keiner von uns ist so ganz gefeit vor diesem hässlichen, miesen, kleinen Gefühl. Ob ich mir Liebe doch kaufen kann? Und deshalb fühlen wir uns ein bisschen ertappt von dem – wie ich meine – ironischen Spruch." Auch mancher User schlägt sich auf die Seite von Media-Markt. Einer schreibt: "Ich finde eure Werbung klasse. Ich verschenke gerne und wenn sich der Beschenkte so freut, wie bei Euch im Spot, dann war es für mich ein gelungenes Weihnachten!"
Media Markt hat mit der polarisierenden Kampagne offensichtlich einen Nerv getroffen und stößt vielleicht eine Grundsatzdiskussion über die Bedeutung von Weihnachten in einer konsumorientierten Gesellschaft an. Aber als wirtschaftlich denkendes Unternehmen darf es einfach nur für seine Produkte und Services werben. Auch in der Weihnachtszeit. Nur sollte es seine frohe Botschaft besser erklären.