Noch eine Zuckerbombe zum Frühstück: Nestlé würde diesen aber bei der Marke Kosmostars kleinrechnen. Der "vollwertige Start in den Tag" mit "Vollkorngarantie" sei in Wahrheit eine Süßigkeit, die Angabe "weniger als neun Gramm Zucker pro Portion"bei den Kinder-Frühstücksflocken beziehe sich auf eine Portion von 30 Gramm. Foodwatch: "Tatsächlich stecken 25 Prozent Zucker in den Kosmostars, mehr zum Beispiel als in Butterkeksen." Bei den Knabberartikeln wählte Foodwatch  Pom-Bär von Funnyfrisch als "Paradebeispiel scheinheiliger Werbebeschränkungen": Der Hersteller habe sich "verantwortungsvolles Marketing" verschrieben und damit Werbung an Kinder unter zwölf Jahren ausgeschlossen - außer, wenn die Produkte besondere Nährwert-Eigenschaften erfüllen. "Diese Hürde überspringt nach Funnyfrischs kreativer Definition aber selbst der fettig-salzige Pom-Bär-Snack (2,5 Prozent Salz, 28 Prozent Fett)", teil Foodwatch mit - obwohl er damit mehr als fünf Mal so salzig und doppelt so fettig wie Pommes frites von McDonald's sei.

Capri-Sonne schließlich ist nominiert "für Schul-Marketing und Sport-Schwindel": "Für die Wasser-Zucker-Aroma-Mixtur mit ein bisschen Fruchtsaft setzt Hersteller Wild auf die Nähe zum Sport", lautet die Anklage von Foodwatch. "Er spricht Kinder bei gesponserten Sport-Events an, vergibt ein eigenes Schwimmabzeichen. Außerdem verbreitet Capri-Sonne Unterrichtsmaterial mit Markenlogo und Lernaufgaben zum Produkt - indirekte Werbung an den Eltern vorbei."

Der Hersteller wehrt sich. "Foodwatch bemängelt den Zuckergehalt von Capri-Sonne Orange. Dieser entspricht exakt dem für Fruchtsaftgetränke üblichen Wert von zehn Prozent und er ist korrekt deklariert. Insofern kann er kein Kriterium sein, das einen Windbeutel für Capri-Sonne rechtfertigt", erklären die Sisi-Werke via Presseagentur Publik. Außerdem würden die Eltern nicht umgangen, denn Capri-Sonne werde zu "90 bis 95 Prozent von Erwachsenen - überwiegend Müttern – eingekauft". Und Capri-Sonne schießt zurück und wirft Foodwatch unsachliche Argumentation vor. "Um das Produkt unter Image-Gesichtspunkten schlecht darzustellen, vergleicht Foodwatch den Zuckergehalt von Capri-Sonne bewusst nicht mit dem von Fruchtsaft, sondern mit Cola. Wichtig ist: Auch Fruchtsaft weist einen Zuckergehalt von zehn Prozent auf", heißt es seitens des Herstellers. Außerdem würde Foodwatch die 2007 neu eingeführte Große Capri-Sonne mit 30 Prozent weniger Zucker unterschlagen, ebenso die im unter dem Namen Bio-Schorly eingeführten Bio-Schorlen. Vorwürfe erhebt Foodwatch aber nicht gegen das gesamte Unternehmenssortiment, sondern gegen die Vermarktung der klassischen Capri-Sonne

Foodwatch vergibt den Goldenen Windbeutel 2013 zum fünften Mal. Das Thema Kinderlebensmittel steht in diesem Jahr erstmals im Mittelpunkt der Aktion; bisher gab es den Negativpreis stets für die "Werbelüge des Jahres". 2012 stimmten die meisten Verbraucher für Hipp. 2011 ging der Goldene Windbeutel an Ferrero, 2010 an Zott und 2009 an Danone.

In einem Markttest mit 1.500 Kinderprodukten hatte Foodwatch 2012 nachgewiesen, dass drei Viertel der gezielt an Kinder vermarkteten Industrieprodukte süße und fettige Snacks sind. Mit Werbung fast ausschließlich für unausgewogene Produkte verstärkt die Lebensmittelindustrie diesen Trend - gleichzeitig setzt sie darauf, die Erziehungshoheit der Eltern zu umgehen, indem sie Kinder über Sportvereine, Schulen und Kindergärten oder digitale Medien anspricht, findet die Organisation. Die aktuelle Abstimmung läuft online bis zum 15. Mai 2013.


Autor: Susanne Herrmann

schreibt als freie Autorin für W&V. Die Lieblingsthemen von @DieRedakteurin reichen von abenteuerlustigen Gründern über Medien und Super Bowl bis Streaming. Marketinggeschichten und außergewöhnliche Werbekampagnen dürfen aber nicht zu kurz kommen.