"The Daily": Wie gut Murdochs iPad-Zeitung wirklich ist
Mit der ersten eigenständigen iPad-Tageszeitung will Rupert Murdoch einen "neuen Journalismus" einläuten. Das ist ihm rund 360.000 Euro pro Woche wert. Zahlt sich das aus? W&V Online hat sich "The Daily" genauer angeschaut.
Medienjournalisten haben gespannt darauf gewartet: Am 2. Februar endlich, später als eigentlich geplant, stellte Rupert Murdoch seine iPad-Zeitung "The Daily" in New York vor. W&V-Online hat sich die druckfrische Erstausgabe angeschaut.
Aufwendig! Das wollen die jeden Tag stemmen? Die Frage drängt sich auf, wenn "The Daily" gleich mit seinem zentralen Steuerelement, dem Karussel, einen Kessel Buntes auffächert. Auf diesen ersten Blick schaut die Tageszeitung, die es ausschließlich auf dem iPad gibt, eher aus wie ein Magazin, einem Titel zwischen "Stern" und "Spiegel" würde die Aufmachung gut stehen.
Sie spiegelt die inhaltliche Mischung wider, die eine Menüleiste im Überblick zeigt: Nachrichten, Klatsch, Meinung, Kunst & Leben, Apps & Spiele und Sport sind die Ressorts, die "The Daily" abdeckt. Das Menü wird per Tipp erweitert um ein paar nützliche Knöpfe. Zwei davon führen direkt zu Video- und Audio-Dateien in der App, einer blättert, dient Grundeinstellungen: wichtigen wie dem Aufenthaltsort und dem Nachrichten-Alarm, einstellen lässt sich aber auch das eigene Sternzeichen, damit das Horoskop passt. Außerdem lassen sich Seiten speichern zum späteren Lesen (Warum und wohin? Ich weiß es nicht). Originell: Der Zufalls-Knopf. Er dreht das Lesekarussel zu irgendeinem Artikel. Wer dann nicht Stopp sagt, bekommt so lange weitere Lesetipps, bis ihm etwas zusagt. Schade aber, dass die Orientierung komplett flöten geht, wenn sich der Leser auf die Zufallsseite einlässt. Nirgends erkennt er, in welchem Ressort er gelandet sein mag. Gehört "Biz/Digest" mit u.a. einer BP-Meldung zu Nachrichten oder zu Klatsch? Weiterblättern lässt darauf schließen, dass wir uns bei "Kunst & Leben" befinden.
Die Aufbereitung der Themen bietet das, was die iPad-Nutzer auf ihrem Surfbrett erwarten: Ein Video hier, eine Bildergalerie da, eine 360-Grad-Ansicht, wo es passt. Sehr gut gelungen ist jedoch die Vernetzung nach draußen: Links, etwa bei der Modeberatung, führen in den entsprechenden Online-Laden - und ein Tipp auf "Fertig" direkt wieder in "The Daily". Die App wird nicht wirklich verlassen. Das ist gut, auf dem iPad soll das Internet den Lesefluss nicht abbrechen. Außderdem erleichtert es der Redaktion des "Daily" die Arbeit, was sinnvoll ist: Die Kinokritiken sind direkt mit der erstklassigen Datenbank IMDB (Internet Movie Database) verbunden. Warum alle Hintergrundinfos über die Darsteller abtippen, wenn Kinofexe hier ihr Wissen schnell auffrischen können? Effizient und clever.
Sehr gut gelungen ist die Verbindung zu den Social-Media-Netzen, Twitter und Facebook sind eingebunden. Nicht nur als Weg raus aus der iPad-Zeitung, sondern sie finden auch ihren Weg hinein: Den Text über Sängerin Rihanna zum Beispiel bietet einen Blick auf ihre Twitter-Seite - und die aktualisiert sich live.
Auf die iPad-Gemeinde geht "The Daily" explizit ein, indem Apps und Spiele ein eigenes Ressort bekommen haben. Dem Verlag ist bewusst, dass die Zeitung nicht nur mit anderen Tagesmedien konkurriert, sondern mit allen Apps auf dem Brett - auch beliebten Spielen wie "Angry Birds". Empfohlene Apps, die das Leben erleichtern oder einfach nur Spaß machen, sind direkt auf den iTunes-Store verlinkt. Das dürfte Kooperationspartner Apple freuen.
Leider schwer zu testen von Deutschland aus: Inhalte des "Daily" lassen sich personalisieren nud lokalisieren. Wenn das klappt wie angekündigt, eine feine Sache. So bietet die Erstausgabe einen großen Sportteil zum anstehenden Superbowl. Termine und Historisches, so hieß es auf der Präsentation, lassen sich einstellen, je nachdem, welchem Team man folgen will. Andere Infos wie das Wetter passen sich dem angegebenen Aufenthaltsort an.
Weitere interaktive Elemente sind kurze Wissenstests mit vorgegebenen Antworten, die direkt ausgewertet werden, und eine Kommentierfunktion: Aus der App heraus kann der Leser Twittern, bei Facebook kommentieren, einen Artikel per Mail verschicken. Kommentare anderer Nutzer werden hier, ähnlich aufgebaut wie eine Twitter-Seite, angezeigt. Schmankerl: Auch Audio-Kommentare lassen sich aufnehmen und abspielen.
Alles in allem: "The Daily" ist ein ehrgeiziges Projekt, das täglich gut zu machen eine große Herausforderung ist. Für den ganz großen Wurf ist die iPad-Zeitung aber zu statisch. Von den tradierten Lesegewohnheiten entfernt sich "The Daily" nicht weit genug, was schade ist. Schließlich hat der Titel kein Print-Vorbild, das mit einem mutigen Konzept vor den Kopf gestoßen würde. Die Orientierung könnte besser klappen, die Leseführung innerhalb der Ressorts ist teilweise sehr verwirrend - was angesichts der sichtbaren Nähe zu Printstrukturen überrascht. Mehr interaktive Möglichkeiten wären schön. Die Bedienung, die in einem Vorspann und kurz auf der kargen Inhaltsseite vorgestellt wird, ist komplizierter als notwendig.
Einige schlaue Ideen und Werkzeuge werden aber sicher ihren Weg in weitere Nachrichten- und Magazin-Apps finden.
Zur Gestaltung von "The Daily" hat sich auch Designer Mario Garcia geäußert. Gelobt hat er dabei die Anzeigen.