
Kommentar von Felix Damerius:
"Spiegel"-Relaunch: Hallelujah, das wurde Zeit!
Wie sieht ein Designer den Relaunch von Spiegel Online? W&V hat Felix Damerius gefragt, Creative Director bei Deutschlands größter Brandingagentur Peter Schmidt Group. Hier ist seine Einschätzung, die für die "Spiegel" nicht nur schmeichelhaft ist.

Foto: Peter Schmidt Group
Wie sieht ein Designer den Relaunch von Spiegel Online? W&V hat Felix Damerius gefragt, Creative Director bei Deutschlands größter Brandingagentur Peter Schmidt Group. Hier ist seine Einschätzung.
Vor einigen Wochen hatte ich ein beiläufiges Gespräch über die Markenwelt des "Spiegel". Und wir waren uns alle einig: Die Marke – wohlgemerkt eine Institution im Nachrichtenbereich – hat sich in jedem ihrer Medien in unterschiedliche Richtungen bewegt und wirkt erstaunlich wenig stringent. Von daher ist der jetzige Schritt, Ordnung in die verschiedenen Auftritte zu bringen, mehr als überfällig. Endlich wird der langjährige Wildwuchs abgeschnitten!
Beim Blick auf die neue Online-Welt des "Spiegel" fällt sofort auf: Das gewohnte Rot ist weg, stattdessen empfangen einen viel Weißraum und ein deutliches Plus an Orientierung. Endlich hat es auch der Webfont aufs Portal geschafft. Hallelujah, das wurde Zeit! Und doch ist der Eindruck nicht uneingeschränkt positiv, denn in den Details verbirgt sich noch etwas Arbeit, nicht nur typografisch.
Mehr Dynamik, bitte
Die Form, wie wir Nachrichten und digitalen Content konsumieren verändert sich dramatisch, doch gutes Storytelling ist in der Nachrichtenlandschaft noch immer selten. Daher finde ich die zumindest neu formulierte Anforderung "Always Beta" – eine ständige Evolution – webgerecht und positiv. Der Rebrush ist ein Startpunkt. Man kann davon ausgehen, dass schon bald eine verbesserte Version zu sehen sein wird, mit überraschenden neuen Content-Formaten und mehr Freude am Experiment.
Da gibt es nämlich andere Plattformen, denen es gelingt, mehr "Joy of use" und Dynamik zu vermitteln, die sich an den Lesegewohnheiten der Zielgruppe orientieren - wie zum Beispiel Zeit Online. Oder auch der mittlerweile in die Jahre gekommene Relaunch von USA Today: Hier wurde nicht nur ein moderner und mobil orientierter Online-Ansatz gefunden, sondern die ganze Marke, samt aller Subbrands mitgedacht.
Spiegel Online hat ein neues Logo
Denn was bei der ganzen Diskussion rund um Webdesign, Navigationsmechanik und Usability fast untergeht: Auch Spiegel Online hat ein neues Logo und erscheint jetzt Dunkelrot auf Weiß. Die anderen Angebote – "Der Spiegel" und "Spiegel TV" – werden nun in ihrer Positivversion dargestellt und erscheinen Orange auf Weiß.
Die Farbauswahl verwirrt allerdings etwas und wirkt auf mich beliebig: Print und Online werden so weiterhin getrennt – und warum TV ebenso Orange ist, wie das Printangebot, muss man nicht verstehen. Kurzum: Was bei "USA Today" immer noch durchdacht erscheint, wirkt beim "Spiegel" wie zufällig gelöst.
Der Autor:
Felix Damerius ist Creative Director der Peter Schmidt Group. Er studierte Kommunikationsdesign an der Hochschule Darmstadt, arbeitete am Fraunhofer Institut sowie von 2009 bis 2015 als Creative Director bei Hauserlacour. Hier betreute er Kunden wie Citroën, Hyundai, den Verlag Walter de Gruyter oder die Alte Oper Frankfurt. Bei der Peter Schmidt Group ist er erster Ansprechpartner für die kreative Markenentwicklung der Kunden DZ BANK und Heidelberger Druckmaschinen.