European Newspaper Congress:
"Roboterjournalismus existiert bereits"
Zeitungstrends zeigte der 15. European Newspaper Congress in Wien auf - und die Erkenntnis "Roboterjournalismus existiert bereits" samt Entwarnung.
Der European Newspaper Congress in Wien hat wohl ein wenig die Angst aus dem Wort "Roboterjournalismus" nehmen können. Dienstleister berichteten auf einem Panel zum Thema, wie sie etwa das nutzen, was Twitter twittert und daraus Neues und Exklusives herauslesen oder auch, was die Menschen bewegt. "Journalismus ist viel zu komplex, dass man ihn auf Maschinen auslagern könnte", sagte Frederik Fischer vom Anbieter Tame. Gearbeitet werde an einer Tweeds-Glaubwürdigkeits-Überprüfung. Laut Fischer ist "jede Software nur ein Werkzeug". Vom Werkzeug Datawrapper berichtete Mirko Lorenz. Damit wird aus einer unglaublichen Menge an Daten automatisch eine Grafik erstellt. Und: "Roboterjournalismus existiert bereits", so Johannes Sommer, Geschäftsführer von Retresco. Themen werden demnach ausgewertet und zusammengesetzt und bieten die Basis für weitere redaktionelle Entscheidungen. Seine Zukunftsaussicht: "2015 werden wir nicht mehr unterscheiden, ob die Sportnachricht über eine Unterliga von einer Maschine geschrieben ist oder nicht."
Mitveranstalter Norbert Küpper hatte indes mehr die Trends im Visier, die das Medium Tageszeitung heutzutage wertvoll machen. Der Zeitungsdesigner berichtete beispielsweise von mehr Seriosität und einer zunehmend ruhigeren Gestaltung der Seiten – ein Gegensatz zum flimmernden Antlitz von Webseiten. Neu auch laut Küpper: Zeitungen emanzipieren sich von Nachrichtenagenturen, setzen selbst Themen und gehen immer tiefer ins Lokale. Auch würden die klassischen Zeitungsressorts wie Politik und Wirtschaft aufgelöst. Das Beispiel brachte Pieter Klok von "de Volkskrant", Niederlande. Dort wurden die Ressorts verkleinert und der Zeitung ein "Frontzug" aus einem Mix von Berichten aus allen Bereichen vorangestellt. Die Auswahl der Geschichten trifft eine Zentralredaktion, der die einzelnen Redakteure und Redakteurinnen ihre Artikel "verkaufen" müssen.
Zu mehr Motivation der Truppe wollte Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die 500 Chefredakteure und Medienmanager aus ganz Europa motivieren – mit einem Vergleich aus dem Sport: "Fußball ist Schwarmintelligenz". Jedes Redaktionsmitglied müsse überzeugt sein: "Das ist mein Ding!" Ohne Freude, individuelle Verantwortung oder Pflichtbewusstsein gehe es nicht. Für Führungskräfte in Medienhäusern bedeute das: "Sie müssen Sinnstiftung liefern, selbst bei Kündigungswellen." Was Schwarmintelligenz beim Zeitungsmachen hervorbringt, zeigte "Welt am Sonntag"-Chefredakteur Frank Schmiechen. Das Schwierigste am Zeitungsmachen sei es, die Fragen "Wer bin ich als Zeitung? Was kann ich besser als andere?" gültig und jeden Tag lebendig zu beantworten. Selbst bei harten Themen gelte es, "die Menschen zu umarmen".
Der 15. European Newspaper Congress, der am Dienstag zu Ende gegangen ist, wurde vom Medienfachverlag Johann Oberauer, der Stadt Wien und vom deutschen Zeitungsdesigner Norbert Küpper veranstaltet.