"Projekt Amazonas": Video-Offensive lässt noch auf sich warten
Schwieriges Fahrwasser beim "Projekt Amazonas": Die gemeinsame Bewegtbild-Plattform von ProSiebenSat.1 und RTL steht auf der Kippe, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender nicht mitmachen.
Nach W&V-Informationen haben ARD und ZDF Bedenken, sich an der zentralen Mediathek der größten deutschen TV-Sender zu beteiligen. Außerdem könnte sich die Prüfung durch das Bundeskartellamt deutlich länger hinziehen, als von den Initiatoren ProSiebenSat.1 Media und RTL erhofft.
Die sonst rivalisierenden Privatsender arbeiten unter der Bezeichnung „Projekt Amazonas“ an einer gemeinsamen TV-Plattform im Internet, ähnlich dem US-Vorbild Hulu. Ohne eine Beteiligung von ARD und ZDF stünde das gesamte Projekt auf der Kippe, denn die zentrale Mediathek macht nur dann wirklich Sinn, wenn sich möglichst alle großen Sender in Deutschland beteiligen. Für ProSiebenSat.1 und RTL ist die Aussicht verlockend, mit teils millionenschweren öffentlich-rechtlichen – also gebührenfinanzierten – Produktionen bei den Usern zu punkten. „Reichweite um jeden Preis“, so beschreibt ein RTL-Manager das Ziel.
Das inhaltliche Konzept sieht wie folgt aus: Die beteiligten TV-Stationen sollen eigene Bereiche auf der Site erhalten, die unter dem jeweiligen Sendernamen laufen und von den einzelnen Partnern in Eigenregie redaktionell betreut werden. Darüber hinaus darf jeder entscheiden, ob in seinen Programmen Werbung zu sehen ist. Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ARD und ZDF medienrechtlich überhaupt mitmachen dürften, wenn sie denn wollten. Die Startseite bleibt wohl werbefrei.
Ob es aber dazu kommt, ist mindestens fraglich. Erste Kontakte zwischen ProSiebenSat.1 und RTL einerseits sowie ARD und ZDF andererseits gab es bereits. „In seiner jetzigen Form sehe ich bei dem Konzept einige größere Stolpersteine“, sagt ein öffentlich-rechtlicher Manager. „Das Konzept kann nicht in seiner jetzigen Form bleiben. Wir warten die Detailverhandlungen ab.“ Ein ProSiebenSat.1-Manager, der nicht genannt werden will, räumt ein: „Es könnte durchaus sein, dass die ARD und/oder das ZDF nicht mitmachen. Da beide Content-Flaggschiffe sind, wird’s dann schwierig.“ Bei der ARD bleibt ein klares Commitment erst einmal aus: Es werde seitens der ARD „keinerlei Vorfestlegungen“ geben, sagt ein Manager. Hinzu kommt: Die Gremien waren Insidern zufolge noch gar nicht mit dem Projekt befasst.
Die zweite schlechte Nachricht für die Initiatoren lautet: Das Prüf- und Genehmigungsverfahren könnte sich deutlich länger hinziehen. Ende September hat die EU den Antrag an das Bundeskartellamt verwiesen. Nach W&V-Informationen haben sowohl ProSieben.Sat.1 und RTL als auch ARD und ZDF Post bekommen: Das Bundeskartellamt fordert darin weitere Informationen an. Der Zeithorizont beginnt sich zu verschieben: Liegen die Unterlagen vor, nimmt das Amt rund vier Wochen lang alles unter die Lupe. Ist eine genauere Prüfung erforderlich – und davon gehen Beobachter aus –, ziehen noch einmal wenigstens drei Monate ins Land. ProSiebenSat.1 und RTL könnten schnell in eine Zwickmühle geraden, denn für das Kartellamt spiele die Fragen, ob sich ARD und ZDF beteiligen, „eine nicht unerhebliche Rolle“, wie es in der Behörde heißt: „Es gilt, einige grundsätzliche Fragen zu klären.“
Selbst danach ist der Startknopf noch immer nicht gedrückt: „Wenn wir ein Go bekommen, benötigen wir an die sechs Monate“, so ein ProSiebenSat.1-Sprecher. Erst dann ist das Gemeinschaftsunternehmen arbeitsfähig.