Digitale Markenrevolution:
"Online-Kreation ist noch schlechter als Radio"
"Warum Online-Werbung nicht funktioniert": Mit dieser These hat W&V-Blogger Thomas Koch alias "Mr. Media" die Digitalbranche in der vergangenen Woche auf die Palme gebracht und Jan Steinbach zu einer Replik herausgefordert. Jetzt erklärt Media-Legende Koch, was sich beim digitalen Marketing ändern muss.
"Warum Online-Werbung nicht funktioniert": Irgendwie war klar, dass dieses Blog-Thema die Online-Jünger auf die Palme bringen würde. Das ist gelungen. Ich (der "Dinosaurier", der von Online schon deshalb keine Ahnung hat) bedanke mich für die Fülle an konstruktiven Diskussionsbeiträgen, auf die sich gewiss nicht einzeln eingehen lässt. Diskutieren wir aber weiter. Schauen wir, ob es weiterhilft. Mit meinen Gastblogger Jan Steinbach ("Schweinepest gegen Vogelgrippe") mache ich jetzt das beliebte Spiel "Wenn er… sagt, dann meint er in Wirklichkeit…":
Lieber Jan Steinbach,
wenn Sie sagen "nicht die Bannerwerbung, sondern die Werbung selbst steckt in der Wirkungskrise", dann meinen Sie in Wirklichkeit:Die meisten Werber haben nicht im Entferntesten begriffen, was im letzten Jahrzehnt um sie herum passiert ist. Die klassischen Werbekanäle, die (übrigens) 94 Prozent unserer Kommunikation ausmachen, würde ich allerdings nicht als "Schweinepest" bezeichnen, sondern nach wie vor als Gralshüter unserer Profession.
Wenn Sie das "Cluetrain Manifest" erwähnen (das bahnbrechend war und ist), dann meinen Sie in Wirklichkeit: Seither sind 14 Jahre vergangen und es haben offenbar die Falschen gelesen, denn werbliche Konsequenzen daraus sind kaum zu erkennen.
Wenn Sie dann vom "Ende der einseitigen Kommunikation" sprechen, dann meinen Sie in Wirklichkeit: Wo bleibt verdammt nochmal der Dialog, von dem Marketing über einhundert Jahre lang geträumt hat? Nehmen wir mein Lieblingsbeispiel Air Berlin. Ich dürfte bei denen nach einigen Blogposts, die es bis in "Brandeins" geschafft haben, als "kritischer Meinungsbildner" bekannt sein. Ich könnte morgen schreiben "Air Berlin stellt Verteilung von Schokoherzen ein" - die Ignoranten würden auch darauf nicht reagieren…
Wenn Sie sagen "Marketing sollte die Bedürfnisse des Kunden in den Mittelpunkt stellen", dann meinen Sie in Wirklichkeit: Das moderne, kundenorientierte Marketing, von dem alle seit Jahren faseln, hat in Deutschland kein Mensch begriffen. Zumindest nicht die, die in Marketing und Werbung arbeiten. Ich gebe zu, dass der B-to-B-Bereich dem Community-Gedanken näher ist, und dass z.B. Social Media dort oftmals instinktiv richtig eingesetzt wird. Aber B-to-C könnte es doch wenigstens versuchen.
Nein, lieber Jan Steinbach, Sie haben mir nicht wirklich widersprochen. Im Gegenteil, Sie befeuern mich geradezu darin, die Digitale Markenrevolution, von der ich absolut nichts sehe, endlich herauf zu beschwören. Die Lösung ist simpel und liegt unmittelbar vor unseren Augen. Drei Dinge braucht Online:
Erstens: Kreation. Nicht erst seit der "Power of Creation"-Studie des BVDW wissen wir, dass in erster Linie die Kreation (sorry, Media-Fuzzis) den Erfolg von Onlinewerbung steuert. Viele Experten (nicht nur ich) sind der Auffassung, dass kein Bereich von den Kreativagenturen mehr vernachlässigt wird. Online-Kreation ist noch schlechter als Radio.
Zweitens: Umfeld. Immer mehr Studien zeigen uns, dass das Umfeld einen maßgeblichen Einfluss auf die Werbewirksamkeit besitzt. Dann wird Programmatic Buying ein geeignetes Mittel sein, um das bißchen Wirkung, dass Online noch besitzt, endlich auf den Nullpunkt zu treiben.
Drittens: Dialog. Wer hätte gedacht, dass eines Tages Windeln mit uns reden. Pampers tut es erfolgreich. W&V bietet uns hier eine Plattform für unsere Diskussion. Geht doch. Aber da geht mehr. Adblocker wünschen sich Dialog statt Reklame (Online Ad Summit). Wir brauchen mehr Dialog, mehr Beziehung zu unseren Zielgruppen, mehr Corporate Blogs, mehr Kommunikation.
Mit besserer Kreation, Umfeld-(=Qualitäts-)orientierter Platzierung und mehr Dialog klappt das dann auch mit der Digitalen Markenrevolution.
Thomas Koch, Agenturgründer, Ex-Starcom-Manager, Wirtschaftswoche-Kolumnist, Herausgeber von "Clap" und Media-Persönlichkeit des Jahres, bloggt für W&V. Er ist "Mr. Media".