Medientage München 2012:
"In den nächsten zwei Jahren wird es turbulent"
Print baut die Marke auf, aber die Zukunft ist digital: Das war der Konsens des Publishing-Gipfels auf den Medientagen München. Aber über die Frage Paywall versus Reichweite war sich die hochkarätig besetzte Runde nicht ganz einig. W&V-Redakteurin Katrin Otto hat die Debatte verfolgt.
Print baut die Marke auf, aber die Zukunft ist digital: Das war der Konsens des Publishing-Gipfels auf den Medientagen München. Aber über die Frage Paywall versus Reichweite war sich die hochkarätig besetzte Runde nicht ganz einig. "Spiegel"-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron, Brigitte Fehrle, Chefredakteurin "Berliner Zeitung", Tobias Trevisan, Sprecher der Geschäftsführung der "Frankfurter Allgemeine Zeitung", Richard Rebmann, Geschäftsführer Südwestdeutsche Medien Holding (SWMH) und Rowan Barnett, Market Director Germany Twitter, diskutierten mit Stern.de-Chef Frank Thomsen über Strategien und Lösungen im digitalen Zeitalter. Bezahlschranke, Arbeitsverdichtung in den Redaktionen und Qualität sind nur drei Stichpunkte, die die immensen digitalen Herausforderungen an die Verlagshäuser in den nächsten Jahren beschreiben.
Denn Print muss sich mit immer mehr digitalen Distributionskanälen die Aufmerksamkeit der Leser teilen. Twitter und Google seien zwar Wettbewerber, aber auch eine Chance zu kommunizieren und zu recherchieren, findet "Spiegel"-Chefredakteur Blumencron. Ein weitaus gefährlicher Konkurrent sei aber das Smartphone als ständiger Begleiter und elektronischer Unterhalter. "In den nächsten zwei Jahren wird es turbulent", prognostiziert der "Spiegel"-Chef. Nur Print und Online seien nicht ausreichend. Schon jetzt würden 30 Prozent der Zugriffe auf die "Spiegel"-Website von mobilen Endgeräten getätigt. Es ginge darum, integrativ zusammenzuarbeiten und neue Produkte zu entwickeln. "Wir arbeiten sehr stark daran Produkte auf einzelne Kanäle zu konfektionieren", so Blumencron.
Journalistische Inhalte für die verschiedenen digitalen Vertriebskanäle aufzubereiten ist damit die größte Herausforderung der nächsten Jahre. Wie das geschehen soll - mit welchem Geschäftsmodell, mit welchen strukturellen Änderungen – daran wird noch geschraubt. Redaktionen müssen lernen auf verschiedenen Plattformen zu arbeiten, fordert SWMH-Chef Rebmann. Der richtige Weg sei die Integration, ist auch Chefredakteurin Fehrle von der "Berliner Zeitung" überzeugt. "Der Inhalt kommt aus der Print-Redaktion", so Fehrle. Für sie ist Online eine Frage des Geschäftsmodells und nicht des Journalismus.
Was zur Glaubensfrage Paywall führt. Denn das Geschäftsmodell Reichweite müsse für Online aufgehoben werden, darin sind sich die meisten Publisher einig. Die Werbeerlöse sind zu niedrig. "Man kann Inhalte nicht verschenken", sagt Rebmann. Der Leser müsse auf kostenpflichtige Kanäle geleitet werden. So soll es die digitale "Süddeutsche Zeitung" nicht nur für das iPad, sondern auch für andere Tablets und Smartphones geben. Desweiteren denke man über weitere Bezahlmodelle nach. Am Geschäftsmodell Print will Rebmann nicht rütteln. "Die Zeitung ist rentabel und verdient ihr Geld, um es in neue Medien zu investieren". Auch für die "FAZ" funktioniert das Reichweitenmodell nicht. "Vor allem Sex, Crime und Drugs-Themen sowie austauschbare News führen zu Klicks", sagt Verlagschef Trevisan. Es seien Inhalte, die die Marke "FAZ" verwässern würden. Ein Grund für die Frankfurter, das Reichweiten-Rennen nicht mitzumachen. Vielmehr soll eine Bezahlschranke den Profit bringen. Bis jetzt allerdings noch Strategie - die technologische Umsetzung erfordert zu hohe Investitionen. "Wir müssen die Kannibalisierung lieben lernen, indem wir digital besser bezahlen lassen als Print", so Trevisan. Der "Spiegel" will weiter an seiner freien Online-Welt festhalten. "Wir verdienen Geld mit Spiegel online, sagt Blumencron - "und das seit sieben Jahren". Paid Content sei für die Hamburger die "Spiegel"-App und die Print-Ausgabe.
Übrigens, aller Print-Skepsis zum Trotz: Die "Financial Times Deutschland" soll auch die nächsten fünf Jahre fünfmal wöchentlich in gedruckter Form erscheinen. Auf diese Aussage ließ sich Thomas Henkel, Leiter Unternehmensentwicklung Gruner+Jahr, bei einem anderen Medientage-Panel festnageln.