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Christian Daul vs.Thomas Koch :
"In Deiner Beurteilung zu Audio hast Du es Dir zu einfach gemacht"
Wirtschaftswoche-Kolumnist Thomas Koch behauptet, über den Audio-Trend "spricht in zwei Jahren niemand mehr." Das sieht Christian Daul, CEO bei Reinsclassen, anders. Ein Schlagabtausch.
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Foto: Spark44
Lieber Thomas,
wie Du weißt, schätze ich Deine Gegenpositionen sehr, denn es braucht auch Leute die gegen den Strom schwimmen. Gerade und vor allem bei Hype-Themen.
Aber in der Deiner Beurteilung zu Audio hast Du es Dir ein wenig zu einfach gemacht. Denn nicht alles was hinkt ist ein Vergleich und nicht jedes Deiner Argumente trifft ins Schwarze. Natürlich ist Audio (und alleine der Sammelbegriff schafft schon sehr viele Probleme) aktuell gehyped und natürlich muss die Voice-Technologie an vielen Punkten erst noch einlösen, was sie verspricht. Aber man muss neuen Technologien auch etwas Zeit geben sich durchzusetzen.
WDR und Alexa in einem Topf?
Die Reaktionen auf die ersten Smart-Phones waren zunächst auch nicht nur euphorisch. Die Werbung auf mobilen Geräten tat sich jahrelang schwer, obwohl alle auf die Screens starrten. Du lobst das digitale Radio und seine Nischenqualitäten und gibst selbst zu, dass es länger dauerte bis es sich etablieren konnte. Diese Zeit sollte man der ungleich neueren und unbekannteren Voice-Technologie auch einräumen. Dein Beleg aus der Media-Brille, dass der Audio-Boom ins Leere läuft, tut es argumentativ ebenfalls.
Du vergleichst ein Prozent Radio-Werbewachstum mit sieben Prozent Wachstum Online. Hier wird eben mal elegant Radio mit Audio gleichgesetzt – als wären WDR und Alexa in einen Topf zu werfen. Wobei man auf Alexa noch gar nicht wirklich werben kann. Gleichzeitig aber wirfst Du diese taktische Gleichmacherei den Radio-Leuten als Trend-Trittbrettfahrerei vor. Ja, was denn nun?
Und werden die Banner auf den zahlreichen Radio-Websites nicht auch der Online-Werbung zugeordnet? Dass Du die Podcasts loben musst, wenn Du am Ende des Beitrages auf Deinen eigenen Podcast verweist – geschenkt. Dein Herunterrechnen der Verbreitung von Sprachassistenten enthält dafür einen veritablen Rechenfehler. Die Zahl von 100 Millionen Geräten bezieht sich in Deiner Ausführung ausdrücklich nur auf Alexa.
Da aber Google nach eigener Auskunft seit Oktober 2017 jede Sekunde einen eigenen Sprachassistenten verkauft und es ja auch noch Siri, Cortana und Bixby gibt, ist die echte Haushaltspenetration wesentlich größer als die errechneten fünf Prozent. Und selbst wenn. Du verschweigst, dass noch keine Gerätklasse es geschafft hat, in so kurzer Zeit die relevante 50 Millionen Nutzer-Grenze zu knacken. Digitale Sprachassistenten schafften das in einem 1 Jahr. Zum Vergleich: Das Smartphone brauchte 3 Jahre. Das kann man nun nicht gerade als zögerliche Akzeptanz bezeichnen. Die Daten-Sicherheits- und Missbrauchsthematik ist ohne Frage ernst zu nehmen, aber hier ist die Schizophrenie unserer gesamten Internet-Ökonomie auch nicht anders gelagert als in allen anderen bekannten GAFA-Fällen. Wir wollen alle die Vorteile und Bequemlichkeiten nutzen, aber das geht eben nur durch ein Trade-In unserer Daten.
Sprachsysteme "lernen" tatsächlich nur und am besten mit echten Gesprächsdaten der Nutzer. Das ist kein böses Szenario der Hersteller, sondern kann Dir jeder Entwicklungsexperte im Labor bestätigen. Dass man das sauberer kommunizieren kann und sollte, ist absolut richtig. Aber jeder der einen Speaker im Haushalt hat, kann entscheiden, ob er ihn permanent einsetzt oder nicht. Die Kamera an jedem Rechner ist im übrigen auch nicht ohne. Diese Problematiken besonders dieser Technologie anzukreiden, ist nicht gerade differenzierend - zumal für einen Netz-Experten. Auch die Vorwürfe zu Sexismus und Geschlechtervorurteilen sind so richtig wie alt. Diese Themen werden von den Herstellern längst bearbeitet.
"Ich kaufe meinen Joghurt weiter im Laden"
Nur weil die UN für Nachrichten sorgt, ist ein Thema nicht zwingend aktuell. Vielleicht spricht auch Guterres intern von diesem neuen Internet, das man noch nicht ganz versteht. Politik scheint nicht nur in Deutschland Geschwindigkeitsprobleme bei der Netzdurchdringung zu haben. Gerade durch die konstanten echten Dialogdaten und der Konfrontation mit der Realität besteht die Chance, dass die Systeme (und ihre Hersteller) sich auch der Tragweite der Verantwortung von Sprache und ihrer Wirkung auf die Gesellschaft stärker stellen.
Der von Dir zitierte Artikel im Handelsblatt, an dem ich mitwirken durfte, ist übrigens eine Projektion und soll auf maßgebliche Entwicklungen aufmerksam machen. Er stellt keine unmittelbaren, akuten Behauptungen auf. Ich habe dort ganz bewusst von einem Horizont der Entwicklung von 10 Jahren gesprochen. Das passt nicht wirklich in Dein Hype-Szenario. Weder geht jemand davon aus, dass zukünftig wie von Dir beschrieben alle Umsätze über Online oder Sprache generiert werden, noch will jemand die Risiken für Handel und Marken durch Amazon verniedlichen. Und ja, ich kaufe meinen Joghurt auch weiter im Laden.
Voice wird eine Rolle spielen
Mit solchen Schwarz-Weiß-Darstellungen ist niemandem geholfen. Der bekannte Gartner Hype Cycle wird es schon richten. Man muss eben etwas Geduld haben. Ich mache jedenfalls jede Wette, dass Voice eine sehr bedeutende Rolle als Interface der Zukunft spielen wird. Nicht nur in Marketing und Commerce. Übrigens sollte man auch VR und Blockchain nicht abschreiben. Auch deren Zeit wird nach dem Zurechtrücken falscher Erwartungen noch kommen.
Boo.com heisst heute About you, Lycos Google und Intershop Salesforce. Gute Trends und Ideen überleben Hypes und manche sogar Artikel von Thomas Koch.
Über den Autor: Christian Daul, Ex-Geschäftsführer von Spark44, ist seit Januar CEO bei Reinsclassen und baut für die Hamburger Agentur ein Büro in Frankfurt auf.