Herbert Piel über Wahlplakate und Kandidatenfotos:
"Ich würde mich schämen, so ein Bild vorzulegen"
Wie beurteilt einer der besten deutschen Porträt-Fotografen die plakatierten Kandidatenbilder im bayerischen Landtagswahlkampf? Für W&V hat er sich 8 Motive aus München angeschaut.
1. Die FDP: Farbenfroh und plattgeblitzt
"Nicht nur in Bayern, sondern bei allen aktuellen Plakatierungen der FDP hat man den Eindruck, ein Kleinkind hätte sich über ein einfaches Publishing-Programm hergemacht und mal alles ausprobiert, was geht. Das plattgeblitzte Foto inklusive der nicht vorhandenen, abgeschnitten wirkenden rechten Schulter erinnert an ein Photoshop-Fail. Davon abgesehen würde mich der Anstecker stören, was immer der auch bedeuten mag. Auf dem Wahlplakat halte ich ihn für überflüssig."
2. Die Freien Wähler: Lieblos hingerotzt
"Ich geh mal schnell zum Passbildautomaten am Bahnhof......": An diesen Satz aus grauer Vorzeit erinnert mich dieses absolut lieblos hingerotzte Foto des Kandidaten Aiwanger. Ausgefressene Lichter, viel zu harte Kontraste, auch wiederum gnadenlos von vorne oben angeblitzt. Anzug und Krawatte sind gut getroffen. Aber den Porträtierten würde ich wahrscheinlich nicht auf der Straße erkennen. Man könnte fast meinen, das sei gewollt. Mit Wiedererkennung haben es die meisten Plakatbilder sowieso nicht."
3. Die AfD: Zum Fremdschämen
"Es ist ästhetisch eklig, wenn die Schrift schärfer ist als das Bild - und wenn man die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung nicht beherrscht. Mein Tip: Finger weg! Diese plumpe Freistellerei an Gesicht und Haar erinnert an Malen nach Zahlen. Ich würde mich schämen, 1. so ein Bild vorzulegen und 2. so auf einem Plakat zu erscheinen."
4. Die Linke: Ein fotografischer Lichtblick
"Diese Anmutung gefällt mir fotografisch mit am besten: Klares Bild, leichte seitliche Beleuchtung, dadurch schöne Zeichnung in Gesicht und Oberteil. Wobei die Frage bleibt, ob es wirklich ein eingefärbtes Unterhemd sein muss .... Umsetzung, Lächeln, Licht finde ich gut; bis auf den Ansatz der abgeknickten Hand, die wahrscheinlich im Hosensäckel ruht. Aber sonst o.k."
5. Der Ministerpräsident: Intensiv bearbeitet
"Ein Bild, scheinbar aus dem richtigen Leben gegriffen. Wenn dem so ist, verzeihe ich die bearbeitete Halsfalte bzw. den hochgezogenen Jankerl-Kragen. Wenn nicht, dann ist es gut gestellt - mit der noch im Hintergrund völlig freistehenden unscharfen Person. Farblich leicht entsättigt, um sich von dem Farbrausch der Mitbewerber zu unterscheiden und damit etwas seriöser zu wirken. Allerding erschließt sich mir nicht der Blick ins tief rechte Nirwana. Aber die Haare glänzen schön. Und dann auch noch von oben und der Seite. Toll, was die Sonne so alles drauf hat: Beleuchtet Haare von oben und strahlt gleichzeitig rechts auf die Haare und links auf die Gesichtshälfte ...."
6. Die SPD: Bleib mir vom Leib!
"Interessante Farbwahl, blau auf blau auf blau, zur Konzentration auf das Wesentliche, auf das Gesicht. Schön, sogar keine Spiegelung in der Brille.
ABER: Die SPD wäre nicht die erste Partei, die eine Pose mit negativer Aussage Stimmen kostet. Die Botschaft ist hier Distanz, Abstand und ein 'Nicht mit dir, du Wähler ....'
Eines lässt sich übers Arme verschränken generell sagen: Man wirkt mit dieser Körperhaltung nicht besonders aktivitätsbereit.
Wenn man vermitteln will: "Gehen wir es an! Ich bin dabei!", dann ist das mit verschränkten Armen unglaubwürdig.
Wie auch ansatzweise beim nächsten Plakat. Auch hier geht es um nonverbale Signale, wie z.B. dem Blick ins Nirgendwo (CSU, Söder) oder die verkniffene Lippen statt eines offenen Lächelns (SPD)."
7. Die CSU: Wo ist die Theke?
"Fotografisch in Schwarz-Weiß und leicht eingefärbt, damit es nicht ganz sooo hart wirkt. Recht gut porträtiert. Schöne Lichtführung, die das Doppelkinn etwas schmaler wirken lässt. Aber auch hier wieder die Haltung: Der Kandidat wirkt durch die verschränkten Arme wie hineingequetscht in das Plakat. Nichts von Offenheit oder Tatendrang kommt rüber, eher so ein #Aussitzen-Gefühl'. Wenn unter den Armen noch eine Theke zu sehen wäre, würde mich das nicht wundern."
8. Die Grünen: Die Macht der Beauty-Software
Und zum Abschluss das neue Moderatorenteam der Sesamstrasse. Die beiden Kandidaten sprechen mich fotografisch auf eine leichte und lustige Art an. Aber Mut geben? Das Foto sieht ein bisschen nach Fotolia-Bildagentur aus. Gibt es die beiden wirklich? Doch, muss ja, denn auch hier hat ein nichtprofessioneller Bildbearbeiter ganze Arbeit geleistet. Man sieht es am einzig sichtbaren Ohr von Katharina Schulze, die ursprünglich wohl vor einem weißen Hintergrund fotografiert wurde. Der Schattenwurf wirkt ähnlich montiert wie die grüne Wand.
Und ja: Beauty-Software leistet viel. Man sieht es hier bei beiden Kandidaten deutlich.
Fängt eigentlich ehrliche Politik bei ehrlichen Bildern an?
Der Autor: Herbert Piel ist seit über 40 Jahren professioneller Fotograf. Er arbeitete als Freelancer für Reuters, AP, die Deutsche Presse-Agentur, "Stern" und "Spiegel", ehe er Bildchef der "Rhein-Zeitung" wurde. Später gründete er seine Agentur Piel Media. Der mehrfach ausgezeichnete Kreative hat zahlreiche Personen der Zeitgeschichte porträtiert und internationale Foto-Reportagen u.a. in Somalia, dem Iran und dem Kosovo produziert.