Bundestagswahl 2017:
"Gruselig" und "überraschend gut": Wahlwerbung auf dem Prüfstand
So urteilt Kommunikationsprofessor Frank Brettschneider über ausgewählte Wahlplakate von CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke und AfD. Ein Lesetipp.
Jetzt ist sie gekommen, die Zeit der Wahlplakate. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2017 säumen die Konterfeis von Merkel, Schulz und Co. die Straßen Deutschlands. Die Meinungen darüber gehen naturgemäß auseinander. Für Web.de analysierte nun Kommunikationsexperte Frank Brettschneider sechs ausgewählte Wahlplakate, Professor an der Uni Hohenheim, unter anderem mit dem Schwerpunkt Wahlforschung. Sein Votum reicht von "gruselig" über "überraschend gut" bis "richtig gut". Hier eine Auswahl seiner Aussagen, mehr dazu unter Web.de:
Viel Lob gibt es von Brettschneider für die CDU (Agentur: Jung von Matt). Das Motiv mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sei eine Art "'Wohlfühlplakat', das man schnell versteht." Die stilisierte Deutschland-Fahne im Hintergrund findet der Kommunikationsexperte "designtechnisch richtig gut".
Auch das Motiv der SPD (Agentur: KNSK) gefällt Brettschneider. Der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz wirke "natürlich und sympathisch", stimmig sei auch das Verhältnis von Text und Bild. "Die SPD macht das genau richtig. Ihre Kernkompetenz ist soziale Gerechtigkeit. Damit muss sie werben."
Als"gruselig" bezeichnet der Kommunikationsexperte dagegen das poppige Motiv der Grünen (Agentur: Ziemlich Beste Antworten (ZBA). Die Farbe Magenta sei eher "abschreckend", die Erde nicht zu erkennen, die Plakate zu "buchstabenlastig", die Schrift zu "aggressiv".
Besser kommt das ebenfalls sehr bunte Plakat der Linken weg, das Brettschneider "überraschend gut" findet (Agentur: DiG/Trialon). "Normalerweise ist sie die Partei mit den mit Abstand schlechtesten Wahlplakaten. Eine frühere rot-gelbe Farbkombination hat eher an eine Media-Markt-Werbung erinnert, als an seriöse Politik", so der Professor. Das Plakat gegen "rechte Hetze" sei dagegen knapp gehalten und "gut verständlich" und auch grafisch gut gelöst.
Die Textlastigkeit der FDP-Kampagne (Agentur: Heimat) ist für Brettschneider dagegen kein Problem, im Gegenteil. "Die FDP-Plakatkampagne finde ich spannend, denn sie bricht mit fast allen Traditionen." Der viele Text funktioniere in diesem Kontext, denn "es sagt aus: Wir, die FDP, wir haben viel zu sagen." Auch die grellen Neon-Farben stünden für den Neuanfang und dem Bruch mit der alten FDP. Kritik übt Brettschneider jedoch an den Fotos von FDP-Kandidat Christian Lindner, die ihn zu sehr an Mode-Shootings erinnerten.
Das AfD-Motiv "Burkas? Wir stehen auf Bikinis" fällt bei Brettschneider durch, weil es mit der AfD-Tradition bricht, auf populistische Textaussagen zu setzen. Diese Zweigleisigkeit überfordere die Klientel. Beim AfD-Wähler wirkten eher reine Textplakate. "Diese Foto-Aussagen werden schlicht nicht ankommen, weil man zu oft um die Ecke denken muss. Die Parolen-Plakate, mit allen Ressentiments, die die Partei bedient, waren da wesentlich effektiver."
Einen Überblick über die Wahlkampagnen der Parteien liefert auch unser W&V-Dossier zur Bundestagswahl 2017.