
"Globales Dorf statt Nielsen-Gebiete": Das Media-Manifest der Webguerillas
Die herkömmliche Mediaplanung mit ihren Messmethoden ist in eine Sackgasse geraten, findet Webguerilla-Chef Eicher. Und fordert von der Branche mehr Social-Media-Kompetenz.
Seit einigen Monaten hat David Eicher, Chef der Agentur Webguerillas, immer wieder Diskussionen mit Mediamanagern. Warum die Reichweiten denn so viel niedriger seien als bei klassischen Kampagnen, wollen sie wissen. Und damit kommt Eicher, dessen Agentur seit bald zehn Jahren Web-Kommunikation steuert, Blog-Konzepte entwirft und auf dem Feld des Community-Marketing Expertise besitzt, jedes Mal in Erklärungsnöte.
Denn mit hohen Reichweiten kann er nicht dienen. „Kaum einer fragt uns, was unsere Kontakte eigentlich wert sind“, sagt Eicher. „Viele Mediaexperten haben nur die alten Währungen im Kopf.“ Auch im Web-2.0-Zeitalter rechnen die Mediaexperten vorwiegend mit Gross Rating Points, Tausend-Kontakt-Preisen, MA-Reichweiten und GfK-Einschaltquoten. Mit dieser jahrzehntealten Münze soll auch die Leis- tung der Web-2.0-Kommunikation bewertet werden. Doch damit fallen diffizile Kommunikationskonzepte, die über Blogs und Web-Communities Konsumenten aktivieren, hinunter. In Zusammenarbeit mit der Macromedia Fachhochschule, Köln, ist Eicher deshalb gerade dabei, Bemessungskriterien zu erarbeiten, die Vergleiche zulassen. Denn: „Nicht nur Kunden, auch wir haben ein großes Interesse daran, zu erfahren, was beispielsweise ein Facebook-Kommentar eigentlich wert ist.“
Eicher hat zudem ein Media-Manifest mit zwölf provokanten Thesen verfasst. Sie sollen einen „interdisziplinären Impuls zur Mediamessung der Zukunft“ liefern und dürften gestandene Mediaplaner irritieren. Denn Eicher bezweifelt darin jahrzehntelang gültige Standards wie beispielsweise den Sinn von hohem Werbedruck, erklärt kurzerhand den Begriff „Streuverlust“ für überholt, schickt den Tausend-Kontakt-Preis in den Ruhestand, erklärt die gute, alte TV-Einschaltquote als irrelevant und den Couch-Potato für weitgehend bedeutungslos. Stattdessen fordert er ein Echtzeit-Monitoring über alle Medien und ein zeitgemäßes Bild des Mediennutzers. „Die Einteilung der Deutschland-Karte nach Nielsen-Gebieten entspricht dem Postkutschen-Zeitalter. Das Bild des sesshaften Bürgers hat ausgedient.“
Natürlich weiß Eicher auch, dass seine Forderungen im Zeitalter langfristig anberaumter und paritätisch besetzter AG.MA-Gremien nicht schnell durchzusetzen sind. Er will eine „erste Ideenskizze“ liefern. Wenn sich Vertreter der klassischen Medien auf die Diskussion einlassen, sei schon viel gewonnen.
Das komplette Media-Manifest mit Kommentarfunktion gibt es im Kontakter-Blog.
Mehr zum Thema Facebook-Marketing gibt es im neuen W&V-Online-Special.