Kritik zur Kretschmer-Show auf Vox:
"Geschickt eingefädelt": Sauber abgestecktes Casting-TV
Vox macht mit "Geschickt eingefädelt" höchstens Schlagzeilen bei "Burda Style". Richtig langweilig ist die neue Show mit Guido Maria Kretschmer aber nur für Modemuffel, findet W&V-Redakteurin Petra Schwegler.
Vox hat die neue Castingshow mit Juror Guido Maria Kretschmer wortwörtlich "Geschickt eingefädelt“. Die Suche nach dem größten Schneidertalent – am Dienstagabend beim Kölner Sender gestartet – ist dem 50-Jährigen auf den Leib geschneidert. Acht Kandidaten, die um die Wette nähen, viel Mode, Handwerkskönnen auf der einen, verunsicherte Frauen auf der anderen Seite, ein weiblicher Blockwart und ein charmanter Sidekick als Co-Juroren: Das ist das Schnittmuster der BBC-Adaption, die Tower Productions für Vox umsetzt. Der talentierteste Hobbynäher wird mit einer Einladung an die Ecole de la Chambre syndicale de la couture parisienne belohnt, an der Mode-Ikonen wie Karl Lagerfeld oder Yves Saint Laurent ihr Handwerk gelernt haben.
Sauber abgestecktes Casting-TV ist das, was uns Vox da vorsetzt. Ein bisschen sticheln à la Kretschmer darf sein, eben so, wie es beim Einkleiden in seinen Vox-Reihen "Shopping Queen" und "Promi Shopping Queen" zugeht. Viel Dreingabe beim derben Stoff gibt es aber nicht. Schnell hüllt der Designer das Gesagte in sanftere Farben. Wenn Kretschmer sagt "Ich kann mir vorstellen, dass ...", folgt Tröstendes, ein Tipp, was die weniger geschickten Schneider noch aus sich und ihren Entwürfen machen könnten.
Anders als bei seinem gefloppten RTL-Castingshow-Versuch "Deutschlands schönste Frau" hält sich Guido Maria Kretschmer bei der Beurteilung nicht mit langen Reden auf. Klare Ansagen zu Verschnittenem statt psychologischer Attacken. Auch die taffe Inge Szoltysik-Sparrer, Bundesvorsitzende des Maßschneiderhandwerks, und die stets lächelnde Designerin Anke Müller reden nicht lange um den Brei herum: Was passt, das passt.
Richtig langweilig ist die Show eigentlich nicht – wenn man Fan des Vox-Modepapstes und seiner Art ist. Und wenn man sich auf "Inge" einlässt: Senkt die akkurate und strenge Profi-Schneiderin Szoltysik-Sparrer den Daumen, entgleiten den Kandidaten Gesichter und Scheren. Schiefe Nähte, nicht abgeschnittene Fäden, Reste von gelber Schneiderkreide auf dem Herrenhemd, das ein Partyoberteil werden soll oder Stiche, die auf der rechten Stoffseite durchscheinen: Das sind die Aufreger bei "Geschickt eingefädelt". Gegenüber der Nachrichtenagentur "dpa" hatte Kretschmer im Vorfeld davon gesprochen, dass "Geschickt eingefädelt" eher dem Trend zum Slow TV zuzuordnen sei: Tschüss, Spannungskurve! Hallo, falsch angenähter Reißverschluss! Schlagzeilen zur Castingreihe sind damit weniger bei "Bild" als vielmehr beim Nähmagazin "Burda Style" zu erwarten.
Noch fünf Folgen lang wird Kretschmer aus mehreren Kandidaten den besten Hobbyschneider herausfiltern. Der Marktanteil der Premiere von "Geschickt eingefädelt" lag ab 20.15 Uhr beim werberelevanten Publikum zwischen 14 und 49 Jahren bei 7,9 Prozent und damit etwas über Senderniveau. 1,65 Millionen Zuschauer ab drei Jahren schalteten den ersten Teil der Reihe ein. Ob da noch eine Zugabe drin ist? Nähbegeisterten und Kretschmer-Anhängerinnen wird "Geschickt eingefädelt" gefallen, Werbekunden können sich in einem sauberen Umfeld sicher fühlen. Die Show wird den geneigten Zuschauer - ohne wirklich Nähtipps zu nennen - vielleicht zum Nachschneidern anstacheln, andere zappen allerdings wohl erst gar nicht hin. Der neueste TV-Stoff aus dem Hause Vox ist eben auf eine spitze Zielgruppe zugeschnitten.