Interview mit Medienanwältin Tanja Irion:
"Freiwillig kriecht kein Verlag zu Kreuze"
Blamage für Klambts Peoplemagazin "OK":Das Blatt musste eine Entschuldigung abdrucken. Medienanwältin Tanja Irion über erfundene Interviews und Fake-Geschichten und wie vorsichtig die Medien geworden sind.
Schlappe für Klambts Peoplemagazin "OK": In der Ausgabe vom 30. September musste sich das Blatt verpflichten, auf der Titelseite eine Entschuldigung abzudrucken. Der Grund ist der frei erfundene Artikel "Sabias Tochter – exklusiv in OK: Hände weg von meiner Mama". Darin zitiert Reporterin Sophie Pieters Katharina B., die Tochter der Spielerfrau Sabia Boulahrouz. Medienanwältin Tanja Irion hat zwei Einstweilige Verfügungen erwirkt, neben Klambt ist auch RTL ins Visier geraten. Ein Gespräch mit ihr über erfundene Interviews und Fake-Geschichten und wie vorsichtig die Medien nach dem Caroline-Urteil geworden sind.
Frau Irion, Sie haben nun die Tochter von Sabia Boulahrouz, Model und ehemalige Freundin des Fußballstars Rafael van der Vaart, rechtlich gegen den Klambt-Verlag vertreten. Häufen sich solche Fälle, weil die Boulevard-Magazine unter starkem Auflagendruck stehen?
Tanja Irion: Seien wir ehrlich, erfundene Geschichten gab und gibt es unabhängig vom Auflagendruck, besonders natürlich in der Yellow Press. Bei den klassischen People Magazinen ist das eher ein neues Phänomen. Und wenn, werden eher Geschichten aus dem internationalen Bereich, insbesondere bei Prominenten aus den USA, verbreitet. Vermutlich sehen die Magazine hier keine so große Gefahr von Gegenwehr bzw. Klagen. Ein erfundenes Interview stellt allerdings - zum Glück - eine Ausnahme dar. Einem Interview wohnt ja immer eine ganz besondere Authentizität inne. Der Leser geht hier davon aus, dass sich der Interviewte tatsächlich genauso geäußert hat. Im Gegensatz zu nur reißerisch aufgemachten Stories wird hier gerade nicht am Wahrheitsgehalt gezweifelt. Genau das macht die Persönlichkeitsrechtsverletzung für den Betroffenen dann so schwerwiegend.
"OK" hat sich bei den Lesern für das gefälschte Interview entschuldigt. Im Rechtsstreit mit dem Formel 1-Chef Max Mosley gegen Springer haben Sie vor einigen Jahren erreicht, dass die "Bild"-Zeitung mit Mosley ein großes Wiedergutmachungs-Interview führen musste. Sind die Medien mehr denn je bereit, medial zu Kreuze zu kriechen, um bei den Lesern ihr Gesicht zu wahren?
Freiwillig kriecht natürlich auch heute kein Verlag zu Kreuze. Eine Entschuldigung oder ein Wiedergutmachungsinterview bedeutet immer auch ein starkes Eingeständnis gegenüber dem Betroffenen und dem Leser. In den von Ihnen genannten Fällen waren die Rechtsverletzungen aber so eindeutig wie schwerwiegend, dass bei den Medien wahrscheinlich auch die Überlegung eine Rolle spielt, was ein langjähriger Rechtsstreit, dessen Ausgang mehr oder weniger schon feststeht, bei denen anrichten kann. Letztendlich dürften hierbei auch die Kosten in die Waagschale fallen. Dass eine kurzfristige Lösung wie eine Entschuldigung bei den Betroffenen und auch bei den Lesern dabei helfen kann, das eigene Gesicht zu wahren, halte ich für eine denkbare Motivation.
Das Caroline-Urteil hat die Persönlichkeitsrechte von Promis in der Berichterstattung gestärkt. Sind die Medien seither vorsichtiger geworden?
Im Allgemeinen auf jeden Fall. Ausnahmen gibt es natürlich immer noch. Aber nicht nur die Tatsache, dass seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte feststeht, dass auch ein zuvor von der deutschen Rechtsprechung als "absolute Person der Zeitgeschichte" bezeichneter Prominenter nicht mehr jeden Eingriff in sein Privatleben dulden muss, haben dazu beigetragen. Auch die Höhe der Geldentschädigung, die beispielsweise in Fällen erfundener Interviews Prominenter von deutschen Gerichten ausgeurteilt wurden, haben die Medien vorsichtiger werden lassen. Wobei die Summen bei weitem noch nicht abschreckend genug sind. Wenn die Medien als meinungsbildende Faktoren agieren sollen, dann müssen sie sich auch an die Spielregeln halten.
Häufig basieren People-Geschichten auf Spekulationen. Wann gehen diese aus medienrechtlicher Sicht zu weit?
Problematisch ist häufig, dass eben nicht mehr klar ersichtlich wird, dass es sich tatsächlich nur um Spekulationen handelt. Suggeriert die Geschichte, dass ein Sachverhalt feststeht, ist dies medienrechtlich jedenfalls angreifbar, wenn die Behauptung erweislich unwahr ist. Schwieriger sind Fälle zu beurteilen, in denen eine Behauptung klar als Gerücht benannt wird. Allerdings kann auch die Mitteilung eines Verdachts oder Gerüchts rechtlich angreifbar sein. Die Rechtsprechung geht dabei teilweise so weit, dass auch die Existenz und nicht nur der geschilderten Inhalt des Verdachts bzw. Gerüchts eine Tatsachenbehauptung darstellen soll, wenn sich der Äußernde - hier das Medium - nicht hinreichend deutlich von dem Gerücht oder Verdacht distanziert. Im Ergebnis kann also auch die Behauptung, es gebe Gerüchte zu einem bestimmten Sachverhalt, angegriffen werden, wenn dies nicht der Wahrheit entspricht. Auch das halte ich im Ergebnis für eine richtige Tendenz, da man ansonsten Spekulationen jeglicher Art schutzlos ausgeliefert wäre.
Oftmals verlangen die Promis Schadenersatz. Steigen die Vergleichssummen?
Dies ist verallgemeinernd schwer zu sagen, da in den meisten Vergleichsregelungen auch Vertraulichkeit vereinbart wird und insofern darüber oft nur spekuliert werden kann. Allerdings macht eine Vergleichsvereinbarung natürlich auch nur dann Sinn, wenn sie sich für beide Seiten lohnt. Ich sehe eine leichte Tendenz der Gerichte in die richtige Richtung. Im Ergebnis kommt es aber immer auf den Einzelfall und die Interessen der Beteiligten an.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen Fake-Autoren wie im Fall "OK"?
Oftmals geben die Verlage die Namen der Autoren gar nicht preis. Viele Betroffene halten sich dann bei der Geltendmachung ihrer Rechte an die wirtschaftlich stärkeren Verlage. Grundsätzlich können Ansprüche aber auch gegen den Autoren direkt geltend gemacht werden. Denkbar ist darüber hinaus, dass der Verlag den Autoren, der ihm möglicherweise ein Interview oder eine Story untergeschoben hat, hinterher in Regress nimmt, d.h. von ihm zurückfordert, was er aufgrund der erfundenen Geschichte an den Betroffenen hat zahlen müssen. In jeden Fall kann man aber sagen, dass ein gefälschtes Interview hoffentlich das Karriereende eines Autoren im Bereich des seriösen Journalismus bedeutet.
Welche Rechtsverletzungen beschäftigen Sie derzeit am meisten?
Erfundene Interviews sind tatsächlich eher eine Ausnahme. Was aber durchaus häufiger vorkommt, sind kürzere falsche Zitate, die Mandanten untergeschoben werden. Ebenso zählt der schon etwas angerissene Bereich der sogenannten "Verdachtsberichterstattung", die oftmals nicht ausgewogen erfolgt, zu den Schwerpunkten meiner täglichen Arbeit sowohl für Privatpersonen, als auch für Unternehmen. Rechtsverletzungen durch Google-Suchergebnisse beschäftigen mich ebenso nach wie vor häufig. Und zunehmend werden Informationen bzw. Gerüchte von "interessierten Kreisen" gespielt, mit dem Versuch über die Medien Einfluss zu nehmen.
Vertreten Sie auch Fälle von Schleichwerbung?
Unter Schleichwerbung versteht man nach dem Rundfunkstaatsvertrag, die Erwähnung oder Darstellung von Waren oder Dienstleistungen in Programmen zu Werbezwecken, ohne diese zu kennzeichnen - in der Regel gegen Geldzahlungen. Das ist ein juristischer Bereich mit dem wir uns nicht beschäftigen.