Klartext mit Katharina Wolff:
"Für einen Tech-Profi ist das Geld zweitrangig"
Nerds verzweifelt gesucht: Jeder braucht technisch ausgebildete Digitale, aber viele Personaler tun sich schwer mit ihnen. Im neuen Klartext-Interview erklärt Headhunterin Katharina Wolff, wie es trotzdem klappt.
Katharina, Mitchell Baker von Mozilla hat neulich mehr Diversität in der Tech-Branche gefordert. Angeblich fehlt es dort an Geisteswissenschaftlern. Wie siehst du das?
Wenn der Satz "Wir brauchen mehr Geisteswissenschaftler in der Tech-Branche" alleine für sich steht, finde ich das falsch. Diese Fachkräfte gibt es auf dem Markt. Man muss sie nur einstellen. Was fehlt, sind Geisteswissenschaftler mit Basic Tech Know-how. Aber auch Techies mit überdurchschnittlicher Kommunikationsstärke.
Was verstehst du unter "Basic Tech Know-how"?
Viele Geisteswissenschaftler haben noch nie etwas von Scrum oder Agile gehört. Juristen - so wie ich - im Normalfall auch nicht, darum würde ich in allen Studienfächern Basiswissen darüber vermitteln, wie man programmiert und erklären, dass es eine Architektur nicht nur beim Haus gibt und dass es nicht nur beim Laufen, sondern auch bei der Produktentwicklung um Sprints geht. Und ein wenig HTML lesen und schreiben zu können schadet mit Sicherheit auch nicht. Eine solche digitale Grundausbildung würde ich mir in jedem Studiengang wünschen. Nein besser: In der Schule!
Wie wichtig ist eine Tech-Ausbildung überhaupt noch, wenn wir alle lebenslang lernen müssen? Ein veränderungsresistenter DOS-Gott der 80er Jahre mit Informatik-Diplom bringt im Zweifelsfall wahrscheinlich weniger als ein 30-Jähriger Relgionsphilosph, der Lust auf etwas Neues hat.
Da kann ich nicht widersprechen. Der Willen zum lebenslanges Lernen ist eine der wichtigsten Eigenschaften für Unternehmenschefs und Führungskräfte von heute. Ich muss ja selbst schon mit meinen 34 Jahren darum kämpfen, nicht abgehängt zu werden. Das geht nur, weil ich jeden Tag Lust habe, mich weiterzubilden, Newsletter zu lesen, mit Menschen zu sprechen, die schlauer sind als ich, und ihre Vorträge anzuhören. Ich glaube trotzdem, dass in 15 bis 20 Jahren fast jeder Job mit Tech zu haben wird. Daher weiß ich, dass meine Kinder neben ein bis zwei Fremdsprachen auf jeden Fall Coden lernen werden!
Ich hatte in der Schule null Interesse an Computern. Das kam erst irgendwann im Studium. Später habe ich ganz passabel HTML gelernt. Bei Javascript hörte es dann aber schon auf. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass mir HTML heute viel bringt oder Javascript mir fehlt.
Ich hatte als Kind auch keine Lust auf Klavierstunden und bin jetzt dankbar, dass meine Eltern drauf bestanden haben. Als Kind lernt man einfach schneller. Und ich denke, dass eine gute Grundausbildung in der Schule - auch in Chemie oder Biologie - hilft, herauszufinden, was man kann und beruflich machen möchte. Darum bin ich für die Schulzeit als Basis.
Dafür gibt es in der Schule ja auch Informatik-Unterricht.
Der normale Informatikunterricht von heute ist so, als würde ich zum Klavierspielen auf einem Xylophon üben. Dann werde ich auch nie Pianist. Sofern es überhaupt Informatik-Unterricht gibt, in Hamburg ist das zum Beispiel nicht als Fach im Lehrplan verankert.
Was stört dich an der Kommunikation der Hardcore-Techies? Wenn ich mir die CTOs von Berliner Startups anschaue, kommt mir das Klischee vom verschwitzten Nerd ziemlich überholt vor.
Aber das ist nicht die Masse der Techies. Die CTOs sind da oben gelandet, eben weil sie kommunizieren können und mögen. Das trifft lange nicht auf alle zu. Ein Techie kommuniziert meist lieber über Tickets und Slack und der Geisteswissenschaftler eben lieber im persönlichen Gespräch oder beim Kaffee - um hier mal alle Vorurteile zu bedienen ;-)
Ich kann beide Welten verstehen, denke aber, dass die meisten Kommunikationsprobleme daher kommen, dass viele nicht überlegen, mit wem sie gerade sprechen.
Was ist das größere Problem: Techies, die einfach nicht gerne kommunizieren, oder Techies, die Probleme rein technokratisch angehen ohne sich zu überlgen, wieso und für wen?
Beides gleichermaßen, aber beides muss kein Problem sein. Techies sind momentan so gefragt, dass man sich auf sie einstellt. Jedenfalls sollte man schlau genug sein, es zu tun. Wir sprechen Techies im Search auch ganz anderes an, als zum Beispiel einen Vertriebler. Ich persönlich liebe es, mit Techies zu sprechen, weil sie nicht um den heißen Brei herum reden und man sofort weiß, woran man ist. Und wenn man es richtig anstellt, können sie unglaublich kommunikativ sein. Ich habe fast mein ganzes IT-Wissen von IT-Kandidaten, mit denen ich mich unterhalten durfte. Sobald sie merken, dass man sich für sie und ihre Arbeit ernsthaft interessiert, sind es unglaublich liebenswerte, hilfsbereiche und kommunikative Personen. Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn mich jemand mit dem falschen Namen anspricht - Iskender Dirik von Microsoft kann hier das größte Lied singen - reagiere ich auch nicht. So in etwa ist es auch bei Techies.
Du wirst aber sicher auch dem Vertriebler Interesse für seine Arbeit signalisieren? Was ist bei IT-Kandidaten der besondere Trick?
Für einen Tech-Profi ist das Geld zweitrangig. Er oder sie möchte ein tolles Produkt, eine Führungskraft, von der man wirklich lernen kann, und ein Arbeitsumfeld, das nicht einengt. Für den Vetriebler ist das Produkt auch wichtig, aber nur um zu wissen, wie er es verkaufen kann.
Gibt es bei den Techies eigentlich Unterschiede je nach Ausbildung? Ist ein Informatiker z.B. anders als ein Mathematiker oder Naturwissenschaftler? Ich hatte gerade mit Franziska von Lewinski von Fischer Appelt zu tun, die eigentlich Bauningenieurin ist. Auch eine interessante Kombination.
Ein Informatiker ist in der Tiefe mit Sicherheit besser in Sachen Programmierung und Architektur, aber ein Bauingenieur setzt den Code meist ins Verhaltnis, sprich er sieht das ganze Geschäftsmodell. Von daher: In der Tat eine megaspannende Kombi bei Franziska. Sie ist halt auch noch empathisch, supernett und schlau dazu. Die Kombi hat auch nicht jeder. Mathematiker wiederum sind für alle Datenmodelle Gold wert! Da kann fast jeder Informatiker einpacken, der sich nicht besonders weitergebildet hat.
Deutschlands Techie Nr. 1 ist die Bundeskanzlerin. Du warst mal CDU-Politikerin und Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete. Wie schätzt du die Kommunikationsfähigkeit der promovierten Physikerin Angela Merkel ein?
Ich habe selten einen so witzigen und schlagfertigen Menschen kennenlernen dürfen. Frau Merkel kommnuiziert defintiv anders, und zwar viel zielgerichteter und weniger als alle Politiker, die ich kenne. Sie schafft dafür aber auch drei Mal so viel.
Also ist Merkel ein typischer Techie?
Nahe dran zumindest. Aber die wenigsten Techies würden mit so viel Rampenlicht und Anfeindung klar kommen.
Über Katharina Wolff: Die Gründerin und Geschäftsführerin von D-Level vermittelt digitale Führungskräfte und berät Unternehmen in allen Dingen, die damit zusammenhängen: Strategie, Organisation und Transformation. In ihrer Heimatstadt Hamburg ist Wolff auch politisch hervorgetreten: 2011 bis 2015 war sie Mitglied des Landesparlaments. 2018 startete sie den Podcast "Inside Team Building" und gemeinsam mit W&V das Interview-Format "Klartext mit Katharina Wolff". Die "Wirtschaftwoche" zählt sie zu den Top-3-Headhuntern für digitale Führungskräfte.