"E-Journals haben Print-Abos in vielen Bibliotheken bereits verdrängt"
Bytes statt Buchstaben: Fachverlage übernehmen eine Vorreiterrolle bei der Verbreitung von E-Books. Im Interview erklärt Klaus Bahmann, Director Library Sales bei Springer, wie digitale Bücher den wissenschaftlichen Markt verändern.
Bytes statt Buchstaben: Fachverlage übernehmen eine Vorreiterrolle bei der Verbreitung von E-Books. Im Interview erklärt Klaus Bahmann, Director Library Sales bei Springer, wie digitale Bücher den wissenschaftlichen Markt verändern.
Wie sehen Ihre derzeitigen Aktivitäten auf diesem Gebiet aus?
Springer Science+Business Media ist nicht nur einer der größten Verleger wissenschaftlicher Zeitschriften, sondern mit jährlich insgesamt 6.500 Büchern der größte wissenschaftliche Buchverlag. Davon sind etwa 4.500 Bücher reine Wissenschaftstitel aus den STM-Bereichen Science, Technology, Medicine, die anderen 2.000 Titel lassen sich dem B2B Sektor zuordnen.
Es ist angesichts dieser Menge nicht verwunderlich, dass Springer schon sehr früh Konzepte für eine Digitalisierung der Buchproduktion und entsprechende Angebotsmodelle für eBooks entwickelt hat. Springer ist seit Mitte 2006 mit seinem E-Book-Angebot am Markt. Derzeit kann der Verlag nahezu 45.000 eBooks aus zwölf verschiedenen Fachgebieten auf seiner Plattform www.springerlink.de anbieten.
Welche Zielgruppe erreichen Sie damit?
Das Angebot richtete sich zuallererst an Hochschulen und Forschungseinrichtungen und überzeugte mit folgendem Produktversprechen: Künftig wird jedes Springer-Buch auch als eBook verfügbar sein, die eBooks werden in fachgebietsspezifischen Kollektionen angeboten und ein einmal erworbenes eBook steht den berechtigten Nutzern fortdauernd zur Verfügung. Im Gegensatz zu einem einzelnen Exemplar eines Printbuches, kann ein Springer eBook gleichzeitig von einer beliebig großen Anzahl gleichzeitiger Nutzer gelesen werden, d.h. ein Student wird nie mehr sehnsüchtig auf die Rückgabe eines ausgeliehenen Buches warten müssen.
Wie ist die Resonanz?
Unser Angebot hat einem bis dato relativ trägen Markt einen nachhaltigen Impuls gegeben, denn zum ersten Mal war eine Bibliothek in der Lage, ihren Nutzern auch eine wirklich „kritische Masse“ an Titeln anzubieten. Heute sind unsere eBooks aus wissenschaftlichen Bibliotheken nicht mehr wegzudenken. Im Segment der wissenschaftlichen Fachliteratur ist Springer mit seinen eBooks die unangefochtene Nr. 1. Bei Springer generieren wir bereits 20 Prozent unserer Buchumsätze mit eBooks. Sie tragen nachhaltig zum Wachstum des Unternehmens bei.
Springer hatte bei der Einführung der eBooks im Hinblick auf das Produkt und das sehr liberale Geschäftsmodell eine gewisse Pionierrolle eingenommen. Unsere Entwicklungsabteilung war daher auch sehr gespannt zu erfahren, wie gut die Akzeptanz vor Ort sein würde. Rückblickend können wir sagen, dass uns die enorme Nutzung insbesondere an Universitäten und Fachhochschulen selbst überrascht hat. Vor diesem Hintergrund sprechen manche Bibliothekare vom „Suchtcharakter“ der Springer eBooks. Sind Wissenschaftler und Studenten einmal damit vertraut, wollen sie diese nicht mehr missen.
Für welche Plattformen und Formate (Tablets, E-Reader, PC) bieten Sie E-Books an?
Unsere eBooks werden vorwiegend im Rahmen der eigenen wissenschaftlichen Arbeit bzw. für Studium und Lehre genutzt. Wissenschaftler und Studenten brauchen einen schnellen und unkomplizierten Zugriff auf die benötigte Literatur. Sie erwarten, dass sie die benötigten Buchkapitel ausdrucken und ggf. auf ihrem Laptop ablegen können. Hierfür ist pdf das am besten geeignete Format. Dieses lässt sich auf allen PCs und den meisten E-Readern problemlos lesen. Dennoch geht Springer bereits den nächsten Schritt und plant, die einzelnen Kapitel eines eBooks parallel im epub-Format anzubieten.
Wo treten spezifische Probleme im E-Book-Geschäft auf bzw. so sind welche zu erwarten?
Für jedweden Anbieter digitaler Inhalt stellt sich die Frage, inwieweit sich die Inhalte vor Missbrauch schützen lassen. Springer hat sich hier für ein offenes Konzept entschieden und verzichtet auf die Verschlüsselung der Daten durch ein DRM-System. Diese wird von unseren Bibliothekskunden sehr geschätzt und kann einen Missbrauch nicht immer ausschließen. So finden wir unsere Inhalte immer wieder auf einschlägigen Tauschplattformen oder anderen zwielichtigen Websites im Internet. Inzwischen haben wir einen Dienstleister beauftragt, auf einschlägigen Plattformen zu prüfen, inwieweit Springer eBooks dort vorgehalten werden. Hier wird dann jeder Einzelfall verfolgt bzw. zur Anzeige gebracht.
Wie schätzen Sie die künftige Entwicklung ein und wie wird Ihr Verlag darauf reagieren?
Wir gehen davon aus, dass eBooks binnen eines Zeitfensters von 10 Jahren im wissenschaftlichen Markt das vorherrschende Format sein werden. Warum sollte es sich bei den eBooks anders verhalten als bei den wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Springer hat 1997 die ersten Zeitschriften online angeboten. eJournals sind heute absolut etabliert und haben die Printabos in vielen Bibliotheken bereits zur Gänze verdrängt.
Die Entwicklung neuer Formate und Präsentationsformen wird maßgeblich von den Bedürfnissen der Nutzer gesteuert werden. Ein Online-Medium hat einen Mehrwert und „kann daher einfach mehr“. Aus Lehrbüchern werden Lernplattformen. So haben wir für die 1. Ärztliche Prüfung eine interaktive Lern- und Prüfungsplattform entwickelt, die bei einschlägigen Fragestellungen auf unsere digitalen Lehrbücher in der Medizin verweisen.
Was planen Sie noch?
Im Laufe des Sommers werden wir den Online-Wissenstrainer SpringerScore für Biologie-Studierende vorstellen, der ebenfalls auf einschlägige eBooks in der Biologie Bezug nimmt. Mittelfristig wird es nicht mehr die großen Lehrbücher geben, stattdessen Lerninhalte, die sich – modular und interaktiv aufbereitet – am Profil des Nutzers orientieren.
Springer entwickelt sich parallel zum Marktgeschehen: Wir wollen mit dem mobilen Nutzungsverhalten unserer Kunden Schritt halten und haben unsere Infrastruktur so angelegt, dass unsere Inhalte als ePub-Format vorrätig sind. So können sie flexibel auf das jeweilige mobile Endgerät angepasst werden.