Gastkommentar:
"Der Fokus auf Sound und Klang greift zu kurz"
Reinsclassen-CEO Christian Daul hält den Audio-Hype für überzogen. Letzlich entscheiden Wörter und Inhalte über den Erfolg bei Voice Commerce.
Christian Daul ist CEO der Hamburger Agentur Reinsclassen mit Schwerpunkt Corporate Language. Das ADC-Mitglied beschäftigt sich seit langem mit Voice-Marketing und findet den aktuellen Audio-Boom leicht überzogen.
Keine Woche vergeht aktuell ohne eine Schlagzeile über die Wiederauferstehung von Audio oder die segensreichen Neuerungen der Sprachassistenten für das Marketing. Marken müssen auf einmal stärker hörbar sein und klingen. Und so sehr das alles zu begrüßen ist, sollte man viel genauer beachten, was sich gerade wirklich tut und worauf es ankommen wird. Es ist nämlich oft alter Wein in neuen Schläuchen der als neuestes "Marketing Must Have" gepriesen wird. Soundlogos, Audio- oder Sonic Branding sind beileibe nicht neu und jede Marke, die ein umfassenderes Verständnis von sich selbst und wichtigen Kanälen hat, sollte schon lange darüber nachgedacht haben.
So sind Audi und die Telekom seit vielen Jahren in internationalen Rankings führend zum Thema erfolgreiches Audio Branding. Wenn eine Marke wie Mastercard sich aktuell auditiv besonders hervortut, hat das vor allem damit zu tun, dass man die eigentlich komplett virtuelle Transaktion irgendwie erlebbar und emotional aufladbar machen muss. Da ist Sound das probate Mittel. Aber der Fokus auf Sound und Klang von Marken greift ebenso deutlich zu kurz, wie mal eben schnell einen Skill für Alexa mit einer halbgaren Idee zu programmieren (erinnert stark an die erste Phase der App Economy).
Bloß kein Marketing-Sprech
Bevor man tönt und klingt, sollte man sich erst einmal überlegen, wie man spricht. Also mit welchen Worten und Inhalten. Denn die eigentliche Herausforderung der Zukunft liegt darin, bei Voice Search überhaupt gefunden zu werden. Denn ohne dass der digitale Assistent einen findet und empfiehlt, wird auch der vielbeschworene Voice Commerce nicht stattfinden.
Search wird sich durch Stimme maßgeblich verändern. Niemand weiß aber aktuell ganz genau wie. Denn die maßgebliche Richtlinie von Google (Speakable) ist noch in Beta und außerdem holt quasi im Hintergrund Bing mächtig auf, denn sowohl Alexa als auch Siri und Cortana nutzen nicht die Daten von Google. Umso wichtiger ist es, sich nun über die Kern-Sprach-Werte einer Marke klar zu sein, die sich deutlich von anderen Marken abgrenzen müssen. Außerdem sollte bei der Sprach-Inventur darauf geachtet werden, dass diese Markenwerte in alltägliche und lebensnahe Begrifflichkeiten und Kontexte übersetzt werden können. Denn niemand wird seinen Assistenten in Marketing-Sprech befragen.
Keine Fragen, sondern Dialoge
Durch die rasche Entwicklung der Sprach-Systeme ist im Übrigen davon auszugehen, dass sich bald ein "conversational search" entwickeln wird, also ein echter Dialog zwischen Mensch und Maschine, der über mehrere Interaktions-Stufen zu einer Beantwortung oder Bestellung führt. Marken müssen also zukünftig alles tun, um bei Alexa, Siri & Co. gut da zu stehen und gleichzeitig mit eindeutigen Marken-Begrifflichkeiten und Sprach-Codes im Kopf der Nutzer zu sein. Da hilft kein Außendienst und kein Incentive. Aber die konsequente Arbeit mit den richtigen und smarten Worten. Denn es wird verdammt eng werden.
Während Google im Web auf eine Textsuche meist endlose Listen von Ergebnissen produziert - vollgespickt mit Werbung an den Rändern -, werden die Sprachassistenten zukünftig nur 1 bis 3 Empfehlungen geben. Denn wer würde sich mehr anhören wollen? Ob man dazu so etwas "Pre-Roll-Spots" hören wird und wie die klingen, ist genau so offen, wie die Frage nach dem Umfang und der Geschwindigkeit mit der Voice Search die konventionelle Abfrage ablösen wird. Bei Google und Comscore geht man davon aus, dass schon 2020 die Hälfte aller Suchen sprachbasiert sein werden. Es gilt also keine Zeit zu verlieren, der eigenen Marke oder dem Unternehmen eine eindeutige Sprache zu geben.