Interview mit Florian Boitin:
"Das Playboy-Geschäft ist härter geworden"
Als der "Playboy" an den Start ging, hatten manche Amerikaner mehr Angst vor Sex im Hellen als vor dem Einmarsch der Russen. Heute ist nackte Haut alltäglich geworden - und der Job des deutschen "Playboy"-Chefs Florian Boitin so schwierig wie noch nie. Ein Interview über Marken-DNA, Promi-Akquise mit Blumensträußen, Photshop nach dem Shooting und den häufigsten Satz rund um den "Playboy".
Florian Boitin ist der Herr der Bunnies, Seit 2009 leitet der 46-Jährige die Redaktion des deutschen Playboy – und hat damit zwar einen Job, um den ihn sicher viele Männer beneiden, der aber auch nicht ohne ist. Schließlich muss man(n) für nackte Tastsachen heute keinen Playboy mehr kaufen. Warum die Marke dennoch nicht an Glanz verloren hat und wie er das Männermagazin fit für die Zukunft macht, hat Boitin dem W&V-Autor und Blogger Karsten Lohmeyer verraten.
Herr Boitin, Sie tragen ja gar keinen Bademantel! Ist das nicht Pflicht als Playboy-Chefredakteur?
Wenn, dann wäre es ein Morgenmantel. Playboy-Gründer Hugh Hefner trägt immer einen Morgenmantel, den es übrigens in verschiedenen Farben gibt.
Aber wenn man Hugh Hefner in seiner Playboy-Mansion besucht, muss man Morgenmantel tragen, oder?
Nein, da ist er sehr tolerant. Er empfängt auch Kollegen, die Anzug tragen.
Mit dem Burda-Verlag sind Sie ja "nur" deutscher Lizenznehmer. Haben Sie Hugh Hefner überhaupt schon einmal getroffen? Oder regeln das die Anwälte?
Ich bin ihm bisher drei Mal begegnet. Beim ersten Mal habe ich ihn in Los Angeles zu seinem 85. Geburtstag interviewt. Wir hatten uns frühzeitig darum bemüht und waren die einzigen, die einen Interviewtermin bekommen haben. Er hat uns übrigens im roten Morgenmantel empfangen.
Mit seinen 85 Jahren und dem, was man so über ihn liest, kommt er mir ein bisschen entrückt vor…
Wir trafen auf einen bescheidenen, unterhaltsamen und sehr wachen Gesprächspartner, der wie gedruckt sprach und durchaus interessiert daran war, was bei uns in Deutschland passiert.
Konnten Sie ihn überraschen?
Nun, er erzählte uns zum Beispiel, dass es in den USA immer noch passieren kann, dass man im Flugzeug sehr bestimmt gebeten wird, den Playboy wegzulegen. Ich verriet ihm, dass der Playboy in Deutschlands zweitgrößter Airline sogar offen ausliegt. Er hat mir auf die Schulter geklopft und nur gesagt: "You are a lucky man!"
Da würden Ihnen sicher viele Männer zustimmen. Ist Playboy-Chefredakteur Ihr Traumberuf?
Ich wollte zunächst Fußballprofi werden und später Musiker. Aber Playboy-Chefredakteur ist auch zu ertragen.
Beschreiben Sie die Marke Playboy.
Playboy ist eine der bekanntesten Marken der Welt – und das Playboy-Bunny so berühmt wie das Logo von Apple oder Coca-Cola. Die Marke Playboy steht für anspruchsvolle Männerunterhaltung. Im Prinzip entspricht sie dem „Pursuit of Happiness“ aus der US-amerikanischen Verfassung – und steht seit dem Launch in Deutschland 1972 für „Alles, was Männern Spaß macht“…
…und das sind vor allem nackte Frauen?
Nicht in erster Linie. Denn sonst würde der Playboy zu 90 Prozent aus nackten Tatsachen bestehen. So machen nur in etwa ein Viertel des Magazins erotische Inhalte aus. Der Rest beschäftigt sich mit anderen, spannenden Lebenswelten des Mannes.
Die da wären?
Literatur zum Beispiel. Von Anfang an hat der Playboy immer wieder großen Namen Platz gegeben. Deshalb sind wir auch dazu übergegangen, wieder in jeder Ausgabe eine exklusive Kurzgeschichte eines internationalen Star-Autoren, wie zuletzt Chuck Palahniuk, Don Winslow oder in der kommenden Ausgabe T.C. Boyle, zu veröffentlichen. Übrigens hat ja auch einst Ian Fleming die Figur James Bond erst im Playboy so richtig entwickelt.
Der meistgesagte Satz rund um den Playboy ist "Ich kaufe ihn nur wegen der Reportagen".
Ich weiß natürlich, auf was Sie anspielen und wir sehen das durchaus mit großer Gelassenheit. Es gibt ja sogar offizielle Playboy-T-Shirts mit der Aufschrift: "I only read the articles". Letztendlich geht es doch darum, ein Magazin zu kreieren, das seine Leser zufriedener und glücklicher macht.
Um durch einen unversperrten Blick auf die weibliche Anatomie glücklicher zu werden, brauche ich den Playboy eigentlich nicht mehr…
Als der Playboy 1972 nach Deutschland kam, war die Nacktheit an sich die Nachricht. Da hat der deutsche Mann möglicherweise zum ersten Mal in seinem Leben eine unbekleidete Frau gesehen, die nicht seine eigene war. Im Jahr 2014 haben wir natürlich keinen Alleinanspruch mehr auf das Thema Erotik. Es ist nicht die Nacktheit, die den Playboy ausmacht. Es sind Ästhetik und Exklusivität der Enthüllung.
Was kann an Nacktheit heute noch exklusiv sein?
Natürlich ist Nacktheit heute gerademal einen Klick entfernt. Aber eine Sonja Kirchberger, eine Simone Thomalla oder eine Miriam Gössner findet man so "wie Gott sie schuf" eben nur im Playboy. Neben vielen anderen Themenwelten ist das unsere exklusive Nachricht, um die uns durchaus andere Medien beneiden.
Wie kriegt man eine prominente Frau dazu, sich vor der Kamera auszuziehen?
Wir zwingen natürlich niemand mit vorgehaltener Pistole. Tatsächlich funktioniert es wie in der realen Welt: Frauen wollen umworben werden. Manchmal reichen ein Blumenstrauß und einige intensive, sehr vertrauliche Gespräche.
Der Playboy-Chefredakteur fährt also mit einem Blumenstrauß durch die Republik und versucht im Separee bei Kerzenschein prominente Frauen rumzukriegen?
Nein, das läuft natürlich wesentlich diskreter und seriöser ab. Dabei werde ich unterstützt von meinem Fototeam, das übrigens zu 100 Prozent aus Frauen besteht. Wenn wir einen Kontakt mit beiderseitigem Interesse haben, treffen wir uns – im übrigen gerne zum Lunch in einem öffentlichen Restaurant und nicht im Separee – um zwanglos über die Idee, den Fotografen und ein Konzept für das Shooting zu sprechen. Wenn dann beide Seiten an der Zusammenarbeit interessiert sind, wird das in einen Vertrag gegossen.
Und mit welchen Argumenten überzeugen Sie Ihre Kandidatinnen?
Die Marke Playboy ist dafür allesentscheidend. Wenn Playboy nicht diese unnachahmliche und damit einzigartige Mischung männlicher Themenwelten böte, sondern eben doch nur für erotische Fotografie stünde, könnten wir keine Simone Thomalla oder Sonja Kirchberger für uns gewinnen.
Was steht im Vertrag?
Zum Beispiel, dass wir Prominenten ein Mitspracherecht bei der Auswahl des Fotografen, der Location und der veröffentlichten Bilder einräumen. Das ist uns wichtig, denn wir wollen, dass ein Playboy-Shooting auch für unsere prominenten Models zu etwas Einzigartigem wird und sie sich auch noch Jahre nach dem Shooting damit wohlfühlen. Katarina Witt wird ja heute noch daran erinnert, dass sie sich für den Playboy ausgezogen hat. Da begreifen wir es als entscheidend, dass sie an die Zusammenarbeit nur beste Erinnerungen hat.
Gehört zu den guten Erinnerungen auch der Einsatz von Photoshop, um ungewollte Speckröllchen und anderes zu kaschieren?
Wir setzen Photoshop nur sehr vorsichtig ein. Grundsätzlich ist es doch so: Fotobearbeitung an sich ist ja so alt wie die Fotografie. Dennoch ist es für uns beim Playboy wichtig, sehr behutsam mit den Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung umzugehen. Der Leser erwartet ja zu sehen, wie die Person wirklich aussieht und möchte deshalb keine Illustration vorgesetzt bekommen. Der Playboy ist kein Malbuch.
Was wird retuschiert?
Das ist kein Geheimnis. Da ein Foto eine Momentaufnahme und damit niemals absolut fehlerfrei ist, ziehen wir vielleicht mal die Farben an oder korrigieren Fältchen. Aber wir machen beim Playboy keine plastische Chirurgie.
Wir haben schon über Exklusivität gesprochen. Gibt es einen exklusiven Vertrag mit RTL, der automatisch dafür sorgt, dass eine Dschungelcamp-Kandidatin im Playboy landet?
Nein. Aber wir sind gut vernetzt und deshalb meist vorab informiert, wer zum Beispiel in den Dschungel geht. Dann schauen wir uns das Playboy-Potenzial der Kandidatinnen an und sprechen gegebenenfalls mit ihnen. Generell spielt das Thema „inhaltliche Relevanz“ eine große Rolle. Es muss ja nicht zwingend der Dschungel sein, der ansteht. Relevant für unsere Leser kann auch ein großes sportliches Event sein, wie etwa Olympia. Dann versuchen wir natürlich einen Sport-Star wie Miriam Gössner für unser Magazin zu gewinnen.
Ist die anstehende Fußball-WM ein solches relevantes Thema für den Playboy?
Wir wissen natürlich nicht nur durch unseren Leserbeirat, dass die kommende Fußball-WM ein Event ist, das für unsere Leser von herausragendem Interesse ist.
An nackten Herrenfußballern werden die wenigsten Ihrer Leser Interesse haben. Was planen Sie?
Ich möchte noch nicht so viel verraten, aber natürlich können Sie davon ausgehen, dass wir das Thema sehr prominent im Heft aufgreifen werden.
Wie bei vielen Zeitschriften ist die verkaufte Auflage des Playboy in den vergangenen Jahren gesunken. Ist die Marke verblasst?
Das sehe ich nicht. Ich glaube aber, dass sich die Funktion des Playboy verändert hat. Man muss nur mal schauen, in welcher Zeit Playboy entstanden ist: 1953, als Hefner die erste Playboy-Ausgabe veröffentlichte, hatten viele Menschen in Amerika doch weit mehr Angst vor Sex im Hellen als vor dem Einmarsch der Russen.
Und dann kam der Playboy mit seiner Spaß-am-Leben-Attitüde?
Ja, Hefner konfrontierte das puritanische Amerika mit seiner Vision von Freiheit, Toleranz und sagte: „Traut Euch!“ 1960 öffnete dann der erste Playboy Club und mit ihm entstand Playboy als Marke. Hefner hat früh erkannt, dass der Playboy mehr sein kann, als nur ein Magazin. Mit den Playboy-Clubs erfand er auch das Playboy-Bunny. Hefner wollte ja keine gewöhnlichen Bedienungen in seinen Clubs.
Nicht nur aus heutiger Sicht ist das Bunny aber auch etwas sehr Sexistisches.
Ach was. Es hat etwas augenzwinkernd-humorvolles, was zur Playboy-Welt einfach dazu gehört. Das Bunny ist eine Ikone und wichtiger Bestandteil unserer Kulturgeschichte. Aber natürlich kommt das immer auf den Kontext an. Für den Titel der Jubiläumsausgabe im Februar dieses Jahres posierte beispielsweise Model-Ikone Kate Moss wie selbstverständlich im Bunnykostüm. Die Fotos gingen um die Welt.
Sie haben nun gerade sehr viel von den guten alten Zeiten des Playboy geredet. Sind die nicht vorbei? Ist das nicht alter Glanz?
Nein, die Marke Playboy hat bis heute nichts von ihrem Glanz verloren. Ich merke das schon daran, dass ich fast täglich Anrufe erhalte von Menschen, die die Strahlkraft des Playboy liebend gerne für sich und ihre Produkte nutzen wollen.
Also alles gut? Weiter wie bisher?
Nein, wir alle befinden uns aktuell in einem enormen Medienwandel, der dafür sorgt, dass manche von den Renditen, die noch in den 90er Jahren mit Print eingefahren wurden, weit entfernt sind. Das Geschäft ist sicher härter geworden und man muss die Kostenstrukturen der veränderten Wirklichkeit anpassen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns sehr intensiv damit beschäftigen, wie wir die gesunkenen Printerlöse auf anderen Kanälen ausgleichen können und uns noch klarer an den Bedürfnissen unserer Konsumenten orientieren. Das ist eine zentrale Herausforderung für alle großen Medienmarken.
Was ist Ihre Antwort auf diese Herausforderung?
Wir haben frühzeitig begonnen unsere Hausaufgaben zu machen. Das heißt, dass wir bei Burda den Playboy als multimediale Marke begreifen und dabei sehr entschlossen auf digitale Welten setzen. Das Wort Online greift da viel zu kurz. Während playboy.de weitestgehend die Magazinwelt wiederspiegelt, gibt es mit dem sogenannten Playboy-Cyberclub ein Bezahlmodell für den exklusiven Zugang zu den Bilderwelten des Playboy. Das ist für mich eines der ganz wenigen erfolgreichen digitalen Abomodelle in Deutschland. Hier spielt natürlich auch Bewegtbild eine zunehmend große Rolle. Hinzu kommen unsere Social-Media-Aktivitäten, etwa mit den mehr als 1,5 Millionen Facebook-Fans, sowie zahlreiche Line Extensions im Print- und Digitalbereich, wie beispielsweise unsere Tablet-Edition fürs iPad. Das sind alles lauter kleine, feine Planeten, die um den Markenkern kreisen – das Print-Magazin.
Bringt die Kernmarke auch noch Geld?
Ja, wir machen noch immer einen Großteil unserer Erlöse mit dem Printmagazin. Aber unsere digitalen Aktivitäten gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Warum sollte ein Anzeigenkunde heute noch im Print-Playboy schalten?
Print wirkt, das ist kein Geheimnis. Nicht umsonst schalten zum Beispiel alle großen Autofirmen im Playboy. Sie wissen, dass die Affinität des Playboy-Lesers zu ihrem Thema 100-prozentig vorhanden ist und erreichen ihn in einer entspannten Situation. Die Anzeigen fügen sich in das redaktionelle Konzept ein. Und natürlich bieten wir starke Leistungsdaten und große Reichweite.
Wie halten Sie die Marke frisch für die nächsten Jahrzehnte?
Grundsätzlich ist es entscheidend, die Erwartungshaltung der Leser zu kennen. Deshalb haben wir auch einen Leserbeirat ins Leben gerufen, den wir zu grundsätzlichen Themen befragen. Außerdem müssen wir immer wieder neue Ansätze finden, um auch Konsumenten zu begeistern, die den Playboy möglicherweise niemals am Kiosk kaufen würden. Wir wollen zum Beispiel herausfinden, welche Rolle wir künftig auf Smartphones spielen können. Auf den Partys unserer Playboy-Club-Tour bieten wir die Marke Playboy zum Anfassen, womit wir seit Jahren gerade viele junge Fans begeistern. Wir gehen exklusive Kooperationen ein, wie aktuell mit der auf 60 Exemplare limitierten Mini-Edition zum 60. Playboy-Geburtstag. All das funktioniert in Summe sehr gut.
Lassen Ihnen die amerikanischen Lizenzgeber eine lange Leine?
Wir haben einen sehr kurzen Draht und ein vertrauensvolles, über Jahre gewachsenes Verhältnis. Kooperationen wie die erwähnte Playboy-Mini-Edition sprechen wir natürlich im Vorfeld ab. Die Reaktion der Amerikaner war: "Das ist toll, können wir da mitmachen?". Ich möchte sogar soweit gehen zu behaupten, dass wir von unserem Lizenzgeber als Vorzeige-Edition gesehen werden. Wir sind weltweit ja nicht nur die erste Lizenzausgabe überhaupt, sondern treiben das Playboy-Lifestyle-Konzept immer weiter voran. Nehmen Sie nur unsere Eigenentwicklung "How to be a Playboy": Diese Special Edition, das „Handbuch für den Mann“, bietet auf originelle Art und Weise unverzichtbare "Stil- und Spielregeln für Gentlemen". Mittlerweile haben wir den Lifestyle-Coach als regelmäßiges Extra in jede Ausgabe integriert.
Zurück zu den Kooperationen. Wie weit gehen die?
Nur so weit, wie sie die Marke sinnvoll erweitern. Deshalb sagen wir mehr ab als zu. Die Marke Playboy soll auch in Zukunft exklusiv und begehrlich bleiben. Alles muss einzahlen auf unsere DNS: exklusive Männerunterhaltung mit Niveau. Lebensfreude, Luxus und Vergnügen.
Muss ich mir auch Ihre persönliche Lebenswelt als Playboy-Chefredakteur voller Luxus und Vergnügen vorstellen?
Ja, klar (lacht). Ich werde natürlich morgens mit einer Stretchlimousine abgeholt und es empfangen mich leichtbekleidete Frauen mit Champagner im Büro… Nein, so ist es natürlich nicht ganz. Aber der Mythos lebt. Und das darf auch so bleiben.
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