
Imagegewinn mit "Bilanz":
"Cooler Maniac": Was sich Springer von Klaus Boldt verspricht
Wortdrechsler und Investigativ-Koryphäe Klaus Boldt soll Springers monatlicher "Welt"-Beilage "Bilanz" als Chefredakteur Aufmerksamkeit verschaffen. Der Verlag will zeigen, dass ihm Journalismus noch wichtig ist.
"Schreiben Sie doch mal wie der Herr Boldt." Dieser Satz, den Ursula Schwarzer, die damalige Vize-Chefredakteurin des "Manager Magazins", gegenüber einem Redakteur des Blatts äußerte, ließ diesen so schauern, dass er ihn selbst nach Jahren nicht vergessen hat. Boldt – der Ende März kommenden Jahres 17 Reporterjahre beim "Manager Magazin" beendet, um Chefredakteur bei der monatlichen "Bilanz"-Beilage von Springers "Welt" zu werden – ist berüchtigt für den Stil, mit dem er Recherchen aus den Chefetagen der (Medien-)Wirtschaft in Texte gießt. Die einen schüttelt es ob des Wortgedrechsels in Boldts Artikeln – so schrieb etwa Blogger Stefan Niggemeier, dass "man mit den in ihnen geflochtenen Girlanden eineinhalbmal sämtliche Karnevalsfeiern des südlichen Rheinlands ausstatten könnte". Die anderen fallen vor der Fabulierkunst des gebürtigen Hamburgers auf die Knie.
Von Boldt Gepeinigte liegen ihm mitunter gerade deswegen zu Füßen. Kolportiert wird dies beispielsweise von Ex-EnBW-Boss Utz Claassen, der, nachdem er von Boldt vernichtend porträtiert wurde – "Der Elektroschocker" – zum ergebenen Bewunderer geworden sein soll. Boldt-Texte sind mitunter derart böse, dass selbst Journalisten schlucken müssen. Unvergessen der mit Interna aus der Bertelsmann-Zentrale gefütterte Artikel, der Bernd Buchholz, damals noch Vorstandschef bei Gruner+Jahr, medial meuchelte: "Er verfügt, nach Maßgabe der Zentrale, nur über die Zugkraft einer Spielzeuglokomotive." Das Grausamste: Alles an der Intrige, die Boldt genüsslich böse aufschrieb, stimmte.
"Er ist ein cooler Maniac, der immer eine Schar von Bewunderern um sich hat", sagt ein Ex-Kollege. Im Sommer überraschte der 55-Jährige mit einem gefühligen Porträt über Friede Springer. In ihrem Verlag wird Boldt, der als egozentrisch, aber dennoch freundlich gilt, erstmals als Chefredakteur wirken. Es sei "eine Art Experiment, wie viel Wahnsinn eine Redaktion aushalten kann", witzeln Journalisten. Eines ist gewiss: Dieser Rechercheur und sprachliche Teilchenbeschleuniger, Erfinder der "MM"-Liste der 500 Reichsten, verschafft dem Projekt "Bilanz" Aufmerksamkeit. Es heißt, Boldt habe längst den Job wechseln wollen. Trotz diverser Angebote hat ihn zuletzt wohl noch das Privileg gehalten, von seiner Lieblingsstadt New York aus über deutsche Konzerne zu berichten. Doch nun laufen dort steuerliche Sonderregelungen aus. Der Hanseat wäre ohnehin in seine Heimatstadt zurückgekehrt, wo seine Frau und sein Adoptivsohn leben.
Jetzt muss Boldt die Redaktion der deutschen "Bilanz" aufbauen, Synergien im Verlag nutzen und der Axel Springer AG frischen wirtschaftsjournalistischen Glanz verleihen. Zudem muss er nach Jahren als einzelgängerischer Autor auf Chefredakteur umschalten.